Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ausdruck „Hure“kostet vor Gericht 15 Tagessätze
75-jähriger Angeklagter nach Körperverletzung und Freiheitsberaubung auch wegen Beleidigung verurteilt
- Erneut beschäftigte das problematische Verhältnis zwischen einem 75-jährigen Gastwirt und seiner 34-jährigen Mitarbeiterin den Riedlinger Amtsrichter: Er soll sowohl die Frau als auch deren kleinen Sohn geschlagen haben. Im einen Anklagepunkt wurde das Verfahren eingestellt, im anderen gab es einen Freispruch. Lediglich wegen Beleidigung wurde eine Geldstrafe verhängt.
Gegen den Strafbefehl hatte der Angeklagte Einspruch eingelegt. Ihm war zum einen vorgeworfen worden, am Abend des 6. Juli vorigen Jahres den vierjährigen Sohn mit einer Rolle Küchenpapier geschlagen und ihm dadurch eine Schnittverletzung und Schmerzen zugefügt zu haben. Am 21. August gegen 23 Uhr, so der andere Tatvorwurf, habe er die Frau, der er eine Wohnung vermietet hat, dort aufgesucht und einen Faustschlag ins Gesicht verpasst. Bei dieser Gelegenheit habe er sie auch noch als Hure beschimpft.
Dass er sich möglicherweise unschöner und nicht jugendfreier Ausdrucksweise bedient habe, räumte der Angeklagte zwar ein, bestritt aber die ihm vorgeworfenen Tätlichkeiten. Laut Aussage der Frau bei der polizeilichen Vernehmung war der 75-Jährige bei ihr aufgetaucht, als das Kind gerade mit einer Rolle Küchenpapier
spielte. Aus Missfallen über die Verschwendung soll er ihm die Rolle entrissen und ihm an den Kopf geschlagen haben. So etwas sei schon häufiger vorgekommen: „Er ist nicht normal.“Das Kind habe deshalb schon Angst vor ihm. Verteidiger Gisbert Luz zog indes in Zweifel, dass mit einer nicht abgewickelten Papierrolle eine Verletzung verursacht werden könne. Auf einem Handyfoto, das die 34-Jährige als Beweis vorlegte, vermochte Richter Ralf Bürglen allenfalls einen schwachen Fleck erkennen. Für den Verteidiger war klar: „Das ist doch keine Schnittverletzung.“
An den Vorfall vom 21. August offenbarte die Zeugin erhebliche Erinnerungslücken. Sie berichtete, dass der Angeklagte erst vor drei Wochen plötzlich in ihrer Dusche aufgetaucht sei und sie ständig drangsaliere. Von einem Faustschlag war aber keine Rede mehr: Der Angeklagte habe sie lediglich geschubst. Dass ihre Aussage vor Gericht nicht mit der im Vernehmungsprotokoll der Polizei übereinstimme, sei auf Missverständnisse durch die auf Englisch geführte Konversation zurückzuführen, vermutet die Frau. Dass er sie eine Hure genannt habe, stritt der 75-Jährige nicht ab. „Das dürfen Sie nicht sagen“, betonte Bürglen. Die Äußerung sei strafbar. Außerdem: „Prostitution ist in kleineren Städten und Gemeinden nicht erlaubt.“Der Angeklagte hatte zudem Plakate mit dem Bild der Geschädigten aufgehängt: „Sex mit ... für eine Woche 500 Euro.“
Von den Aussagen der Zeugin war auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft nicht überzeugt. Die Vorwürfe hinsichtlich der Körperverletzung hätten sich nicht bestätigt, weshalb das Verfahren im einen Fall einzustellen und der Angeklagte im anderen Fall freizusprechen sei. Für die Beleidigung forderte er eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 50 Euro, der Verteidiger zehn Tagessätze. Richter Bürglen kam in seinem Urteil auf 15 Tagessätze. Der Angeklagte sei zur Nachtzeit ungebeten in die Wohnung gekommen, die Aussage sei „unter der Gürtellinie“, durch die Plakataktion noch unterstrichen. Im Urteil kam ein Härteausgleich zum Tragen, nachdem der Angeklagte erst vor Kurzem wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu 115 Tagessätzen verurteilt worden war und die Strafe bereits gezahlt hat. Bei Bildung einer Gesamtstrafe wäre er damals besser davon gekommen.
„Lassen Sie die Frau in Ruhe“empfahl der Richter dem Angeklagten. Er solle von ungebetenen Besuchen absehen. Die Mieterin ist ihrerseits auf Wohnungssuche.