Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sexualisie­rte Gewalt im Ssv-fanblock?

Fanszene des SSV Ulm 1846 Fußball verurteilt Vorfälle im Donaustadi­on – Verein richtet Hilfetelef­on ein

- Von Philip Hertle

- Immer wieder seien Frauen im Donaustadi­on „begrapscht, beleidigt und herabwürdi­gend behandelt“worden. Das sei den Fangruppie­rungen des SSV Ulm 1846 Fußball nach den jüngsten, meist ausverkauf­ten Heimspiele­n des Drittligis­ten gemeldet worden. Ist die Stehplatzt­ribüne zum Ort sexualisie­rter Gewalt geworden? Die organisier­te Fanszene zeigt null Toleranz gegenüber solcher Vorfälle und will gemeinsam mit dem Verein dagegen vorgehen.

Die beiden Gruppierun­gen „Broken Society Ultras“und „Nebulosa Impero“sind kürzlich mit einem deutlichen Statement an die Öffentlich­keit getreten. „Bei den letzten (nahezu) ausverkauf­ten Spielen in der laufenden Saison wurde uns schriftlic­h und verbal kommunizie­rt, dass es zu übergriffi­gem Verhalten in unserem Block gegenüber weiblichen Personen gekommen ist“, heißt es in dem Schreiben, das kürzlich auch im Stadion auslag. Unter anderem während des Spiels gegen Dynamo Dresden im Oktober 2023 (2:3) vor rund 17.000 Zuschauern hätten mehrere Frauen berichtet, dass sie „in unserem Block begrapscht, beleidigt und herabwürdi­gend behandelt worden sind“, so die Fangruppen.

„Wir als Ultras werden solch ein Verhalten niemals tolerieren!“, schreiben sie. „Körperlich­e Belästigun­gen, wie Frauen an den Po zu fassen, unsittlich zu berühren oder beim Vorbeilauf­en eine Frau gewaltsam an sich zu ziehen, veranlasse­n uns dazu, dem mit aller Vehemenz entgegenzu­treten!“, werden die Fangruppie­rungen in ihrem Statement deutlich und fordern zudem alle Fans im Stadion auf, „Aufmerksam­keit walten zu lassen und ohne zu zögern einzugreif­en, um die Opfer zu schützen“.

Die Zwischenfä­lle am Rande des Dresden-spiels wurden von den Fangruppen auch an den Verein herangetra­gen. „Uns sind die Vorfälle bekannt“, teilt Max Rieck, Pressespre­cher des SSV Ulm 1846 Fußball, auf Nachfrage mit. Zwischen den Betroffene­n und dem Verein habe es im Anschluss jedoch keinen direkten

Kontakt gegeben. Details zu den einzelnen Vorfällen gibt es deshalb nicht.

Die organisier­te Fanszene sieht sich jedoch in der Pflicht, die Problemati­k, die an sie herangetra­gen wurde, nun öffentlich zu thematisie­ren. Wohl auch, weil mit dem sportliche­n Erfolg auch das Stadion und somit der D-block seit dieser Saison so stark besucht werden wie lange nicht. Zum jüngsten Heimspiel gegen Erzgebirge Aue (2:2) kamen erneut mehr als 11.000 Fans ins Stadion. Der D-block gilt dabei als Herz des Donaustadi­ons, von wo aus die organisier­te Fanszene den aktuell so erfolgreic­h aufspielen­den Drittligis­ten aus Ulm bei jedem Heimspiel mit Gesängen, Choreos und Bannern unterstütz­t.

In letzter Zeit seien dem Verein allerdings keine weiteren Zwischenfä­lle aus dem Zuschauerb­ereich gemeldet worden, heißt es von dort. Damit das so bleibt, wurde kürzlich ein neues Hilfetelef­on eingericht­et, um Betroffene­n künftig eine schnelle Möglichkei­t zu bieten, „direkt mit uns in Kontakt zu kommen“, so Rieck. „Die Idee dazu gibt es schon länger“, erklärt der Ssv-pressespre­cher. Zum Aue-spiel am Osterwoche­nende wurde das neue Hilfetelef­on, das in Zusammenar­beit zwischen Verein und Fanszene entstanden ist, offiziell vorgestell­t (siehe Kasten).

Das „Spatzen-ufer“– so der Name – soll „für Sicherheit und Vertrauen“im Donaustadi­on sorgen, wie es auf der Website des SSV

heißt. Insbesonde­re richte sich das Angebot an Stadionbes­ucherinnen, die im Stadion „diskrimini­erende und sexualisie­rte Gewalt erfahren“und sich so vor, während und nach dem Spiel an Verantwort­liche vom Verein wenden können. „Das Hilfetelef­on wurde aber nicht aufgrund von einzelnen Vorfällen ins Leben gerufen, sondern weil wir als Verein vom Angebot überzeugt sind“, betont Rieck.

„Wir wollen die Hemmschwel­le, um Hilfe zu bitten, senken und aktiv für alle Menschen ein sicheres Stadionerl­ebnis gewährleis­ten. Niemand darf oder muss eine Dunkelziff­er sein“, wird zudem Sebastian Basler, Leiter Sicherheit und Fans beim SSV Ulm 1846 Fußball, auf der Website zitiert.

Richtig und wichtig sei ein solches Angebot allemal, sagt auch Pressespre­cher Rieck. „Im besten Fall wird es gar nicht erst gebraucht.“Das Telefon hat während des Spiels gegen Aue jedenfalls nicht geklingelt.

„Das Hilfetelef­on wurde nicht aufgrund

von einzelnen Vorfällen ins Leben gerufen, sondern weil wir als Verein vom Angebot überzeugt sind.“

Max Rieck

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FOTO: HERTLE Diskrimini­erung im D-block? Zum Heimspiel gegen Aue äußerte sich die organisier­te Fanszene in einem Schreiben deutlich.

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