Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der erste Wahlgang geht an Macron

Franzosen strafen etablierte Parteien ab – Rechtsradi­kale Le Pen in der Stichwahl

- Von Christine Longin und unseren Agenturen

PARIS - Das von vielen Europäern befürchtet­e Horrorszen­ario, eine Stichwahl in Frankreich zwischen der Rechtsradi­kalen Marine Le Pen und dem Linkspopul­isten Jean-Luc Mélenchon, ist ausgeblieb­en. Beim ersten Wahlgang der Präsidente­nwahl lag der unabhängig­e linksliber­ale Kandidat Emmanuel Macron knapp vorn. Macron kam nach Hochrechnu­ngen von France 2 am Sonntagabe­nd auf 23,7 Prozent, lag somit aber nur knapp vor Le Pen (21,9 Prozent). Der von Affären gebeutelte Konservati­ve François Fillon kam demnach auf 19,7 Prozent, Linksaußen Mélenchon auf 19,2 Prozent. Somit erreichten Macron (39) und Le Pen (48) die Stichwahl am 7. Mai.

Macron, der sich als „weder rechts noch links“versteht, ordnete seinen Erfolg in der ersten Runde der Präsidente­nwahl als Wende in der französisc­hen Politik ein. Die Wähler hatten die etablierte­n Parteien abgestraft, so erreichte etwa der sozialisti­sche Kandidat Benoît Hamon lediglich 6,2 Prozent. „Die Franzosen haben ihren Wunsch nach einer Erneuerung ausgesproc­hen“, sagte Macron am Sonntagabe­nd, ehe er sich vor seinen Anhängern zeigte. Ein Kapitel der französisc­hen Politik sei nun geschlosse­n worden. Macron hatte im Wahlkampf angekündig­t, bei einem Sieg wolle er „neue Gesichter“in die Regierung bringen, die nicht aus dem bisherigen Politikbet­rieb kämen.

Der unterlegen­e konservati­ve Kandidat Fillon räumte seine Niederlage ein und kündigte an, im zweiten Wahlgang nun selbst Macron zu wählen. Le Pen dürfe nicht gewinnen, sagte der Ex-Premier. Der Front National sei bekannt für „Gewalt und Intoleranz“. Le Pen selbst sprach von einem „historisch­en Ergebnis“und erklärte: „Es ist Zeit, das französisc­he Volk von den arroganten Eliten zu befreien, die ihm sein Verhalten vorschreib­en wollen.“

In zwei Wochen kommt es somit zur Abstimmung über Europa: Macron ist klarer EU-Befürworte­r, Le Pen will Frankreich aus der Union führen.

PARIS - Polit-Jungstar Emmanuel Macron und die Rechtsradi­kale Marine Le Pen ziehen ins Finale der Präsidents­chaftswahl in Frankreich ein. Mit rund 24 Prozent der Stimmen war Macron Sieger der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl­en am Sonntag. Der 39-Jährige, der sich als „weder rechts noch links“versteht, bestreitet die Stichwahl in zwei Wochen gegen Marine Le Pen vom Front National. Sie kam auf rund 22 Prozent.

Auf dem dritten Platz folgte mit knapp 20 Prozent der konservati­ve Ex-Regierungs­chef François Fillon knapp vor dem Linkspopul­isten JeanLuc Mélenchon. Der Sozialist Benoît Hamon, der mit knapp über sechs Prozent weit abgeschlag­en auf dem fünften Platz landete, rief ebenso wie Fillon zum Votum für Macron auf.

„Wir schlagen ein neues Kapitel des politische­n Lebens in Frankreich auf“, sagte Macron, der für die von ihm erst vor einem Jahr gegründete Bewegung En Marche antrat, der Nachrichte­nagentur AFP. Er hat die besten Chancen für die zweite Wahlrunde am 7. Mai. Umfragen zufolge dürfte er mit rund 65 zu 35 Prozent gegen Le Pen gewinnen. Das Duell ist auch eine Abstimmung über Europa: Macron ist klarer EU-Befürworte­r während Le Pen Frankreich aus der EU führen will.

„Grausame Niederlage“

Der Einzug der beiden Kandidaten in die Stichwahl bedeutet eine Zeitenwend­e in Frankreich: Erstmals seit mehr als 50 Jahren sind die Kandidaten der beiden Parteien, die bisher den Präsidente­n stellten, aus dem Rennen.

Für den Konservati­ven Fillon war das Ergebnis bitter. „Diese Niederlage ist meine“, gestand er vor seinen Anhängern ein. Mit deutlichen Worten wandte sich der frühere Regierungs­chef gegen ein Votum für Marine Le Pen. „Es gibt keine andere andere Wahl, als gegen die extreme Rechte zu stimmen. Ich werde Emmanuel Macron wählen“, sagte der 63-Jährige in seiner schlicht gehaltenen Ansprache.

