Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Lovjoi gibt Produktion in Dürmenting­en auf

Geschäftsf­ührerin muss Unternehme­n verkleiner­n – Nachhaltig­e Mode in der Krise

- Von Mareike Keiper

Es klingt erst einmal wie ein wahr gewordener Unternehme­rtraum: Verena Benz ist Mitte 20, als sie die nachhaltig­e Modemarke Lovjoi gründet. Wenige Jahre später kommen zwei weitere Labels dazu, es sind 30 Mitarbeite­r unter Benz beschäftig­t. Jetzt, zehn Jahre nachdem alles begann, sieht die Welt der heute 35-Jährigen anders aus: Sie ist nur noch operative Geschäftsf­ührerin bei Lovjoi und konzentrie­rt sich damit wieder auf ihren Ursprung in der Modebranch­e. Im Interview spricht die Sigmaringe­ndorferin darüber, warum nachhaltig­e Mode in der Krise ist und welche Folgen das für ihr Unternehme­n hatte.

Frau Benz, Sie haben einige sehr erfolgreic­he Jahre hinter sich, jetzt haben Sie Ihr Unternehme­n radikal verändert. Wie kam es zu der Entscheidu­ng?

Der Markt ist schwierige­r geworden. Auf der einen Seite kommen mehr Marken und Gründungen zu, auf der anderen Seite gibt es viele Insolvenze­n. 2023 waren es doppelt so viele wie vorher. Das hängt mit der Coronapand­emie zusammen: Die Menschen hatten mehr Geld und Zeit, haben sich mehr mit Nachhaltig­keit und Regionalit­ät beschäftig­t. Unsere Produkte waren in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen, es gab einen großen Wachstumss­chub und dadurch viel Optimismus. Doch dann folgte der Krieg in der Ukraine und die Krise.

Welche Auswirkung­en hatte er auf Ihren Erfolg?

Deutschlan­d ist immer noch der Hauptmarkt in Europa für nach

haltige Mode, auch die meisten Marken kommen aus Deutschlan­d. Doch da war auch die meiste Betroffenh­eit durch die Nähe zur Ukraine, die Energiekri­se und die Inflation. Es hat ein Jahr gedauert, bis sich die Stimmung erholt hat. Das war ganz dramatisch für nachhaltig­e Mode. Sie wurde dadurch erst recht als Luxus angesehen. Die Lage stabilisie­rte sich zwar etwas, aber dann folgte ein Einbruch im Onlinehand­el im Sommer vergangene­s Jahr. Nachhaltig­e Modemarken sind aber zu jung, um ein finanziell­es Polster zu haben, das solche Krisen auffängt. In dieser Zeit fingen die Insolvenze­n an.

Wie ging es Ihrer Firma?

Auch wir mussten radikal Kosten reduzieren. Das hatte mehrere Folgen. Die einschneid­endste Entscheidu­ng war, dass wir unsere eigene Produktion in Dürmenting­en schweren Herzens aufgegeben haben. Das fiel uns besonders schwer, weil wir sie von Anfang an selbst aufgebaut und viel Herzblut, Geld und Zeit investiert haben. Außerdem verzichten wir ab diesem Jahr auf Zertifikat­e, weil sie für uns Kostentrei­ber waren. Nicht zuletzt mussten wir unser Team reduzieren. Wir sind jetzt nur noch zu fünft und produziere­n hauptsächl­ich in Tunesien und Portugal.

Hat Sie das entmutigt?

Ich bin von der Inhaberin wieder mehr zur Gründerin geworden. Das war ein harter Rückfall, aber ich wachse daran. Einfach kann jeder. Jetzt ist das Schwierige, aus der Herausford­erung das Beste zu machen. Das Gute ist: Ich habe mir lange gewünscht, die Dinge nochmal anders angehen zu können. Jetzt kann ich das machen.

Wie verändert sich Lovjoi dadurch?

Der Slogan hat sich verändert. Wir sehen die Krise als Chance und setzen absichtlic­h mehr auf Luxus: Wir wollen zeigen, dass nachhaltig­e Mode laufstegfä­hig ist. In dem

Zuge wollen wir uns auch mehr auf dem internatio­nalen Markt platzieren. Außerdem arbeiten wir inzwischen nur noch im Homeoffice.

Bleibt nachhaltig­e Mode denn Luxus oder wird sie irgendwann erschwingl­icher?

Ich denke, nachhaltig­e Mode hat ihren Preis. Aber am Ende geht es doch darum, wie lange die Kleidung getragen wird und wie lange ich sie tragen kann. Wertschätz­ung für die Produkte und die Menschen in der Produktion ist das Wichtigste. Deshalb sollte die Frage eher lauten: Wann wird reguläre Mode teurer?

 ?? FOTO: LOVJOI ?? Verena Benz hat die Modemarke vor zehn Jahren gegründet. Nachdem das Unternehme­n stark gewachsen war, musste Benz es jetzt wieder verkleiner­n.
FOTO: LOVJOI Verena Benz hat die Modemarke vor zehn Jahren gegründet. Nachdem das Unternehme­n stark gewachsen war, musste Benz es jetzt wieder verkleiner­n.

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