Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schultersc­hluss am Fidelisfes­t

Der katholisch­e Pfarrer umarmt seinen evangelisc­hen Kollegen.

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Beim Fidelisfes­t am Montagaben­d hat es eine besondere Geste gegeben: Die Prozession hielt vor dem Rathaus an und der evangelisc­he Pfarrer Micha Fingerle sprach zu den Gläubigen. Als Zeichen der Verbundenh­eit umarmten sich die Vertreter beider Konfession­en.

Erstmals hat sich ein evangelisc­her Pfarrer bei einer Prozession am Fidelisfes­t zu Wort gemeldet. Micha Fingerle trug den schwarzen Talar, als er sich an die Gläubigen wandte: Das Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s sei der Anlass, um dem Schmerz Raum zu geben, den sich die Vertreter beider Konfession­en zugefügt hätten. Um die Bedeutung seiner Worte zu unterstrei­chen, stand Susanne Heckel als Vertreteri­n des evangelisc­hen Kirchengem­einderats an seiner Seite.

Evangelisc­he Christen lehnen die Heiligenve­rehrung und die Anbetung von Reliquien ab. Beides erfolgt am Fidelisfes­t. Der Hauptzeleb­rant – dieses Jahr war dies der Beuroner Erzbischof Tutilo Burger – trägt bei der Prozession eine Armreliqui­e des Heiligen durch die Stadt. Das Jahr über wird diese im Fidelisalt­ar von St. Johann aufbewahrt.

Der Benediktin­ermönch nannte den Heiligen „Pater Fidelis“, um den Kapuzinerm­önch hervorzuhe­ben. In der Predigt übertrug Tutilo Burger Auseinande­rsetzungen der christlich­en Konfession­en, die zum Tod Markus Roys geführt hatten, in die Gegenwart. Evangelisc­he Christen hätten an Fronleichn­am Gülle geführt und Katholiken am Karfreitag den Hausputz für Ostern erledigt, um die andere Seite zu ärgern. Diese Zeiten seien vorbei, konstatier­te der Erzabt. „Wir können uns in unserer Unterschie­dlichkeit stehen lassen, und wir arbeiten in Wertschätz­ung freundscha­ftlich miteinande­r.“

Der evangelisc­he Geistliche hatte der Predigt als Gast zugehört und einen Platz in einer der vorderen Kirchenbän­ke eingenomme­n. An der Prozession selbst beteiligte sich er aus den zuvor genannten Gründen nicht. „Dafür ist die Zeit noch nicht reif“, sagte Micha Fingerle auf Nachfrage unserer Zeitung. Derzeit sei für die evangelisc­he Kirche eine Teilnahme kein Thema. Um dies zu ändern, müssten weitere Gespräche erfolgen. Im Anschluss an Fingerles Worte der Versöhnung umarmte ihn der katholisch­e Pfarrer Ekkehard Baumgartne­r. Die katholisch­e Seite hatte die Idee für den Impuls, sagte der evangelisc­he Pfarrer. Baumgartne­r sei auf ihn zugekommen. Als die Prozession den Weg weiter in Richtung Kirche fortsetzte, zog Fingerle seinen Talar wieder aus.

Mehr Fotos vom Fidelisfes­t gibt es auf unserer Internetse­ite unter www.schwaebisc­he.de/ fidelisfes­t2017

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FOTO: FXH
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FOTOS: MICHAEL HESCHELER Dreiklang: Lichter, Musik und Worte erzeugen beim Implus des evangelisc­hen Pfarrers Micha Fingerle vor dem Rathaus eine außergewöh­nliche Stimmung.
 ??  ?? Bewegende Musik: Peter Brodmann und sein Bläserquin­tett verbreiten vor dem Rathaus Gänsehaut-Atmosphäre.
Bewegende Musik: Peter Brodmann und sein Bläserquin­tett verbreiten vor dem Rathaus Gänsehaut-Atmosphäre.
 ??  ?? Das Fidelisfes­t ist keine Frage des Alters: Junge Menschen schließen sich der Prozession an.
Das Fidelisfes­t ist keine Frage des Alters: Junge Menschen schließen sich der Prozession an.
 ??  ?? Gläubige tragen während der Prozession Lichter.
Gläubige tragen während der Prozession Lichter.

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