Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
AfD mit Gauland und Weidel
Spitzenduo gewählt – Bundesvorsitzende Petry abgeblitzt
KÖLN (AFP) - Die AfD hat sich für den Bundestagswahlkampf aufgestellt: Parteivize Alexander Gauland (76) und die aus Überlingen stammende Ökonomin Alice Weidel (38) wurden auf dem Bundesparteitag in Köln als Spitzenduo gewählt. AfDChefin Frauke Petry, die im Vorfeld auf eine Spitzenkandidatur verzichtet hatte, scheiterte mit ihrem Hauptanliegen, die Richtung der Partei zu klären. Verabschiedet wurde das AfD-Wahlprogramm, das unter anderem auf rigorose Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik setzt. So fordert die Partei eine jährliche Mindest-Abschiebequote und ist gegen jeglichen Familiennachzug. Bekräftigt wird der Anti-Islam-Kurs der Partei mit der Aussage, der Islam „gehört nicht zu Deutschland“.
Die Delegierten sprachen sich am Sonntag mit 67,7 Prozent für das Duo Gauland/Weidel aus. Anträge aus dem Petry-Lager, auf die Kür von Spitzenkandidaten ganz zu verzichten oder die Entscheidung zu vertagen, fanden keine Mehrheit.
KÖLN - Plötzlich dieser Stimmungswechsel: Eben noch hatte die AfD verbissen über Punkt und Komma im Wahlprogramm gestritten, über das Verfahren für die Entscheidung über das Spitzenteam zur Bundestagswahl. Stunde um Stunde. Jetzt feiert sie geradezu überschwänglich ihr gerade mit 67,7 Prozent gewähltes Führungsduo: Alexander Gauland, den 76-jährigen AfD-Vordenker aus Brandenburg, und Alice Weidel.
Die 38-jährige Unternehmerin aus Überlingen verzückt die Delegierten im Saal des Kölner MaritimHotels. „Die politische Korrektheit gehört auf die Müllhalde der Geschichte“, ruft sie am Rednerpult. „Wenn wir jetzt zusammenhalten und gemeinsam kämpfen, wird im Bundestag endlich wieder eine echte Oppositionspartei einziehen. Stehen wir auf für Deutschland.“Weidel setzt auf Attacken gegen Angela Merkel, rechnet mit ihrer Flüchtlingspolitik ab. „Merkel muss weg!“, schallt es durch den Saal.
Draußen gibt es Demonstrationen gegen Rechts. Zehntausende sind auf den Straßen, der AfD-Parteitag findet unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Drinnen, im Maritim-Hotel, sitzt Petry nur wenige Meter neben dem Rednerpult. Sie verfolgt Weidels Worte mit versteinerter Miene. Als es zwischendurch stehende Ovationen gibt, bleibt sie sitzen. Am Samstag, nachdem sie mit mehreren Anträgen zum Kurs der Partei gescheitert war, hatte sie einen Rückzug nicht ausgeschlossen.
Gerüchte um Rücktritt
„Liebe Frauke Petry“, ergreift AfDSpitzenkandidat Gauland, einer ihrer Gegner, das Wort. „Ich weiß, dass Sie gestern einen schweren Tag hatten. Aber wir brauchen Sie in der Partei!“Die Delegierten reagieren mit „Frauke, Frauke“-Rufen. Petry lächelt. Die Geste kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die AfD-Chefin von ihren parteiinternen Gegnern kaltgestellt worden ist.
Samstag, 12.04 Uhr: Die Delegierten stimmen dagegen, sich mit Petrys Anträgen für einen realpolitischen Kurs und für eine klare Abgrenzung von Rassisten, Antisemiten und Neonazis zu befassen. Dass der Parteitag die Vorstellungen der Vorsitzenden noch nicht einmal beraten will – ein Tiefschlag für Petry. Konsterniert sitzt sie da, schüttelt den Kopf, starrt auf ihren Laptop. Bald machen Rücktrittsgerüchte die Runde.
Doch Petry gibt sich kämpferisch. „Ich glaube, dass die Partei hier einen Fehler gemacht hat“, sagt sie vor den Kameras, fühlt sich missverstanden, wirft ihrer Partei fehlenden Mut vor, sich strategisch festzulegen. Was das Spitzenteam zur Bundestagswahl angehe, wolle sie sich „in Zurückhaltung üben“. Sie werde den Wahlkampf unterstützen, aber im Team sollten solche „Protagonisten“dabei sein, „die mit dieser Nicht-Entscheidung sehr viel besser leben können“.
Der Parteitag feiert auch Jörg Meuthen. Der Co-Parteichef aus Baden-Württemberg setzt in Köln auf klassischen AfD-Sound. „Wir sind diejenigen, die Deutschland nicht preisgeben wollen“, ruft er den Delegierten zu. Wenn er samstags durch seine Heimatstadt gehe, sehe er kaum noch Deutsche. Im Land herrsche eine Stimmung wie auf der „Titanic“vor deren Untergang.
Björn Höcke, gegen den Petry wegen seiner Äußerungen über das Holocaust-Mahnmal als „Monument der Schande“und der Forderung nach einer 180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik ein Ausschlussverfahren durchgesetzt hatte, dürfte den Gang der Dinge mit Genugtuung verfolgt haben. Er war nicht angereist, weil er im Parteitagshotel Hausverbot hat.
Mit der Forderung nach MinusZuwanderung, Ende des Familiennachzugs von Flüchtlingen, Rauswurf der Türkei aus der Nato und einem Kopftuchverbot im Öffentlichen Dienst zieht die AfD in den Wahlkampf – auch das haben die Parteitagsdelegierten in Köln beschlossen.
Den Richtungsstreit wird die Partei aber nicht so schnell los: Frauke Petry – so mutmaßen bereits ihre Gegner – könnte nach einem Einzug in den Bundestag eine eigene Fraktion gründen.