Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Das bewegende Künstlerleben von Andreas Etschmann
Der Bildhauer arbeitete an einem weltberühmten Chorgestühl - Was ihn mit Riedlingen verbindet
- Es ist einer dieser Zufallsfunde, die jeden Heimatforscher freuen und in der Kunstgeschichte Marksteine setzen können. Im Totenregister der katholischen Pfarrei in St. Georg Riedlingen ist am 27. März 1724, also vor 300 Jahren, ein Jugendlicher mit 17 Jahren und dem Namen Etschmann gestorben. Diesen Namen hat es seit den Aufzeichnungen in den Registern nie gegeben. Der Name lässt jedoch insofern aufmerken, als der Bildhauer Andreas Etschmann um 1700 ein hervorragendes Chorund Kapitelgestühl in Oberschwaben geschaffen hatte.
Ob ein Zusammenhang zwischen dem Jugendlichen und dem „ruhmreichen Bildhauer aus Tirol“gleichen Namens besteht, blieb zunächst offen. Die Herkunft des Andreas Etschmann war unbekannt und die und familiären Daten erwiesen sich als sehr lückenhaft.
Die Recherchen an seinen Wirkungsstätten, den Prämonstratenserklöstern Obermarchtal und Rot an der Rot, konnten einige Lücken schließen. Entscheidend
war aber die Anfrage beim Tiroler Landesarchiv Innsbruck, wo die Familienakte der Etschmann aus Haiming am Inn liegt. „Ihnen winkt das Glück des tüchtigen Forschers“hatte der Archivleiter geschrieben. Der genaue Geburtstag des Bildhauers war allerdings auch dort nicht zu finden. Er liegt zwischen 1662 und 1664. Als 1714 Etschmanns Mutter verstarb, ist von ihrem Sohn Andreas in der Testamentsniederschrift die Rede: „Andree ein Pildhauer in der Frembd, aber nit wissend, alwo er sich auf halt". Das klingt aus heutiger Sicht besonders tragisch, als Andreas Etschmann zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Jahre tot war, ohne dass offensichtlich weder seine Mutter noch seine vier Geschwister etwas davon gewusst hatten.
Inzwischen gilt es als gesichert, dass Etschmann mit seinem Kollegen Ignaz Waibel (1661 - 1733) im Kartäuserkloster Buxheim an dem inzwischen weltberühmten Chorgestühl mitgearbeitet hatte. Als Etschmann 1692 im benachbarten Rot an der Rot heiratete, waren Ignaz Waibel und der Bildhauer aus Luzern, Hans Heinrich Schlegel, Trauzeugen. 1693 hatte Etschmann das Chorgestühl in Rot fertiggestellt und wechselte zum nächsten Auftrag nach Obermarchtal. Dort starb 1702 seine Frau Lucia Schwarz im Alter von 31 Jahren. Zu den drei unversorgten Kinder kamen nach der Heirat der Witwe Barbara Spengler 1703 noch zwei dazu. Drei Jahre später, 1706, starb auch seine zweite Ehefrau. Im gleichen Jahr heiratete der Bildhauer ein drittes Mal. Mit Elisabeth Weißhaar aus Rechtenstein bekam er weitere zwei Kinder, darunter oben genannten Hermann Etschmann.
Während Etschmanns Arbeit am Kapitelgestühl Obermarchtal verlor er innerhalb von zehn Monaten zwischen 1706/1707 seine zweite Frau (29 Jahre alt) und drei Kinder durch Tod: die 16 Monate alte Tochter Maria Dominica, den fünf Wochen alten Sohn Joseph und den zehnjährigen Sohn Martin. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass der Künstler nach derartigen Schicksalsschlägen zur „Fertigstellung des Gestühls traktiert [gedrängt] werden musste.
Am 2. Juli 1708 starb auch Etschmann. Im Totenbuch Obermarchtal steht geschrieben: „2. Juli in der Frühe etwa um die sechste Stunde entschlief ganz friedlich D:[ominus] Andreas Etschmann aus Tirol, Bildhauer, überaus kunstverständiger Mann, was sehr schöne Skulpturen hier und dort, vor allem aber in der neuen Marchtaler Kirche bestätigen.“
Doch damit ist die Geschichte ist noch nicht zu Ende! Etschmanns 3. Frau heiratete als Witwe Weißhaar in Marchtal 1710 den Bildhauer Franz Joseph Kazenmayer aus Königseggwald, bekam mit ihm zehn Kinder und zog 1719 auch mit dem Sohn Hermann Etschmann nach Riedlingen. Sie starb 1747 in Riedlingen. Noch im gleichen Jahr heiratete Kazenmayer die Riedlingerin Maria Anna Gerster. Kazenmayer hatte immer wieder ins Kloster Heiligkreuztal, in umliegende Pfarreien und vor allem in die Riedlinger Weilerkapelle 17221724 Kunstwerke geliefert. Er starb am 3. März 1755 in Riedlingen.