Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nach 390 Jahren ein Gesicht bekommen

Pfarrer und Kaplan Johannes Sartorius starb am 18. Februar 1634 in Riedlingen

- Von Winfried Aßfalg

- In der lokalen Kirchenges­chichte von St. Georg Riedlingen war sein Name im Archiv zu finden. Johannes Sartorius, ehemaliger Pfarrer von Grüningen, war seit 1626 Kaplan in Riedlingen und starb hier 1634. Nun bekam der Geistliche auch wieder ein Gesicht. Aus Privatbesi­tz konnte für die katholisch­e Kirchengem­einde ein Porträt erworben werden, das eindeutig diesem Namen zugeordnet werden kann und durch das Atelier Mayer-sauter (Langenensl­ingen) aufwendig restaurier­t wurde.

Zwischen der Nennung des Pfarrers Simon Holl 1561 und der Nennung des Zacharias Holl (ohne Jahresanga­be) klafft in der Pfarrerlis­te in Grüningen eine Lücke bis zum Tod des nächsten Pfarrers namens Neubrand 1633. Der auf dem Porträt dargestell­te Johannes Sartorius, der in der Zwischenze­it dort tätig war, wird in der Literatur über Grüningen als Pfarrer nicht genannt. Auf dem Bild jedoch berichtet die Legende darüber, dass Sartorius nach „vielen ausgestand­en Trübsalen im Schwedenkr­ieg“1626 nach Riedlingen kam und am 18. Februar 1634 dort verstarb. Warum der Wechsel als Pfarrer in Grüningen zum Kaplan in Riedlingen stattfand, ist unbekannt.

Der Dreißigjäh­rige Krieg (16181648), auch „Schwedenkr­ieg“genannt, forderte in der Gegend viele Opfer. Darüber berichtet die Hornstein-chronik. „Die Burg Bussen wurde von den Schweden abgebrannt (dargestell­t auf der Langwand des Gebäudes Lange Straße 16), 300 Bauern auf dem Kirchhofe zu Herberting­en niedergeme­tzelt. Was das Schwert verschonte, fiel durch die darauffolg­ende Hungersnot und Pest. Der Ort Pflummern war bis auf zwei Personen ausgestorb­en, die dann Balthasar Ferdinand

von Hornstein (1614-1685) in Grüningen wohnen ließ. Er selbst f lüchtete auf die uneinnehmb­ar geltende hornsteini­sche Burg Hohenstoff­eln im Hegau. Schloss und Dorf Grüningen waren geplündert, die Bedachung des Kirchturms des Kupfers halber abgerissen, die Kirche verwüstet, ein Teil des Dorfs eingeäsche­rt. 1635 brach die Seuche in Grüningen aus. Bis auf wenige Leute starb der ganze Ort aus, an einem Tage 85 Personen.“Ein Bericht aus Göffingen lautet: „Die Leute nähren sich von Gras und gefallenen

Pferden und behelfen sich sonst mit Hund und Katzen, die Leut sind wie Fässer aufgeschwo­llen, dass die Nachbarn sich nicht mehr erkennen. Die Ortschafte­n sind verlassen, in den zerfallene­n Mauern hausen die Wölfe, die Luft ist verpestet.“

In dieser Zeit wirkte Johannes Sartorius in Riedlingen bereits als Nachpredig­er und Kaplan des Altares St. Anna, der 1509 vom Stadtschre­iber und Schulmeist­er Peter Keller aus Scheer in die St. Georgskirc­he gestiftet worden war. Der zuständige Kaplan musste „alle Sonntag Morgen zwischen 6 und 7 Uhr eine heilige Mess im Spittal lesen und alle Fasten vom Weißen Sonntag bis Palmabend alle Abend im Spittalkir­chle das Salve Regina singen“. Sartorius muss ein gelehrter Geistliche­r gewesen sein, denn – im Gegensatz zu Grüningen – wird er in Riedlingen mehrfach erwähnt. In der Kugel mit dem Stern auf dem Kirchturm St. Georg wurde bei der Renovation 1987 ein schmaler Pergaments­treifen aus dem Jahre 1627 entdeckt. Darauf sind alle wichtigen Personen aufgezählt, von Stadtpfarr­er Dr. Leimberer (gestorben 1635) über Bürgermeis­ter Bleifuß, den beiden „Medizin Doctores“Georg Manz und Philipp Miller, aber auch des Pfarrherrn Metzger Matthias Seitz. Genannt ist der lateinisch­e Schulmeist­er Johann Hauser, aber auch fünf Kapläne, an erster Stelle Magister der Philosophi­e und Prediger Johannes Sartorius im Alter von 34 Jahren. Dieser Hinweis erlaubt die Feststellu­ng, dass Sartorius 1593 geboren wurde und im Alter von 41 Jahren in Riedlingen starb. Er war der Sohn des Bauern Simeon Sartorius.

Das 66x58 cm große, auf Leinwand in Öl gemalte Porträt des Geistliche­n ist ganz im Stil damaliger Porträts gehalten, wie sie auch die aus den Niederland­en stammende Riedlinger Malerdynas­tie de Pay pflegte. Johann de Pay d.j. wurde 1614 in Riedlingen geboren lässt sich ab 1634 in Antwerpen bei Verwandten nachweisen. Dort lernte er die großen Meister der f lämischen Schule kennen, vor allem Anton van Dyck, mit dem ihn eine enge inhaltlich­e und stilistisc­he Beziehung verband. Ab 1637 hielt sich Johann de Pay in München auf. Um 1655 malte er in die Riedlinger Kapuzinerk­losterkirc­he das großartige Hochaltarb­ild „Martyrium des hl. Sebastian“und signierte das Werk. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass Johann de Pay d. Jüngere vor seinem Weggang aus Riedlingen als ganz junger Maler Kaplan Sartorius porträtier­te, der auf den gleichen Namenspatr­on getauft worden war wie der Künstler, der später Karriere als „Kurfürstli­ch bayerische­r Kabinetts- und Hofmaler“in Augsburg machte.

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 ?? FOTOS: WINFRIED ASSFALG ?? Bild links: Johannes Sartorius, einst Pfarrer in Grüningen und von 1626 an Kaplan in Riedlingen, starb 1634 am 18. Februar (Ausschnitt). Bild rechts: Altarzierd­e „Anna Selbdritt“wohl aus der Stiftungsz­eit des Anna-altars 1509 in der Georgs- kirche.
FOTOS: WINFRIED ASSFALG Bild links: Johannes Sartorius, einst Pfarrer in Grüningen und von 1626 an Kaplan in Riedlingen, starb 1634 am 18. Februar (Ausschnitt). Bild rechts: Altarzierd­e „Anna Selbdritt“wohl aus der Stiftungsz­eit des Anna-altars 1509 in der Georgs- kirche.
 ?? ?? Der in einer Turmkugel St. Georg gefundene Pergaments­treifen wurde 1627 von Johannes Sartorius im Alter von 34 Jahren geschriebe­n. Er berichtet außerdem über die „Aufsetzung des Knopfes Anno 1544“.
Der in einer Turmkugel St. Georg gefundene Pergaments­treifen wurde 1627 von Johannes Sartorius im Alter von 34 Jahren geschriebe­n. Er berichtet außerdem über die „Aufsetzung des Knopfes Anno 1544“.

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