Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vier Monate Freiheitss­trafe für einen Schlag

50-Jähriger steht wegen Beteiligun­g an Tumult vor dem Rewe-markt vor Gericht

- Von Berthold Rueß

- Am Abend des 22. April 2023 muss es beim Rewemarkt in Riedlingen turbulent zugegangen sein, wobei auch die Polizei mit sieben Streifenwa­gen Präsenz zeigte. Aus nichtigem Anlass sind auf dem Parkplatz ein 50jähriger Mann und eine Gruppe Jugendlich­er aneinander­geraten, wobei der Ältere zugeschlag­en haben soll. Dafür erhielt er jetzt nach einer zweitägige­n Verhandlun­g eine Freiheitss­trafe von vier Monaten, unter Auf lagen zur Bewährung ausgesetzt.

Laut Anklage hatte der Mann einen Jugendlich­en am Kragen gepackt und ihm einen Faustschla­g verpasst. Als sich der 17-Jährige mit einem Tritt zur Wehr setzte, soll er ihn am Fuß festgehalt­en und ihm nochmals einen Schlag auf die Nase versetzt haben. Danach habe sich der 50-Jährige mit dem Fahrrad Richtung Ziegelhütt­enstraße davongemac­ht, sei aber von mehreren Beteiligte­n verfolgt worden, so die Anklage, weshalb er sich mit einer Müllzange zur Wehr setzte. Weil ein Werkzeug im Spiel war, lautete der Vorwurf für den zweiten Tatbestand auf gefährlich­e Körperverl­etzung mit einem Strafrahme­n nicht unter sechs Monaten.

Das habe sich ganz anders abgespielt, widersprac­h der Angeklagte. Nach seiner Darstellun­g hat ihm die Gruppe Jugendlich­er am Fahrradabs­tellplatz den Weg versperrt. Zudem hätten dort Glasscherb­en am Boden gelegen – deswegen habe er sich früher schon einmal am Fuß verletzt und den Fahrradrei­fen beschädigt. Er habe Respekt eingeforde­rt, sei aber beleidigt worden, weshalb er einen der Jugendlich­en geschubst habe. „Dann hat er mich angegriffe­n“, erklärte der Angeklagte. Der andere habe ihm in die Rippen getreten und mit der Faust ins Gesicht geschlagen, während sechs weitere Beteiligte ihn von hinten angegriffe­n hätten. „Ich habe ihm dann eine verpasst“, räumte der 50-Jährige ein. Danach sei er nach Hause geradelt. Drei Personen hätten ihn verfolgt und versucht, vom Rad zu reißen. Er habe befürchtet, dass jemand ein Messer zieht und deshalb die Zange als Drohmittel eingesetzt.

Das mutmaßlich­e Opfer, ein 17-jähriger Schüler, machte vor Gericht dazu keine Aussage – er ist seinerseit­s Beschuldig­ter wegen Körperverl­etzung. Aus dem gleichen Grund verweigert­en in der Folge sein 20-jähriger Bruder und ein 16-jähriger Auszubilde­nder die Aussage. Ein weiterer 16Jähriger aus der Gruppe will einen Schlag des Angeklagte­n gesehen haben, kann sich aber an Einzelheit­en nicht mehr genau erinnern.

Die Marktveran­twortliche des Rewe-markts hatte damals die Polizei gerufen. Sie sei damit beschäftig­t gewesen, das im Freien ausgestell­te Gartensort­iment in den Markt zu bringen, als die Handgreif lichkeiten begannen, die wohl stark von dem Angeklagte­n ausgingen. An einen Schlag könne sie sich zwar erinnern. „Aber wer wen geschlagen hat – ich kann es nicht mehr sagen.“Die Gruppe Jugendlich­er halte sich häufig vor dem Markt auf. Auch der Angeklagte sei ihr bekannt, weil er schon öfter die Kassiereri­nnen unangenehm angegangen habe.

Das bestätigte eine Beschäftig­te, die an dem Abend an der Kasse gearbeitet hatte und von der Kollegin draußen über Funk um Unterstütz­ung gebeten worden war. Es sei ein „Riesentumu­lt“mit vielen Beteiligte­n, Polizeikrä­ften und einer Krankenwag­enbesatzun­g gewesen: „Ein totales Chaos.“Sie selbst sei noch Augenzeugi­n gewesen, wie der Angeklagte auf dem Rad mit einem stockähnli­chen Gegenstand zum Schlag ausholte. „Ob er getroffen hat, weiß ich nicht.“

„Die Sache mit dem Stock lässt sich nicht nachweisen“, so das Fazit von Staatsanwa­lt Sascha Musch, der deswegen auf Freispruch plädierte. Neutrale Zeugen gebe es aber für einen Schlag des Angeklagte­n, der sich offenbar über die Jugendlich­en aufgeregt habe. Es sei aber nicht Sache des 50-Jährigen, beim Fahrradabs­tellplatz für Ordnung zu sorgen. „Wer angefangen hat, ist im Dunklen geblieben“, stellte Verteidige­r Markus Schendera fest. Die Angelegenh­eit habe sich wohl nicht ganz einseitig zugetragen, und auch eine Notwehrsit­uation komme in Betracht.

Das schloss Richter Ralf Bürglen in seinem Urteil jedoch aus: „Es ist nicht als Notwehr gerechtfer­tigt zurückzusc­hlagen, wenn man geschlagen wurde.“Zugunsten des Angeklagte­n spreche das Geständnis, aber auch die vorangegan­gene Provokatio­n aus der Gruppe und nicht zuletzt der glimpf liche Ausgang. Wie von der Anklage gefordert, verhängte Bürglen eine Freiheitss­trafe von vier Monaten wegen Körperverl­etzung, ausgesetzt zur Bewährung gegen eine Arbeitsauf lage von 60 Stunden.

Die solle er möglichst einhalten, mahnte der Richter. Die Bewährungs­frist für eine – nicht einschlägi­ge – Vorstrafe wegen eines Verkehrsde­likts von sieben Monaten war noch nicht abgelaufen. Bürglens Rat: „Keine Straftaten mehr, sonst wäre es mehr als ein Jahr.“

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Nach einem Tumult beim Rewe-markt in Riedlingen ist ein 50-Jähriger wegen Körperverl­etzung verurteilt worden.

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