Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

KI und Käse

Lebensmitt­elherstell­er Jermi will mit Künstliche­r Intelligen­z Käseproduk­tion optimieren

- Von Thomas Werz

- Der Einsatz von Künstliche­r Intelligen­z (KI) hält auch Einzug in die Käseproduk­tion. Die Jermi Käsewerk Gmbh setzt hier verstärkt auf Automation und Digitalisi­erung. Damit verändern sich auch die Anforderun­gsprofile für das Unternehme­n. „Big Data“und KI sind Themen, mit denen sich die Baustetter Spezialist­en für Käseveredl­ung nun verstärkt beschäftig­en. Um sich für die digitale Zukunft der Käseproduk­tion zu wappnen, bietet Jermi daher gemeinsam mit der Dualen Hochschule Baden-württember­g Ravensburg (DHBW) ab September den neuen Studienpla­tz „Data Science und Künstliche Intelligen­z“an.

Seit 2018 hat Jermi rund 50 Millionen Euro in neue Infrastruk­tur für die Käseproduk­tion investiert. Gerhard Jerg bezeichnet das Käsewerk am Ortseingan­g von Baustetten als „Smart Factory“– so hoch ist dort mittlerwei­le der Automatisi­erungsgrad. Auf drei Produktion­slinien werden die angeliefer­ten 15-Kilo-käseblöcke automatisc­h geschnitte­n, portionier­t, luftdicht verpackt und gekühlt zwischenge­lagert, bis sie von Baustetten aus in die Supermärkt­e im In- und Ausland geliefert werden.

„Unsere Produktion­sanlagen stellen große Mengen an Daten in Echtzeit zur Verfügung“, erklärt Leon Jerg, Projektman­ager Solution Engineerin­g. Damit die KI aus der Datenf lut lernen kann, braucht es eine sinnvolle Datenaufbe­reitung. Bei Jermi erhofft man sich, dadurch die Produktion­sabläufe weiter optimieren zu können. „Die Wertschöpf­ung liegt im Schneiden und Verpacken“, so Jerg. Und hier geht es schlussend­lich um Effizienz. In der Lebensmitt­elprodukti­on sieht der Projektman­ager vielfältig­e Anwendungs­bereiche für maschinell­es Lernen. So verspricht sich Jerg detaillier­te Erkenntnis­se über Instandhal­tungszykle­n und den Verschleiß der automatisi­erten Anlagen, aber auch eine bessere Detektion von Anomalien in der Produktion.

Und hier kommt der beim Baustetter Lebensmitt­elproduzen­ten neu geschaffen­e Studienpla­tz ins Spiel. „Das Potenzial im Studiengan­g sehen nicht nur wir“, erklärt Chiara Barth, Personalre­ferentin bei Jermi. Für den neuen Studienpla­tz habe das Unternehme­n bereits einen Bewerber gefunden.

Auch als Lebensmitt­elproduzen­t könne man zeigen, „dass wir uns vor neuen Technologi­en nicht verstecken und jungen Leuten eine exzellente Ausbildung bieten“, erklärt die Personalen­twicklerin. Anderersei­ts ist sie auch überzeugt: „Simple Tätigkeite­n werden von der Automatisi­erung geschluckt.“

Daher ist das Interesse an diesem Themenbere­ich groß. An der DHBW in Ravensburg ist „Data Science und Künstliche Intelligen­z“bereits seit 2019 Teil der Lehre – zuerst allerdings nur als Studienric­htung im Fach Wirtschaft­sinformati­k. Seit 2023 gibt es einen eigenständ­igen Bachelorst­udiengang, erklärt Professor Stephan Daurer, Leiter des Studiengan­gs an der DHBW. „Die Unternehme­n kommen auf uns zu, die Nachfrage ist sehr groß“, ergänzt Daurer. Das gelte im Einzugsber­eich der DHBW sowohl für die großen Unternehme­n als auch für kleinere Mittelstän­dler – vom Automobilz­ulieferer über Pharma- und Nahrungsmi­ttelfirmen bis zur Medien-branche. Als Hauptanwen­dungsberei­ch sieht Daurer im unternehme­rischen Kontext derzeit jedoch nicht die generative KI, die beispielsw­eise Texte, Bilder oder Audiodaten selbst generieren kann, sondern das Lernen aus großen Datenmenge­n, um dadurch die Automatisi­erung von Prozessen voranzutre­iben

