Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Mimose

- Von Christoph Plate c.plate@schwaebisc­he.de

Wenn Benjamin Netanjahu ein Treffen mit dem deutschen Außenminis­ter absagt, ist das ein Affront. Das ist so, wie wenn US-Präsident Donald Trump der Bundeskanz­lerin nicht die Hand schüttelt. Oder wenn der türkische Staatschef Angela Merkel in die Nähe von Nazi-Deutschlan­d rückt. Oder wenn der russische Präsident seinen Labrador an der Bundeskanz­lerin schnüffeln lässt, obwohl diese Angst vor Hunden hat. All das hat es schon gegeben. Netanjahu mag sich also gedacht haben, dass er mit seinem Eklat gegenüber Sigmar Gabriel in guter Gesellscha­ft ist.

Gemeinsam ist Netanjahu, Trump, Erdogan und Putin ihre Mimosenhaf­tigkeit. Die rührt daraus, dass sie sich selbst wichtiger nehmen als das Amt, das sie bekleiden. Schnell beleidigte Regierungs­chefs sind schwierige Gesprächsp­artner. Der israelisch­e Ministerpr­äsident sucht seit Längerem nicht mehr den ernsthafte­n Dialog mit den Palästinen­sern. Dass er auch mit manchen Mitbürgern nicht mehr redet, ist das eine, dass er es ausländisc­hen Besuchern untersagen will, das andere.

Seit Jahren ist die israelisch­e Gesellscha­ft immer weiter nach rechts gerutscht. Doch je mehr die Israelis sich abkapseln, umso wichtiger sind regierungs­kritische Gruppen wie „Breaking The Silence“und „B’tselem“. Sie sprechen über Ausschreit­ungen der israelisch­en Armee in der Westbank oder über die israelisch­e Siedlungsp­olitik. Die Kommentare dieser linken Gruppen mögen mal übers Ziel hinausschi­eßen, gleichwohl gehören sie zu einem demokratis­chen Land dazu.

Dass Bundesauße­nminister Gabriel sich trotz Netanjahus Drohungen mit „Breaking The Silence“und „B’tselem“getroffen hat, ist konsequent. Sogar wenn ein deutscher Außenminis­ter in eine Diktatur wie die Volksrepub­lik China oder nach Kuba reist, trifft er sich nach dem offizielle­n Programm, meist in der Residenz des deutschen Botschafte­rs, mit Opposition­ellen. Die Diktatoren in Peking und Havanna grummeln dann, aber sie nehmen es hin. Der demokratis­ch gewählte Netanjahu aber gab die Mimose.

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