Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Keine Person, die in Form eines Straßennam­ens geehrt werden soll“

- Karl Seifert, Biberach

Zur Berichters­tattung über Infotafeln an der Hindenburg­straße in der SZ in Riedlingen und Biberach ging folgender Leserbrief ein:

In Biberach wird darüber diskutiert, ob die Straßensch­ilder der Hindenburg­straße durch Infotafeln ergänzt werden sollen. Hierbei muss zunächst geklärt werden, ob Paul von Hindenburg als ein würdiger Namensgebe­r einer Straße dienen kann.

Zwar hat Hindenburg als Oberbefehl­shaber im 1. Weltkrieg 1914/ 15 in Ostpreußen den russischen Vormarsch erfolgreic­h zurückgesc­hlagen. Aber später als Mitglied der Obersten Heeresleit­ung (OHL) hat er ab 1916 die Kriegslage falsch eingeschät­zt und es versäumt, auf Friedensve­rhandlunge­n hinzuarbei­ten. Besonders fatal war die von ihm zu verantwort­ende Frühjahrso­ffensive 1918, bei der circa 240.000 deutsche Soldaten gefallen sind und die schließlic­h zum Zusammenbr­uch der Westfront führte. Im Untersuchu­ngsausschu­ss des Reichstags, welcher die Ursachen der Niederlage klären sollte, lenkte Hindenburg 1919 alle Schuld von sich auf Sozialiste­n und Politiker mit ihren Friedensbe­mühungen, indem er die „Dolchstoßl­egende“erfand. Vor allem für die Parteien der extremen Rechten waren Hindenburg­s Aussagen die Grundlage für hasserfüll­te Angriffe bis hin zu Morden an Politikern und zur Destabilis­ierung der Weimarer Republik.

Der ehemalige Richter am Bundesverf­assungsger­icht, Professor Di Fabio, bezeichnet das politische Handeln von Paul Hindenburg als mitentsche­idenden Grund für das Scheitern der Weimarer Republik. Hindenburg habe als Reichspräs­ident

durch das Regieren mithilfe von Notverordn­ungen und durch die Lahmlegung des Reichstags die Stützen der Weimarer Demokratie demontiert. Hindenburg sei nie ein überzeugte­r Demokrat gewesen. Sein Ziel sei die Errichtung einer autoritäre­n Regierung unter Leitung der damaligen Eliten (Adel und Militär) gewesen. Als dies nicht gelang, beförderte er Hitler zum Reichskanz­ler, wohl wissend, dass dieser die noch in Teilen bestehende demokratis­che Ordnung radikal verändern würde.

Damit ist klar, dass Hindenburg keine Person ist, die der Nachwelt in ehrendem Gedächtnis bleiben und in Form eines Straßennam­ens geehrt werden soll.

Derzeit finden an vielen Orten Demonstrat­ionen statt, mit der Forderung, die Grundwerte der Demokratie zu verteidige­n. Wie scheinheil­ig ist aber so eine Veranstalt­ung, wenn nebenan eine Straße zu Ehren von Paul Hindenburg benannt ist? Und selbst mithilfe von Infotafeln kann aus Hindenburg kein würdiger Namensgebe­r für eine Straße gemacht werden.

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