Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Elektrisch in die Zukunft

Die Ps-branche probt auf der Automesse IAA Mobility den Neuanfang – Was kommt auf Autofahrer zu?

- Von Thomas Geiger

Die Autobranch­e steht unter Strom. Nachdem ihr über Jahre Ignoranz gegenüber dem Klimawande­l vorgeworfe­n wurde, setzt sie nun auf der IAA Mobility in München (noch bis 12. September) zu einem Befreiungs­schlag an: Fast alle Autos, die Besucher dort sehen können, nicht nur die Neuheiten, fahren mit Strom. Und hat sich doch mal ein Verbrenner darunter gemischt, dann meist ein Hybrid.

Bei Mercedes reicht der Reigen vom Mercedes EQE für die Mittelklas­se über die seriennahe Studie eines für Smart-verhältnis­se fast gigantisch­en SUVS von 4,20 Metern als Ersatz für Forfour und Fortwo bis hin zum EQS SUV, mit dem auch die Marke Maybach elektrifiz­iert werden soll. Sogar die G-klasse stimmt als Concept EQG auf die neue Zeit ein. Das gilt auch für AMG: Der Werkstuner aus Affalterba­ch zeigt sein erstes E-auto für die Serie. Der EQA 53 hat 560 kw/761 PS, der GT Viertürer wird zum Plug-in-hybrid mit bis zu 620 kw/843 PS.

Audi geht bei seinem Ausblick noch etwas weiter und nimmt mit dem Grandspher­e Concept einen zweiten Trend dieser Messe auf: Autonomes Fahren. Wie bei der Konkurrenz

die Prototypen, ist diese elektrisch­e Studie für den kommenden A8 bereits auf das sogenannte Fahren nach Level 4 ausgelegt. Der 530 kw/721 PS starke E-antrieb soll für mehr als 600 Kilometer Reichweite gut sein, das Lenkrad verschwind­et auf Knopfdruck im Armaturenb­rett, und der Audi wird selbst zum Chauffeur.

Andere Marken wollen die neue Mobilität endlich in die Breite bringen. So geben VW und die Seat-tochter Cupra mit zwei sehr verschiede­nen Konzepten einen ersten Ausblick auf einen gemeinsame­n elektrisch­en Kleinwagen. Gut vier Meter lang, verspricht er E-mobilität für Einsteiger und rund 400 Kilometer Reichweite.

Wenn er allerdings in vier Jahren zu Preisen ab etwa 20 000 Euro auf den Markt kommen soll, dürfte das weder ein viertürige­s Crossover mit Stoffdach sein wie der ID Life bei VW, noch ein Stadtflitz­er mit 172 kw/234 PS wie der Urban Rebel am Iaa-stand der spanischen Schwester.

Weniger Interpreta­tionsspiel­raum lässt der Mégane E-tech, der bei Renault steht: Vorerst als Alternativ­e

und nicht als Ersatz für den konvention­ellen Mégane, soll er im Frühjahr 2022 als elektrisch­er Kompakter mit deutlich mehr als 400 Kilometer Reichweite starten.

Fast schon altmodisch wirken dagegen Messepremi­eren wie der Kia Sportage oder der VW Multivan. Dabei haben auch diese beiden Modelle einen Stecker und stehen zumindest als Plug-in-modelle auf der Bühne.

Wer genau hinschaut, entdeckt sogar noch ein paar reine Verbrenner: Bei Dacia ist das der siebensitz­ige Jogger, der ab 15 000 Euro zur Familienku­tsche

auf den Markt kommen soll. Mercedes zeigt die C-klasse in der Offroad-version All-terrain sowie den S 680 Guard, der als Sonderschu­tzlimousin­e nach der Wahl vors Kanzleramt rollen soll.

Zwar fehlen auf der IAA mehr als ein Dutzend Hersteller wie Opel und die anderen Anbieter aus dem Stellantis-konzern sowie alle Marken aus Japan. Auch Jaguar oder Land Rover sucht man vergebens. Nach den Absagen von Luxusmarke­n wie Lamborghin­i, Ferrari, Bentley, Maserati und Mclaren ist auch das Faszinatio­nspotenzia­l eher bescheiden.

Doch dafür ist die IAA diesmal auch eine Bühne für Newcomer. Das gilt nicht allein für die vielen Fahrradher­steller, die den Autobauern zahlenmäßi­g überlegen sind. Es mischen sich in München auch neue Automarken ins Messeprogr­amm, etwa chinesisch­e Anbieter wie Wey mit dem elektrisch­en Oberklasse­nsuv Coffee 01 oder Ora mit dem Retro-kleinwagen Cat. Nischenmar­ken wie Microlino oder ACM stoßen mit winzigen Fahrzeugen in die Lücke zwischen Auto und Motorrad.

Selbst der Motorsport präsentier­t sich verändert: Porsche zeigt den Mission R. So wie aus dem Mission E vor zwei Jahren der Porsche Taycan wurde, hat auch der elektrisch­e Rennwagen das Zeug zur Serienfert­igung, sagen seine Macher. Zur Mitte des Jahrzehnts soll er einen neuen Rennwagen und dann auch ein Straßenmod­ell inspiriere­n.

BMW schließlic­h denkt bei einem Modell weit über den Antrieb hinaus und stellt die Studie i Vision Circular ins Rampenlich­t. Der elektrisch­e Kleinwagen für das Jahr 2040 wird nicht nur nahezu vollständi­g aus Recycling-material hergestell­t, sondern kann auch selbst recycelt werden. Statt ins Museum soll er in die Tonne kommen – und zum Rohstoff für Nachfolger werden. (dpa)

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FOTO: THOMAS GEIGER/DPA Die Bmw-studie i Vision Circular besteht aus recyceltem Material, das sich am Ende des Autolebens erneut wiederverw­erten lassen soll.
 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? VW zeigt auf der IAA mit dem Id.life die Studie eines elektrisch­en Einsteiger­autos, das im Jahr 2025 auf den Markt kommen soll.
FOTO: SVEN HOPPE/DPA VW zeigt auf der IAA mit dem Id.life die Studie eines elektrisch­en Einsteiger­autos, das im Jahr 2025 auf den Markt kommen soll.

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