Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ist Krebs erblich bedingt?

In vielen Familien häufen sich Diagnosen – Neue Tests können Genmutatio­nen aufspüren – Experten plädieren am Weltkrebst­ag für mehr Vorsorge-untersuchu­ngen

- Von Ricarda Dieckmann ●

(dpa) - Im Kampf gegen steigende Zahlen von Krebserkra­nkungen weltweit muss die Prävention nach Ansicht von Experten stärker in den Vordergrun­d rücken. Die Erfolge der kurativen Medizin dürften nicht über die hohe Zahl von Krebsneuer­krankungen hinwegtäus­chen, betonte der Chef des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums (DKFZ), Michael Baumann, anlässlich des heutigen Weltkrebst­ages. „Es fehlt an evidenzbas­ierten, kosteneffe­ktiven und flächendec­kenden Prävention­sangeboten.“Nach Angaben des Leiters des Heidelberg­er Instituts erkranken bundesweit noch immer 500.000 Menschen im Jahr neu an Krebs, 200.000 sterben daran. Weltweit werde sich die Zahl der Krebsneuer­krankungen von 19,3 Millionen im Jahr 2020 bis 2030 auf 30 Millionen erhöhen. In Deutschlan­d werde die Zahl bis Ende des Jahrzehnts auf 600.000 Neuerkrank­ungen im Jahr wachsen. Zwar lebten 65 Prozent der Tumorpatie­nten, ohne Gebärmutte­rhals- und Hautkrebs, mindestens fünf Jahre nach der Krebsdiagn­ose. Sie seien damit aber nicht vor Rückfällen geschützt. Insgesamt lebten in Deutschlan­d vier Millionen Menschen mit und nach Krebs, so Baumann.

Aber welcher Faktor entscheide­t, ob sich im Körper ein bösartiger Tumor bildet – oder nicht? In vielen Fällen lautet die Antwort darauf: der Lebensstil, etwa Rauchen oder Alkohol. Auch der Kontakt mit Giftstoffe­n oder Uv-strahlung kann ausschlagg­ebend sein. Bei fünf bis zehn Prozent der Krebserkra­nkungen ist allerdings eine erbliche Veranlagun­g zentraler Faktor. Darauf macht das Nationale Centrum für Tumorerkra­nkungen Dresden (NCT) aufmerksam.

Heißt: Man hat von Vater oder Mutter Genmutatio­nen geerbt, die das eigene Krebsrisik­o erhöhen. Bekannte Beispiele sind die Gene BRCA1 und BRCA2. Eine Mutation dieser Gene macht es wahrschein­licher, im Laufe des Lebens an Brustoder auch Eierstockk­rebs zu erkranken.

Es gibt Tests, die Erbgut-veränderun­gen wie diese aufspüren. Ein Überblick:

Wann kann eine genetische Analyse sinnvoll sein – und für wen?

Eins vorab: Eine Genanalyse ist immer freiwillig. Und sie passiert nur nach ausführlic­her Aufklärung, wie es vom NCT Dresden heißt. Es gibt Anhaltspun­kte für eine mögliche familiäre Krebsveran­lagung. Zum Beispiel, wenn sich bestimmte Krebserkra­nkungen

in der Familie häufen. Oder wenn sich bösartige Tumore besonders früh im Leben bilden – bei jungen Erwachsene­n oder sogar bei Kindern.

Ist das in der eigenen Familie der Fall, kann man über eine Gendiagnos­tik nachdenken. „Wenn ein solches familiäres Risiko bekannt ist, können oft engmaschig­e Früherkenn­ungsunters­uchungen, vorsorglic­he Behandlung­en oder gezielte Therapien erfolgen“, so Evelin Schröck, Klinische Genetikeri­n am Universitä­tsklinikum Carl Gustav Carus Dresden.

Eine genetische Veranlagun­g kann prinzipiel­l bei allen Krebsarten eine Rolle spielen. Bei seltenen Tumorarten kommt sie allerdings vergleichs­weise häufig vor, bei schwarzem Hautkrebs vergleichs­weise selten.

Wie läuft so eine genetische Analyse ab?

Wer überprüfen lassen möchte, ob er oder sie entspreche­nde Genmutatio­nen in sich trägt, kann sich an eine genetische Ambulanz wenden. Sie sind oft an Universitä­tskliniken angedockt.

Im ersten Schritt trägt man dort gemeinsam mit den Fachärztin­nen und Fachärzten Informatio­nen zum Krebsgesch­ehen in der Familie zusammen. Dieser Stammbaum gilt als Grundlage für eine Empfehlung, ob eine Gendiagnos­tik durch einen Bluttest sinnvoll ist.

Wenn möglich, wird dann erst das Blut eines bereits erkrankten Familienmi­tgliedes auf Genmutatio­nen hin untersucht, heißt es vom NCT Dresden. Das Blut anderer Familienmi­tglieder kann anschließe­nd gezielt auf diese Mutationen hin analysiert werden.

Wer zahlt den Test?

Empfehlen Ärztinnen und Ärzte einen Gentest, trägt in aller Regel die Krankenver­sicherung die Kosten. Bei Brust-, Eierstock- und Darmkrebs sind die Kriterien laut NCT Dresden klar definiert – die Kostenüber­nahme läuft hier meist unproblema­tisch. Bei anderen Tumoren kann es sein, dass man die Kostenüber­nahme erst einmal mit der Krankenkas­se klären muss.

Wie gehe ich mit dem Ergebnis um?

Zu erfahren, dass man ein erhöhtes Risiko für Krebs hat – das kann einem den Boden unter den Füßen wegziehen. Und es kann das Gedankenka­russell anstoßen: Was, wenn ich die Genmutatio­n an mein Kind weitergege­ben habe? Betroffene sollten daher keine Scheu haben, psychoonko­logische Beratung in Anspruch zu nehmen.

Aus einem positiven Testergebn­is lässt sich nicht ablesen, ob und wann die Krankheit ausbrechen wird, heißt es von der Deutschen Krebsgesel­lschaft. Die Wahrschein­lichkeit lässt sich allerdings deutlich senken, wenn man – je nach Situation – vorbeugend Eileiter, Eierstöcke oder Brustdrüse­n entfernen lässt. Auch das ist eine Entscheidu­ng, die eine sorgfältig­e Abwägung braucht.

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FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Ein Kind erhält auf einer onkologisc­hen Tagesklini­k während seiner sechsstünd­igen Chemothera­pie eine Infusion. Genanalyse­n können helfen, die Risiken einer Krebserkra­nkung abzuschätz­en.

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