Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gegen alle Widerstände zur Erfolgsgeschichte
Am 18. Mai ist in Riedlingen Flohmarkt – In diesem Jahr wird 50. Jubiläum gefeiert
- Etwa 50 Stände mit Krimskrams, zwei Musikkapellen und ein Getränkestand – das war der erste Riedlinger Flohmarkt am 26. Mai 1973. In diesem Jahr wird das Riedlinger Hochfest am 18. Mai zum 50. Mal veranstaltet – mit viel Livemusik, Versorgungsständen an jeder Ecke und mehr als 700 Händlern.
Dass der Riedlinger Flohmarkt einmal über die Landesgrenzen hinaus bekannt würde, daran haben vor 50 Jahren noch nicht viele Menschen geglaubt. Aus der Taufe gehoben wurde der Markt von Riedlinger Gewerbetreibenden, der damaligen Riedlinger Gemeinschaftswerbung (RGW). Allen voran Helmut Steigerwald, der ihn zusammen mit Anton Schwendele und Matthäus Dirlewanger gegen alle Widerstände und allen Unkenrufen zum Trotz auf die Beine stellte.
Die Idee dazu stammte von einer Werbeagentur. Doch als Steigerwald damit in Riedlingen hausieren ging, erntete er überall nur müdes Lächeln. Ein Flohmarkt? So etwas gäbe es vielleicht in Paris oder Amsterdam, hieß es damals. Aber doch nicht in der oberschwäbischen Provinz. Bei einer Besprechung im Hotel „Brücke“, zu der die Vereine der Umgebung eingeladen waren, kam genau eine Person. Die Organisatoren ließen sich trotzdem nicht entmutigen und luden etwa 30 Händler ein. So manchem habe man damals noch das Spritgeld bezahlt, nur damit er nach Riedlingen gekommen sei, erzählte einst der 2014 verstorbene Steigerwald.
Und weitere Marktbeschicker, die sich kurz vor dem Markt für eine Teilnahme entschieden, waren der Schwäbischen Zeitung eine Meldung wert. Einen Tag vor dem ersten Markt war in der SZ zu
lesen, dass auch ein Töpfer aus Illertissen zugesagt habe, der „seine halbe Werkstatt mitbringt und seine Erzeugnisse an Ort und Stelle anfertigt“.
Marktgelände war 1973 eher in zweiter Reihe – auf dem Wochenmarkt, in der Rössle- und der Pfaffengasse. Marktzeit war von 12 bis 17 Uhr. Musikalisch unterhielten der Musikverein aus Neufra und die Dixie-gang Schwaaz Vere. Die Schwimmbadförderer versorgten die Besucher an ihrem Stand mit Getränken. Die Läden hatten bis 17 Uhr geöffnet. Auf dem Festhallenplatz stand ein
großes Bierzelt, das zusammen mit dem Vergnügungspark für das Riedlinger Frühlingsfest aufgebaut worden war.
„Besucher fast wie am Gallusmarkt“titelt die Schwäbische Zeitung nach dem ersten Markt. Es ist die Rede von Tausenden Besuchern. Der Schwimmbad-förderverein habe runde 700 Liter Bier ausgeschenkt, die Segelf lieger 1200 Würste in Wecken und die Skizunft einige hundert Pfannkuchen verkauft. Etwa 50 Händler hätten ihre Waren angepriesen und ein Bombengeschäft gemacht. Bei den Vereinen mit größerem Angebot sei im Schnitt ein Tausender, an kleineren Ständen immerhin noch einige Hunderter hängen geblieben.
Die Kundschaft war damals laut Zeitungsbericht überwiegend aus der Landeshauptstadt angereist. Dreschf legel und Heugabeln waren gefragt. Allerdings auch Dinge, die ansonsten keiner mehr brauchte. „Was weg ging wie warme Wecken war der echte Ramsch.“Vom gläsernen Nachttopf bis zum Auto sei alles verscherbelt worden. Selbst „der letzte Dreck“habe noch einen Käufer gefunden, ist im Zeitungsartikel zu lesen. Aber auch Unschönes musste vermeldet werden: So wurden dem Schwimmbad-förderverein 29 Halb-literbierkrüge geklaut, die vom Verein mit 2,80 Mark pro Stück beglichen werden mussten. Da das Geld dem Verein an einem
neuen Schwimmbad abging, empfahl der Redakteur, die geklauten Krüge doch still und leise beim Feuerwehr-gerätehaus abzustellen.
Im Jahr darauf wurde das Marktgelände bis zum Weibermarkt ausgeweitet. Der Flohmarkt war wieder so gut besucht und bewies, dass er keine Eintagsf liege würde. Es gab mehr Stände, die Feuerwehr und die Narrenzunft bewirteten die Gäste, die voll des Lobes waren. Und auch noch zum zehnten Flohmarkt, am 15. Mai 1982, schreibt Walter Haag in seinem Buch „Stadt an der Donau“, „dieser Spezialmarkt wird in der malerischen Innenstadt veranstaltet und ist wegen seiner Originalität bei Anbieter und Besucher weithin bekannt“. Der Markt wuchs mit den Jahren weiter an. Das Marktgelände dehnte sich über die gesamte Innenstadt aus, die Händler pendelten sich bei etwa 700 ein. So war es in den vergangenen Jahren und so wird es hoffentlich auch weiterhin sein.
Denn für viele Riedlinger ist der Termin ein fester Bestandteil im Jahresverlauf. Marktstände werden in der Familie weitervererbt – bei manchen übernehmen bereits die Enkel, was einst die Großeltern begannen. Und weggezogene Riedlinger kehren in diesem Jahr am 18. Mai – zum 50. Jubiläum des Riedlinger Flohmarkts – in die Heimatstadt zurück, um als Händler am Marktgeschehen
teilzuhaben oder als Besucher alte Freunde wiederzutreffen.