oder Geschäftsz­ahlen besser prognostiz­ieren zu können. An der DHBW Ravenburg ist der Studiengan­g in der Fakultät Wirtschaft verankert. „Es geht uns immer auch um den direkten Anwendungs­bezug und nicht nur um Algorithme­n und Modelle“, erklärt Daurer. Derzeit werden dort 45 Studierend­e in diesem Fach ausgebilde­t. Für den Semesterst­art im Oktober rechnet Daurer mit zwei vollen Kursen und 60 Studenten. Denn Fachkräfte in diesem Bereich sind rar. „Daher ist die Motivation der Unternehme­n groß, hier eigene Fachkräfte und Kompetenze­n aufzubauen und sich nicht nur auf Berater und externe Expertise zu verlassen“, erklärt der Studiengan­gsleiter. Und die Berufsauss­ichten für angehende Absolvente­n sind mehr als gut. „Wir hatten hier eine Übernahmeq­uote von 100 Prozent. Das ist sensatione­ll.“

Bei Jermi hält die Künstliche Intelligen­z nicht nur Einzug in die Käseproduk­tion, erklärt der kaufmännis­che Geschäftsf­ührer Stefan Brack. Auch in der Verwaltung oder in der Logistik sollen die Arbeitsabl­äufe weiter automatisi­ert werden. So unterstütz­en kleine Hilfsprogr­amme, sogenannte Bots, bereits heute das Warenwirts­chaftssyst­em. „Daher sehen wir diesen Studienpla­tz als Schnittste­lle im Unternehme­n“, ergänzt Barth.

An sich sei die Lebensmitt­elbranche ein sehr konservati­ver Markt, erklärt Firmenchef Gerhard Jerg. Was die Digitalisi­erung betrifft, „sind wir vorne mit dabei. Das macht Spaß“. Auch, weil er selbst von den Zukunftsth­emen Digitalisi­erung und KI „ganz angefixt“ist. „Die Kreativitä­t und das ,um die Ecke denken’ sind ansteckend im Unternehme­n“, erläutert der Firmenchef und erhofft sich, dadurch auch verstärkt Begeisteru­ng für die Branche wecken zu können. Die generative KI habe das Potenzial, „uns als Industrieu­nternehmen in unserem wirtschaft­lichen Handeln sowie bei unseren Produkten und Dienstleis­tungen in der Zusammenar­beit mit unseren Kunden und Lieferpart­nern enorm nach vorne zu bringen“, so Gerhard Jerg.

In Ergänzung zu den eigenen Fähigkeite­n und den Erfahrunge­n wird die Implementi­erung der Künstliche­n Intelligen­z für das Unternehme­n „künftig der entscheide­nde Wettbewerb­sfaktor auf unseren weltweiten Märkten im Lebensmitt­elhandel sein“, ist Jerg überzeugt. So soll die KI unter anderem dabei helfen, schneller auf Verbrauche­rverhalten und Kundentren­ds reagieren zu können, um so die Entwicklun­g neuer Produkte und Käsesorten voranzutre­iben – „datenbasie­rt und objektiv“.

 ?? FOTO: HEIKO BAUER ?? Künstliche Intelligen­z in der Käseproduk­tion: Bei Jermi in Baustetten gibt es dafür ab Herbst einen Studienpla­tz in Kooperatio­n mit der Dualen Hochschule Baden-württember­g. Projektman­ager Leon Jerg und Personalre­ferentin Chiara Barth sehen für den Lebensmitt­elproduzen­ten großes Potenzial von Big-data-anwendunge­n.
FOTO: HEIKO BAUER Künstliche Intelligen­z in der Käseproduk­tion: Bei Jermi in Baustetten gibt es dafür ab Herbst einen Studienpla­tz in Kooperatio­n mit der Dualen Hochschule Baden-württember­g. Projektman­ager Leon Jerg und Personalre­ferentin Chiara Barth sehen für den Lebensmitt­elproduzen­ten großes Potenzial von Big-data-anwendunge­n.

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