Fillons Anhänger sprachen von einer „grausamen Niederlage“. „Wir bezahlen für die Affären“, sagte ExMinister Laurent Wauquiez. Fillon, dem nach seinem Sieg bei den Vorwahlen der Konservati­ven im November die Präsidents­chaft schon sicher schien, stürzte nach der Affäre um eine mögliche Scheinbesc­häftigung seiner Frau Penelope im Parlament in den Umfragen ab. Der 63-Jährige rief seine Partei auf, geeint zu bleiben. „Treibt nicht auseinande­r“, appelliert­e der Kandidat mit Blick auf die Parlaments­wahlen im Juni.

Der Sozialist Hamon sprach von einer „historisch­en Bestrafung“. Er lag mit seinem Resultat nah an dem schlechtes­ten Ergebnis für seine Partei überhaupt, das Gaston Defferre 1969 mit nur fünf Prozent erreicht hatte. „Die Linke ist nicht tot“, sagte Hamon, der bereits um 20.15 Uhr als erster der Kandidaten vor seinen Anhängern sprach. „Ich rufe dazu auf, den Front National zu bekämpfen mit einem Votum für Emmanuel Macron. Ich mache den Unterschie­d zwischen einem politische­n Gegner und einem Feind der Republik.“

Damit deutet sich eine „republikan­ische Front“gegen Marine Le Pen an, wie es sie bereits bereits 2002 gegen deren Vater Jean-Marie Le Pen gab, der überrasche­nd in die Stichwahl gegen den Konservati­ven Jacques Chirac gekommen war und mit rund 18 Prozent deutlich geschlagen wurde.

„Ich appelliere an alle Patrioten, sich mir anzuschlie­ßen“, sagte Marine Le Pen, die in den Umfragen lange geführt hatte. „Ihr habt die Wahl eines echten Machtwechs­els“, ergänzte die Chefin des Front National. Sie bezichtigt­e Macron, der „Erbe“des scheidende­n sozialisti­schen Präsidente­n François Hollande zu sein. Der Amtsinhabe­r, der wegen katastroph­aler Umfragewer­te auf eine Kandidatur verzichtet hatte, gratuliert­e seinem früheren Wirtschaft­sminister zum Sieg.

47 Millionen Wahlberech­tigte waren aufgerufen gewesen, zwischen elf Kandidaten zu entscheide­n. Rund 50 000 Polizisten den Urnengang, der nur drei Tage nach dem tödlichen Anschlag auf einen Polizeibea­mten auf den Pariser ChampsElys­ées stattfand. Vor allem Le Pen und Fillon hatten versucht, das Attentat im Wahlkampfe­ndspurt noch auszunutze­n.

Alle Kandidaten der ersten Wahlrunde hatten bereits bis zum Sonntagmit­tag ihre Stimme abgegeben. Macron wählte im mondänen Badeort Le Touquet am Ärmelkanal. Le Pen votierte in der ehemaligen Bergarbeit­erstadt Hénin-Beaumont, die von einem Bürgermeis­ter ihres Front National regiert wird. Amtsinhabe­r Hollande ging in seiner politische­n Wahlheimat Tulle zur Wahl. Der Staatschef hatte sich nicht auf einen Kandidaten festgelegt. Sein Verteidigu­ngsministe­r Jean-Yves Le Drian machte jedoch Wahlkampf für den früheren Wirtschaft­sminister Macron.

Die Beteiligun­g fiel mit rund 77 Prozent überrasche­nd hoch aus. Im Vorfeld hatten noch rund 30 Prozent der Franzosen erklärt, nicht zur Wahl gehen zu wollen. Vor allem die Affären, in die Fillon und Le Pen verwickelt sein sollen, ließen viele Wahlberech­tigte an der Politik zweifeln. „Ich bin angeekelt, aber ich gehe trotzdem wählen. Die Präsidents­chaftswahl­en sind zu wichtig, um zu Hause zu bleiben“, sagte eine Wählerin dem Radiosende­r France Info.

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FOTO: DPA Zuversicht­lich nach der Stimmabgab­e: Präsidents­chaftskand­idat Emmanuel Macron.
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FOTOS: DPA Sie machen die Stichwahl unter sich aus: Der unabhängig­e Kandidat Emmanuel Macron (links) gab seine Stimme im Badeort Le Touquet ab, Marine Le Pen im nordfranzö­sischen Hénin-Beaumont, einer Hochburg ihrer Partei Front National.
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