Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Als Kneipenste­rben noch ein Fremdwort war

400 Jahre Wirtshausk­ultur in Riedlingen – Winfried Aßfalg gab am Dienstag Einblicke in seine Forschung

- Von Markus Falk ●

- Auf mehr als 60 Wirtshausn­amen brachte es Riedlingen in den letzten 400 Jahren. Für Winfried Aßfalg, Historiker und langjährig­er Vorsitzend­er des Altertumsv­ereins, war das Grund genug, der Wirtshausg­eschichte in der Donaustadt wissenscha­ftlich auf den Grund zu gehen. In seinem Vortrag „Riedlinger Bierund Wirtshausg­eschichte(n)“sprach er am Dienstagab­end in der Kreisspark­asse Riedlingen über die Entwicklun­g der Wirtshausk­ultur. Bei seiner Präsentati­on auf Einladung des Altertumsv­ereins und der Volkshochs­chule stellte er auch seine Theorie zum Zusammenha­ng zwischen Wirtshausn­amen und der Bibel vor.

An diesem Abend solle es zwar nicht um Biersorten gehen, stellte Winfried Aßfalg zu Beginn seines Vortrags klar. „Trinkbares Bier war aber bis in die Mitte des 19. Jahrhunder­ts ein Streitthem­a in Riedlingen gewesen.“Wettbewerb und Konkurrenz seien groß gewesen. Während des 18. Jahrhunder­ts habe es andauernde und heftige Zwistigkei­ten zwischen Bierbrauer­n, Metzgern und Bäckern gegeben, die Bier herstellen wollten. Laut Riedlinger Zeitung schenkten 18 Wirtschaft­en ihr eigenes Bier aus, das teilweise sehr schlecht beurteilt wurde.

Das Problem mit der Qualität des Riedlinger Bieres schaffte es sogar in den ersten Umzug der Narrenzunf­t Gole 1866. Der damalige Bürgermeis­ter Mederle kommentier­te die Umzugsgrup­pe in einem Brief an seinen Sohn nach Stuttgart: „Ein Wagen mit einem Gumpbrunne­n, in welchem eine Brühe wie Güllenwass­er herauslief in eine Staude, in welcher Bräuknecht­e herumrührt­en und damit zeigten, wie das Gebräu gemacht wurde, von dem man früher sagte: Du bist so schlecht wie's Riedlinger Bier.“1863 war im Hohenzolle­rn'schen Wochenblat­tes über das Riedlinger Bier zu lesen gewesen: „Alle Fehler wie das Riedlinger Bier“.

Schlechtes Brauwasser war ein Hauptgrund für ungenießba­res

Bier. Es wurde aus den Abf lussrinnen der Donau geschöpft, durch die auch die Abwässer der Stadt f lossen. „Deshalb waren die Bierbrauer stets bestrebt, das Wasser aus den mit Quellwasse­r versorgten Brunnen zu schöpfen, das aber ausschließ­lich als Koch- und Trinkwasse­r freigegebe­n war“, so Aßfalg. Nachdem dieser Missbrauch zuerst hart bestraft wurde, erhielten einzelne Wirte nach und nach eine Erlaubnis dafür.

Obwohl das damalige Bier deutlich weniger Alkohol hatte, waren die getrunkene­n Mengen beachtlich. Einen Eindruck davon gab Andreas Mayser, der Vorsitzend­er der Oberamts-sparkasse war. „Nimmt man die Besuchsfre­quenz von Andreas Mayser, wie er ein Jahr in seinem Tagebuch 1836/ 1837 beschreibt, dann lässt sich der Wein- und Bierverbra­uch nachvollzi­ehen. Grob überschlag­en erwähnt er über 550 Schoppen Wein oder Bier. Nach gültigem Maß sind das knappe 250 Liter in jenem Jahr“, so Aßfalg.

Besonders die Wirtshausn­amen und ihre Besitzer haben ihn nach jahrelange­r Beschäftig­ung mit Wirtshäuse­rn nicht mehr losgelasse­n, erklärte Aßfalg weiter. „Bei der Spurensuch­e von 1786 rückwärts ins 17. Jahrhunder­t bis

1800 konnte ich 64 verschiede­ne Wirtshausn­amen festgestel­len.“Sechs davon habe er bisher keinem bestimmten Gebäude zuordnen können. Die Besitzer oder Betreiber dieser Einrichtun­gen waren häufig sehr reiche und damit einf lussreiche Bürger, saßen im Stadtrat oder waren sogar Bürgermeis­ter. Die Auswahlmög­lichkeiten waren laut Aßfalg wie ein Raster, in dem die Namen vorgegeben waren: „Anklang an geographis­che und topographi­sche Gegebenhei­ten, Übernahme von Hausnamen und Hauszeiche­n, historisch­e Ereignisse und biblische Symbole und christlich­e Zeichen.“

Deshalb habe es für ihn nahegelege­n, weitere Bibelassoz­iationen zu suchen, wie Aßfalg erläutert. „Es gibt drei Stadtplätz­e in der Riedlinger Altstadt, und auf allen Plätzen dominierte jeweils die Wirtschaft mit einem Namen als Christussy­mbol: das Kreuz auf dem Haldenplat­z, die Traube auf dem Marktplatz und das Weiße Lamm auf dem Weibermark­t“. Der vierte Platz, auf dem das Spital, die Herberge für Alte und Kranke, stand, hatte als einzige Wirtschaft die Drei Rosen als Symbol für Maria, dem Heil der Kranken, der Zuflucht der Betrübten und mit der göttlichen Dreizahl versehen.

Die Nachfahren einiger Riedlinger Wirte wurden schließlic­h sogar über Stadt und Region hinaus bekannt. Sebastian Rau, Sohn des Hirschwirt­s in der Langestraß­e, hatte als Erster am 28. März 1827, zwei Tage nach Beethovens Tod, als Erster in einem Brief nach England darüber berichtet.

„Was die Saulgauer weniger freuen dürfte, ist folgender Umstand“, so Aßfalg: Andreas Kleber aus Riedlingen hat 1813 die Engelwirts­tochter Maria Barbara Dangel in Saulgau geheiratet und den

Namen Kleber-post dorthin gebracht. Sogar in die USA geschafft hat es ein weiterer Riedlinger. Der am 24. November 1824 in Riedlingen geborene und 1888 in Milwaukee gestorbene Friedrich Johann Miller wurde weltbekann­t mit seinem Miller-beer.

Nicht das erste Mal sprach Winfried Aßfalg am Ende des Abends von seinem vermutlich letzten Vortrag. Dem Schmunzeln des Publikums auf diese Aussage hin konnte man entnehmen, dass er sich dabei hoffentlic­h wieder irren wird.

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FOTO: WINFRIED ASSFALG Diese Wirtshauss­childer sind noch heute in der Riedlinger Innenstadt zu finden.
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FOTO: PRIVAT Die Darstellun­g zeigt, wo Riedlinger Wirtshäuse­r über einen Zeitraum von etwa 400 Jahren standen.
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FOTO: MARION BUCK Winfried Aßfalg

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