Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Streit um eine offene Rechnung eskaliert
Ermittlungen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung – Verfahren eingestellt
- Nach der mündlichen Verhandlung am Amtsgericht war nur eines klar: Zu einem Streit gehören zwei, und die streitenden beiden Parteien in diesem Fall schließen mit einiger Sicherheit keine Freundschaft mehr. Ansonsten kann man nur vermuten, was bei der Auseinandersetzung am 9. September 2022 im Hof vor der Wohnung des Angeklagten in Riedlingen vorgefallen ist. Die Staatsanwaltschaft warf dem 34-Jährigen vor, einen 40jährigen Kontrahenten mit einer Eisenstange angegangen zu haben. Am Ende wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage vorläufig eingestellt.
Der Angeklagte soll gegen 16.30 Uhr bei Streitigkeiten auf dem Hof den anderen mit den Worten „Komm her, jetzt kriegst du eine“und erhobener Eisenstange bedroht haben. Als der sich hinter seinem Auto verschanzte, so der Tatvorwurf, habe der Angreifer die Heckscheibe zertrümmert. Der Schaden soll sich auf rund 4000 Euro belaufen. Einen weiteren Schlag in Richtung Bauch habe der Angegriffene abwehren können. Gegen den Strafbefehl wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Sachbeschädigung legte der Angeklagte Widerspruch ein.
Der Auslöser für den Vorfall datiert bereits auf das Jahr 2016. Damals hatte der Angeklagte offenbar bei der Sanierung eines Badezimmers geholfen, wofür ihm 10.000 Euro zustünden. Sein Auftraggeber war danach aber die Bezahlung der Leistung schuldig geblieben, weil sie angeblich mangelhaft war. Bemühungen das Geld einzutreiben, unter anderem auch eine Anzeige wegen Betrugs, blieben erfolglos. Stattdessen soll aber der Bruder des Schuldners immer wieder provoziert haben, berichtete der Angeklagte: dichtes Auffahren mit dem Auto, Schmähungen, Beleidigungen, Drohungen. Gegen ihn hat der Angeklagte deswegen selbst acht Anzeigen erstattet – eine davon führte zu einer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe.
Am Tattag, dem 22. Oktober 2022, eskalierte die Angelegenheit, als besagter Bruder mit dem Auto im Hof des Gläubigers vorfuhr. Der Angeklagte räumte ein, dass er zu einem etwa 1,20 Meter Eisenrohr gegriffen habe, das üblicherweise bei der Reparatur seines Vw-busses als Hebelwerkzeug dient. Damit habe er den 40Jährigen vertreiben wollen, der sich provozierend in Boxerpose vor ihm aufgespielt und ihn beleidigt habe, um sich dann hinter seinem zu Auto verschanzen. Auf die Drohung, die Heckscheibe einzuschlagen, habe ihn der Eindringling
ermuntert: „Mach’s doch.“Dass er die Drohung dann in die Tat umsetzte, räumte der Angeklagte ein – mehr aber nicht. Schließlich soll auch ein Nachbar des Angeklagten ins Geschehen eingegriffen haben, der dem 40Jährigen einen Faustschlag „voll auf die Zwölf“verpasst habe. Danach sei die Polizei mit zwei Fahrzeugen angerückt.
Eine andere Version lieferte das mutmaßliche Opfer als Zeuge. Der Nachbar stand demnach die ganze Zeit hinter dem Angeklagten. An einen Faustschlag erinnere er sich nicht und könne sich auch nicht erklären, warum er geblutet hat: „Er muss mich irgendwie gekratzt haben.“Grund des Besuchs sei gewesen, die Angelegenheit mit dem Bad zu klären: „Ich wollte wissen, was der Kindergarten soll.“Der Angeklagte habe seinen Bruder, einen selbstständigen Unternehmer, auf dessen Website verleumdet, obwohl angeblich ein Gutachter Mängel im Umfang von 3500 Euro festgestellt hat: „Das ganze Bad muss raus.“Das Gespräch sei zunächst normal verlaufen – „bis ich ihn als Junkie bezeichnet habe“. Der Angeklagte habe an dem Tag noch Glück gehabt: „Wenn meine Verwandtschaft vorbeigekommen wäre, dann wäre was los gewesen.“
Schon zu Beginn der Verhandlung hatte Verteidiger Daniel
Spraf ke einen Deal mit der Staatsanwaltschaft angeregt. Das „Rechtsgespräch“mit dem Ziel eines verkürzten Verfahrens wurde hinter geschlossenen Türen verhandelt. Nachdem der Referendar als Vertreter der Staatsanwaltschaft anschließend aber telefonisch keinen Dienstvorgesetzten zwecks Zustimmung erreichen konnte, wurde die Beweisaufnahme zunächst fortgesetzt. Nach der Zeugenvernehmung war die Vorgesetzte erreichbar, ließ aber wissen, eine Verfahrenseinstellung komme nicht in Frage. Erst in einem weiteren längeren Telefonat konnte Amtsrichterin Claudia Rief die als Hardlinerin bekannte Staatsanwältin umstimmen.
Gegen eine Geldzahlung von 1000 Euro an den Eigentümer des demolierten Autos sowie von weiteren 1000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung wurde dem Angeklagten die Einstellung des Verfahrens in Aussicht gestellt. Der wiederum zeigte sich zum Zorn der Richterin hartleibig: Es sei ja immer noch seine Rechnung offen. Ein weiteres Anwaltsgespräch war nötig, um den 34Jährigen zu seinem Glück zu zwingen. „Da sind sie gut weggekommen“, versicherte Rief und empfahl im Übrigen beiden Parteien, sich künftig aus dem Weg zu gehen.