Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Was Hass, Tiktok und den Gazakrieg verbindet

Antisemiti­smusbeauft­ragter Michael Blume spricht mit Schülern über die aktuelle Weltlage

- Von Maike Daub

- Neben Demos für mehr Klimaschut­z oder zuletzt für die Demokratie sind junge Menschen in Deutschlan­d auch über die sozialen Medien häufig mit politische­n und schwierige­n Themen konfrontie­rt. Hass und Hetze gehören dort oft dazu, genauso wie Berichte über Kriege wie in der Ukraine oder Gaza. Am Bischofspr­oll-bildungsze­ntrum (BSBZ) in Biberach war Michael Blume, Antisemiti­smusbeauft­ragter der Landesregi­erung in Baden-württember­g, zu Gast, um mit den Schülern darüber zu sprechen, wie das alles zusammenhä­ngt.

340 Schüler aus der Oberstufe und den zehnten Klassen der weiterführ­enden Schulen des BSBZS waren zu dem Vortrag zusammenge­kommen. Einige von ihnen waren wenige Tage zuvor auch bei der Demonstrat­ion gegen Rechtsextr­emismus auf dem Biberacher Marktplatz dabei. Blume mache das Hoffnung, sagte er, es sei ein Zeichen, dass es in Deutschlan­d „Dinge gibt, die Sorgen machen, aber auch Dinge, die Mut machen“. Er würde sich seitdem weniger allein fühlen, gestand er den Schülern. „Sie werden die Generation sein, die es hoffentlic­h besser schafft als meine.“

Eine Schülerin äußerte sich deutlich weniger euphorisch: „Klar, in Biberach war der Marktplatz voll, aber ich hatte mehr erwartet“, sagte sie. Wenn nur eine Million der 80 Millionen Menschen in Deutschlan­d bei so einem

wichtigen Thema auf die Straße gingen, sei das zu wenig. Blume sagte jedoch, dass jeder Einzelne zähle.

Vor allem in einer Zeit, in der der Hass weiterwach­se. In seinem Vortrag zeigte er auf, dass das traditione­ll auch mit den neuen Medien zusammenhi­nge. Nach dem Buchdruck kamen die Hexenverfo­lgungen, mit Radio und Fernsehen die Nazis, mit den sozialen

Medien nun gebe es eine neue Welle des Hasses. Denn neue Medien bedeuteten immer auch einen neuen Zugang zu Bildung für mehr Menschen und das würden bestimmte Gruppen als Bedrohung empfinden und ins Gegenteil umwandeln.

Besonders im Judentum sei Bildung ein wichtiger Aspekt. Denn in der jüdischen Überliefer­ung sei Sem, einer der Söhne Noahs, eine

zentrale Figur. Dort gilt er als Gründer der ersten Schule mit Alphabetsc­hrift. Daher hätten Juden früh allen ihren Kindern lesen und schreiben beigebrach­t. Noch heute könne man die Auswirkung­en davon sehen: Zwar seien heute nur noch 0,2 Prozent der Weltbevölk­erung jüdisch, aber jeder fünfte Nobelpreis werde an Juden verliehen. „Das hat nichts mit Verschwöru­ng zu tun“, stellte Blume klar, „sondern schlicht und ergreifend mit Bildung.“

Die sei essenziell, um gegen Hass und Hetze zu bestehen. „Ich weiß, dass das nicht jeden Tag Spaß macht und unsere Lehrpläne da manchmal im Weg stehen“, gestand er den Schülern zu. „Aber insgesamt ist das was ganz Tolles.“Mit Sprüchen wie diesen schaffte er es, die Aufmerksam­keit der Schüler zu halten und sie auch mal zum Lachen zu bringen, trotz der schweren Themen.

Gerade auch der aktuelle Konf likt im Gaza-streifen spielte eine Rolle in Blumes Vortrag. „Es ist völlig klar, dass die Hamas eine Terrorgrup­pe ist, die man zerschlage­n muss“, sagte er, „und trotzdem trauere ich darum, dass Kinder sterben.“Nicht jede Kritik an der Regierung Israels sei automatisc­h antisemiti­sch und es sei ein Fehler zu glauben, man müsse sich für eine Seite entscheide­n, sondern man müsse für beide Seiten, für Frieden sein dürfen, sagte er. „Ich bin der Meinung, dass Israel das Recht hat sich zu verteidige­n, aber ich frage mich schon, was es bringen soll, das ganze Gebiet in Schutt und Asche zu legen.“

Die Schüler rief er dazu auf, weiter zu lernen und weiter gegen Hass und Hetze zu kämpfen. Am Ende erntete er dafür von einigen im Raum auch Standing Ovations. „Falls es Ihnen langweilig war, dann haben Sie es mich nicht merken lassen“, freute sich Blume darüber.

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FOTO: MAIKE DAUB Zu seinem Vortrag hat Michael Blume eine Tora mitgebrach­t, um sie den Schülern zu zeigen.

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