Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Schulterschluss am Fidelisfest
Der katholische Pfarrer umarmt seinen evangelischen Kollegen.
SIGMARINGEN - Beim Fidelisfest am Montagabend hat es eine besondere Geste gegeben: Die Prozession hielt vor dem Rathaus an und der evangelische Pfarrer Micha Fingerle sprach zu den Gläubigen. Als Zeichen der Verbundenheit umarmten sich die Vertreter beider Konfessionen.
Erstmals hat sich ein evangelischer Pfarrer bei einer Prozession am Fidelisfest zu Wort gemeldet. Micha Fingerle trug den schwarzen Talar, als er sich an die Gläubigen wandte: Das Jahr des Reformationsjubiläums sei der Anlass, um dem Schmerz Raum zu geben, den sich die Vertreter beider Konfessionen zugefügt hätten. Um die Bedeutung seiner Worte zu unterstreichen, stand Susanne Heckel als Vertreterin des evangelischen Kirchengemeinderats an seiner Seite.
Evangelische Christen lehnen die Heiligenverehrung und die Anbetung von Reliquien ab. Beides erfolgt am Fidelisfest. Der Hauptzelebrant – dieses Jahr war dies der Beuroner Erzbischof Tutilo Burger – trägt bei der Prozession eine Armreliquie des Heiligen durch die Stadt. Das Jahr über wird diese im Fidelisaltar von St. Johann aufbewahrt.
Der Benediktinermönch nannte den Heiligen „Pater Fidelis“, um den Kapuzinermönch hervorzuheben. In der Predigt übertrug Tutilo Burger Auseinandersetzungen der christlichen Konfessionen, die zum Tod Markus Roys geführt hatten, in die Gegenwart. Evangelische Christen hätten an Fronleichnam Gülle geführt und Katholiken am Karfreitag den Hausputz für Ostern erledigt, um die andere Seite zu ärgern. Diese Zeiten seien vorbei, konstatierte der Erzabt. „Wir können uns in unserer Unterschiedlichkeit stehen lassen, und wir arbeiten in Wertschätzung freundschaftlich miteinander.“
Der evangelische Geistliche hatte der Predigt als Gast zugehört und einen Platz in einer der vorderen Kirchenbänke eingenommen. An der Prozession selbst beteiligte sich er aus den zuvor genannten Gründen nicht. „Dafür ist die Zeit noch nicht reif“, sagte Micha Fingerle auf Nachfrage unserer Zeitung. Derzeit sei für die evangelische Kirche eine Teilnahme kein Thema. Um dies zu ändern, müssten weitere Gespräche erfolgen. Im Anschluss an Fingerles Worte der Versöhnung umarmte ihn der katholische Pfarrer Ekkehard Baumgartner. Die katholische Seite hatte die Idee für den Impuls, sagte der evangelische Pfarrer. Baumgartner sei auf ihn zugekommen. Als die Prozession den Weg weiter in Richtung Kirche fortsetzte, zog Fingerle seinen Talar wieder aus.
Mehr Fotos vom Fidelisfest gibt es auf unserer Internetseite unter www.schwaebische.de/ fidelisfest2017