Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Sexualisierte Gewalt im Ssv-fanblock?
Fanszene des SSV Ulm 1846 Fußball verurteilt Vorfälle im Donaustadion – Verein richtet Hilfetelefon ein
- Immer wieder seien Frauen im Donaustadion „begrapscht, beleidigt und herabwürdigend behandelt“worden. Das sei den Fangruppierungen des SSV Ulm 1846 Fußball nach den jüngsten, meist ausverkauften Heimspielen des Drittligisten gemeldet worden. Ist die Stehplatztribüne zum Ort sexualisierter Gewalt geworden? Die organisierte Fanszene zeigt null Toleranz gegenüber solcher Vorfälle und will gemeinsam mit dem Verein dagegen vorgehen.
Die beiden Gruppierungen „Broken Society Ultras“und „Nebulosa Impero“sind kürzlich mit einem deutlichen Statement an die Öffentlichkeit getreten. „Bei den letzten (nahezu) ausverkauften Spielen in der laufenden Saison wurde uns schriftlich und verbal kommuniziert, dass es zu übergriffigem Verhalten in unserem Block gegenüber weiblichen Personen gekommen ist“, heißt es in dem Schreiben, das kürzlich auch im Stadion auslag. Unter anderem während des Spiels gegen Dynamo Dresden im Oktober 2023 (2:3) vor rund 17.000 Zuschauern hätten mehrere Frauen berichtet, dass sie „in unserem Block begrapscht, beleidigt und herabwürdigend behandelt worden sind“, so die Fangruppen.
„Wir als Ultras werden solch ein Verhalten niemals tolerieren!“, schreiben sie. „Körperliche Belästigungen, wie Frauen an den Po zu fassen, unsittlich zu berühren oder beim Vorbeilaufen eine Frau gewaltsam an sich zu ziehen, veranlassen uns dazu, dem mit aller Vehemenz entgegenzutreten!“, werden die Fangruppierungen in ihrem Statement deutlich und fordern zudem alle Fans im Stadion auf, „Aufmerksamkeit walten zu lassen und ohne zu zögern einzugreifen, um die Opfer zu schützen“.
Die Zwischenfälle am Rande des Dresden-spiels wurden von den Fangruppen auch an den Verein herangetragen. „Uns sind die Vorfälle bekannt“, teilt Max Rieck, Pressesprecher des SSV Ulm 1846 Fußball, auf Nachfrage mit. Zwischen den Betroffenen und dem Verein habe es im Anschluss jedoch keinen direkten
Kontakt gegeben. Details zu den einzelnen Vorfällen gibt es deshalb nicht.
Die organisierte Fanszene sieht sich jedoch in der Pflicht, die Problematik, die an sie herangetragen wurde, nun öffentlich zu thematisieren. Wohl auch, weil mit dem sportlichen Erfolg auch das Stadion und somit der D-block seit dieser Saison so stark besucht werden wie lange nicht. Zum jüngsten Heimspiel gegen Erzgebirge Aue (2:2) kamen erneut mehr als 11.000 Fans ins Stadion. Der D-block gilt dabei als Herz des Donaustadions, von wo aus die organisierte Fanszene den aktuell so erfolgreich aufspielenden Drittligisten aus Ulm bei jedem Heimspiel mit Gesängen, Choreos und Bannern unterstützt.
In letzter Zeit seien dem Verein allerdings keine weiteren Zwischenfälle aus dem Zuschauerbereich gemeldet worden, heißt es von dort. Damit das so bleibt, wurde kürzlich ein neues Hilfetelefon eingerichtet, um Betroffenen künftig eine schnelle Möglichkeit zu bieten, „direkt mit uns in Kontakt zu kommen“, so Rieck. „Die Idee dazu gibt es schon länger“, erklärt der Ssv-pressesprecher. Zum Aue-spiel am Osterwochenende wurde das neue Hilfetelefon, das in Zusammenarbeit zwischen Verein und Fanszene entstanden ist, offiziell vorgestellt (siehe Kasten).
Das „Spatzen-ufer“– so der Name – soll „für Sicherheit und Vertrauen“im Donaustadion sorgen, wie es auf der Website des SSV
heißt. Insbesondere richte sich das Angebot an Stadionbesucherinnen, die im Stadion „diskriminierende und sexualisierte Gewalt erfahren“und sich so vor, während und nach dem Spiel an Verantwortliche vom Verein wenden können. „Das Hilfetelefon wurde aber nicht aufgrund von einzelnen Vorfällen ins Leben gerufen, sondern weil wir als Verein vom Angebot überzeugt sind“, betont Rieck.
„Wir wollen die Hemmschwelle, um Hilfe zu bitten, senken und aktiv für alle Menschen ein sicheres Stadionerlebnis gewährleisten. Niemand darf oder muss eine Dunkelziffer sein“, wird zudem Sebastian Basler, Leiter Sicherheit und Fans beim SSV Ulm 1846 Fußball, auf der Website zitiert.
Richtig und wichtig sei ein solches Angebot allemal, sagt auch Pressesprecher Rieck. „Im besten Fall wird es gar nicht erst gebraucht.“Das Telefon hat während des Spiels gegen Aue jedenfalls nicht geklingelt.
„Das Hilfetelefon wurde nicht aufgrund
von einzelnen Vorfällen ins Leben gerufen, sondern weil wir als Verein vom Angebot überzeugt sind.“
Max Rieck