Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ins Schaufenster gespielt
Erfolg könnte für den VFB zum Problem werden – Spieler und Trainer sind heiß begehrt
(dpa) - Es könnte alles so schön sein. 50 Punkte hat der VFB Stuttgart in dieser so außergewöhnlichen Saison schon gesammelt – so viele wie nie zu diesem Zeitpunkt einer Spielzeit in der Fußball-bundesliga. Nach zwei Fast-abstiegen steuern die Schwaben, die auch gegen den 1. FC Union Berlin an diesem Freitag (20.30 UHR/DAZN) klarer Favorit sind, geradewegs auf die Champions League zu. Doch in die Euphorie mischt sich rund um die Stuttgarter auch Skepsis. Verliert der VFB im Sommer seine Stars? Wenn ja, wie viele? Und was wird aus dem Trainer?
Auch all die Themen abseits des Platzes seien „ein Stück weit Teil des Jobs“, sagt Coach Sebastian Hoeneß. Sie richtig zu managen, sei dennoch eine „Herausforderung“für die kommenden Wochen. Der Erfolg weckt eben Begehrlichkeiten. „Wir haben uns in ein Schaufenster gespielt“, sagt Hoeneß. Das gilt vor allem für den Trainer selbst und Stuttgarts Toptorjäger Serhou Guirassy.
Seit Wochen halten sich Gerüchte, Hoeneß könnte ein möglicher Kandidat für die Nachfolge von Thomas Tuchel als Trainer des FC Bayern München werden. Er empfinde sie als „Bestätigung“für die gute Arbeit der Stuttgarter, sagt der 41-Jährige dazu. Aber: „Es sind Spekulationen, mehr nicht.“Er habe „keine Gedanken, dass der Weg mit dem VFB am Ende der Saison zu Ende ist“. Das dürfte so manchen Fan des Tabellendritten zumindest vorerst beruhigen.
Bei Stürmer Guirassy ist das anders – und ein Wechsel im Sommer nach jetzigem Stand wesentlich wahrscheinlicher. „Wir werden natürlich an unsere Grenzen gehen, um langfristig mit Serhou arbeiten zu können“, sagt Sportdirektor Fabian Wohlgemuth über den Guineer, der diese Saison schon 22 Pflichtspieltore erzielt hat. Guirassys Zukunft über
die Saison hinaus ist offen – und ein Transfer-dauerthema. Dank einer Ausstiegsklausel könnte er den Club im Sommer verlassen. Auch darüber, wie es mit den bislang nur ausgeliehenen Alexander Nübel (Bayern München) und Deniz Undav (Brighton & Hove Albion) weitergeht, wird spekuliert – und ob sich der VFB die feste Verpflichtung des Torwarts und des
Stürmers nach wirtschaftlich harten Jahren überhaupt leisten könnte.
„Ganz prinzipiell kämpfen wir immer mit vollem Einsatz, wenn es darum geht, die Wettbewerbssituation für den VFB zu verbessern. Da bleibt nichts liegen“, sagt Wohlgemuth. „Zu den Erkenntnissen des letzten Jahres gehört aber ebenfalls, dass die Mannschaft
im Zweifel auch immer den Verlust von Leistungsträgern aufgefangen hat. Generell dürfen wir uns in diesem Prozess nicht treiben lassen.“
Wohlgemuth, das wird deutlich, empfindet die Stimmung rund um den VFB mitunter als zu pessimistisch – und fühlt sich auch an das Vorjahr erinnert. Damals hatten die Nationalspieler Wataru Endo, Borna Sosa und Konstantinos Mavropanos die Schwaben verlassen. Danach „ging es bei vielen Stimmen schnell um den Untergang“, sagt Wohlgemuth. Stattdessen gab es den rasanten Aufschwung.
Trainer Hoeneß sei „der Generalschlüssel unseres Erfolgs“, sagt Wohlgemuth. Ein anderer wichtiger Wiederaufbauhelfer war und ist der 44-Jährige selbst. Es wäre naheliegend, würde ihn der VFB irgendwann zum Sportvorstand befördern. Vorangekommen sind die Stuttgarter in der Frage, wie sie den Posten besetzen, den noch Vorstandschef Alexander Wehrle mit ausübt, bisher aber nicht. Und vermutlich zieht sich das Thema noch weiter hin.
Die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb am Saisonende, wäre aber sicher ein weiteres Argument pro Wohlgemuth – und eines, dass auch den ein oder anderen umworbenen Spieler und den Trainer zum Verbleib am Wasen bewegen könnte. Man wolle „den Job ein Stück weit zu Ende bringen“, sagt der Hoeneß. Es „realistisch, über einen dritten Wettbewerb nachzudenken“, sagt der 41-Jährige, schiebt aber direkt hinterher: „Aber da spreche ich nicht von der Champions League.“
Damit der VFB in der kommenden Saison wirklich durch Europa reisen darf, fordert der Coach seine Spielern trotz aller Wechselspekulationen zu „Professionalität“auf: „Wir wollen aus dieser erfolgreichen Saison was mitnehmen. Da gilt es, seine persönlichen Eitelkeiten dem sportlichen Erfolg unterzuordnen.“