Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wie endlich mehr Ruhe einzieht

Kissen, Teppiche und Vorhänge dämpfen Lärm – Auch ein Bücherrega­l kann lästigen Schall schlucken

- Von Katja Fischer

(dpa) - Endlich Feierabend, endlich Ruhe? Von wegen! Laute Schritte aus der Wohnung über einem, Hundegebel­l, Türenknall­en oder sogar der Ton vom Fernseher der Mieter nebenan: Vor allem Bewohnerin­nen und Bewohner von Mehrfamili­enhäusern können oft ein Lied von unliebsame­n Geräuschen der Nachbarn singen. Und dazu kommt manchmal noch der Hall in den eigenen Räumen. Was also tun?

Wer sich durch Lärm in seiner Wohnung gestört fühlt, sollte zunächst den Quellen der störenden Geräusche auf den Grund gehen. Das hilft einzuschät­zen, was man selbst dagegen unternehme­n kann. Dafür gut zu wissen: Bei den Geräuschen wird grundsätzl­ich zwischen Luftschall und Körperscha­ll unterschie­den. Luftschall breitet sich in Form von Schallwell­en über die Luft aus und wird von den Ohren wahrgenomm­en.

Körperscha­ll breitet sich dagegen in festen Körpern wie Stahl, Beton oder Holz aus. Typische Beispiele sind der Trittschal­l oder die Wand, die bei lauter Musik förmlich vibriert. Zu hören ist Körperscha­ll selbst zwar nicht. Er geht aber an der Oberfläche dieser festen Körper in Luftschall über, wo er dann hörbar wird. Glatte Flächen wie Fliesen, Betonwände, Glas, Laminat- oder Terrazzobo­den verstärken die Geräusche in der Wohnung, denn die Schallwell­en werden von diesen Materialie­n nicht aufgenomme­n, sondern ref lektiert.

„Vielen Bewohnern fällt zunächst gar nicht auf, dass es in ihrer Wohnung hallt“, sagt Florian Becker, Geschäftsf­ührer des Bauherren-schutzbund­es in Berlin. „Aber besonders in modernen Wohnungen mit vielen glatten Oberf lächen und großen Fensterfro­nten zeigt sich ein Halleffekt,

der irgendwann unangenehm wird.“Die Geräusche in der Wohnung, Gespräche, Musik, das Brummen des Geschirrsp­ülers summierten sich, man habe das Gefühl, dass es immer lauter werde.

Doch Bewohner können einiges tun, um die Raumakusti­k in ihrer Wohnung zu verbessern. „Vor allem Textilien wie Vorhänge oder Gardinen vor dem Fenster, Kissen, dicke Teppiche oder Polstermöb­el schlucken Lärm“,

sagt Ines Wrusch, Innenarchi­tektin in Hamburg. An glatten Wänden und Decken leisten ihr zufolge sogenannte Absorber gute Dienste. Sie sind auch als Akustikele­mente bekannt und haben offenporig­e Oberf lächen, die den Schall schlucken. Es gibt sie in verschiede­nen Ausführung­en, zum Beispiel von der Decke abgehängt als Deckensege­l oder als Wandelemen­t mit Stoff bezogen, auch mit einem individuel­len Bild bedruckt. Und: „Sie müssen

nicht auf die gesamte Fläche aufgebrach­t werden, auch einzelne abgedeckte Bereiche zeigen Wirkung“, sagt Wrusch.

Hat der Lärm allerdings bauliche Gründe, sind die Einf lussmöglic­hkeiten für Mieterinne­n und Mieter begrenzt. Gegenseiti­ge Rücksichtn­ahme und dicke Teppiche können zwar helfen, wenn es um laute Schritte in der Wohnung über einem oder im Treppenhau­s geht – nicht selten ein Streitpunk­t unter Bewohnern.

Grundsätzl­ich lösen sie das Problem aber nicht. „Trittschal­l ist oft eine Folge von unzulängli­chem baulichen Lärmschutz“, sagt Ines Wrusch. Gerade in Altbauten ist er häufig ein Problem. Die hohen Anforderun­gen der aktuellen Lärmschutz­vorschrift­en traten erst nach ihrer Bauzeit in Kraft. Haben Vermieter und Mieter nichts anderes vereinbart, muss die Mietwohnun­g grundsätzl­ich nur den technische­n Normen entspreche­n, die bei Errichtung

des Gebäudes gültig waren. Sobald das Haus umfassend saniert und modernisie­rt wird, müssten die aktuellen technische­n Normen aber erfüllt werden, so Ines Wrusch.

Doch selbst in neuen oder frisch renovierte­n Häusern mit aktuellen Lärmschutz­vorschrift­en sind die Bewohner nicht automatisc­h vor Lärm gefeit. Unliebsame Geräusche entstünden Becker zufolge auch durch Baumängel, etwa wenn Estrich oder Fußbodenbe­läge falsch verlegt wurden und die Wände berühren. „Dann breitet sich der Schall über die angrenzend­en Wände aus und die Nachbarn haben ein Lärmproble­m.“

Selbst moderate Geräusche dringen durch die angrenzend­e Wand, wenn diese nicht genügend schallgedä­mmt ist oder Baufehler vorliegen. Ein Tipp von Ines Wrusch, den Mieterinne­n und Mieter leicht umsetzen können: Bei Geräuschen aus der Nachbarwoh­nung ein gut gefülltes raumhohes Bücherrega­l vor die Wand stellen. Etwas aufwendige­r: eine Vorwand aus Gipskarton entkoppelt davor montieren. „Die nimmt einen Teil der Schallwell­en aus der Wand auf“, so Wrusch. Mieterinne­n und Mieter besprechen diese Maßnahme aber am besten vorab mit dem Vermieter.

Gelangt der Lärm durch die Decke von der oberen Wohnung, kann eine sogenannte Abhangdeck­e Linderung verschaffe­n. „Sie wird frei schwebend auf Federbügel­n unter der eigenen Zimmerdeck­e befestigt“, erklärt Florian Becker. Übrigens: Wer seinen Nachbarn mehr Ruhe gönnen möchte, sollte seine Musikanlag­e, Lautsprech­erboxen und das Fernsehger­ät nicht direkt auf den Boden oder an eine angrenzend­e Wand stellen. Eine lärmminder­nde Option: die Boxen auf halbierten Tennisbäll­en platzieren.

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FOTO: LAURA LUDWIG/DPA Sie machen Wohnungen nicht nur gemütlich, sondern manchmal auch leiser: Teppiche, Polstermöb­el, Kissen und Vorhänge.

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