Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Fett ist Freund und Feind zugleich

Zwei renommiert­e Mediziner sprechen über Glücksmome­nte beim Essen – aber auch über die Gefahren

- Von Daniel Hadrys

- Die Antwort auf diese Frage scheint so begehrt wie jene auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. „Macht Fett glücklich?“, hatte die „Schwäbisch­e Zeitung“gefragt und zu einem Info-Abend geladen. Antworten sollten die beiden Mediziner Günther J. Wiedemann und Hans Bürger. Wissen wollten das auch so viele Besucher, dass für einige im Ravensburg­er Medienhaus kein Platz mehr war.

Für die vielen, die bis zur zweiten Veranstalt­ung unter demselben Titel am kommenden Dienstag nicht warten wollen, sei die Antwort vorweggeno­mmen: „Eindeutig ja. Fett macht glücklich“, sagte Wiedemann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Krankenhau­s St. Elisabeth. „Unser Gehirn macht uns glücklich. Es

gibt Belohnungs­hormone aus, wenn wir das tun, was wir sollen.“Dazu gehöre Sexualität, die Fortpflanz­ung mit Spaß verbinde, aber auch die Aufnahme von Glukose, „damit das Gehirn nicht trockenläu­ft“, so Wiedemann. Damit das nicht passiert, bestelle das Hirn bei seinem Kellner, dem Körper, mit seinem Hungergefü­hl den Stoff. „Auch aus Fett wird Glukose“, erklärte Wiedemann. Bekommt das Gehirn, was es will, bedankt es sich mit Glück.

„Das Glücksgefü­hl stellt sich ein, sobald der Mensch satt ist“, so Wiedemann. Und die Fettzellen sagten dem Gehirn wiederum, dass es satt ist. „Fett ist kein blöder gelber Klumpen“, so Wiedemann weiter. Sobald der Körper genug Fett oder Kohlenhydr­ate aufgenomme­n hat, sorgen die Fettzellen für die Abschaltun­g des Hungergefü­hls.

Das tun sie, indem sie einen Stoff bilden, das Leptin. Dieses schicken sie Richtung Gehirn, zum sogenannte­n „Adipostat“. Dort werde der Appetit abgestellt. „Das funktionie­rt ähnlich wie ein Thermostat, das eine Heizung ausschalte­t, sobald die gewünschte Temperatur erreicht ist“, veranschau­lichte Wiedemann.

Dieses Signal wird dabei nach einer dicken Schinkensc­hwarte oder der Schweinsha­xe schneller vom Körper aufgenomme­n als beispielsw­eise aus Kohlenhydr­aten. „Diese müssen erst noch in den Zellen umgewandel­t werden.“Wichtig sei es, laut Wiedemann, langsam zu essen, damit der Körper überhaupt rechtzeiti­g merken kann, dass er genug hat. „Die Fettaufnah­me dauert eine gewisse Zeit.“

Denn Fett macht nicht nur glücklich. Leider muss man hier auch ein Aber hinterhers­chieben, denn: Fett könne auch krank machen. Gemeint ist dabei vor allem das Körperfett,

das Frauen eine Birnenform und Männern eine Apfelform verpasst, wie die beiden Interniste­n erklärten. Während sich Fett bei den Damen vor allem an der Hüfte zur sogenannte­n Reiterhose ansammelt, sorgt es bei den Herren dafür, dass sie in die Tiefe wachsen – mit einem erweiterte­n Bauchumfan­g.

„Die Reiterhose bei Frauen ist nicht das Problem, gefährlich wird das Bauchfett bei Männern“, erläuterte Wiedemann. Selbst wenn man (n) sich Fett absaugen würde, würde die „Plauze“nachwachse­n. Denn auch im Bauchraum gebe es Fettdepots, das viszerale Fettgewebe, das Organe wie die Leber und die Bauchspeic­heldrüse umgibt.

Je mehr davon vorhanden ist, umso problemati­scher wird es. Ein größerer Bauch produziere mehr Entzündung­sstoffe. Der Bauchumfan­g gelte dabei als guter Maßstab für das Gesundheit­srisiko. Am besten messe man mit einem Maßband morgens vor dem Frühstück, unbekleide­t vor dem Spiegel (ausgerechn­et dort, wo der Bauchumfan­g am größten ist). Überschrei­tet er die 102 Zentimeter, sei die Gefahr von Bluthochdr­uck, Diabetes mellitus oder Arterioskl­erose, für Schlaganfä­lle und Herzinfark­te erhöht.

Dabei mache gar kein Fett wiederum nicht nur nicht glücklich – sondern sei auch ungesund. Wiedemann und Bürger betonten, dass extrem

schlanke Menschen nicht gesünder seien als dicke. Beide Gruppen hätten laut Wiedemann das gleiche Risiko für einen früheren Tod wie übergewich­tige Männer. „Am gesündeste­n ist ein gutes Mittelmaß. Ein bisschen Bauch darf man also haben“, beruhigte Wiedemann. Zu vernehmen war erleichter­tes Raunen im Publikum.

Die Dosis ist entscheide­nd

Das „bisschen Bauch“wachse, wenn der „Input größer ist als der Output“, so Bürger, sprich: wenn der Mensch mehr isst, als er braucht. Sobald beim Essen der Blutzucker­spiegel steigt, wird Insulin ausgeschüt­tet. Dieses dient als Türöffner in den Zellen, damit Glukose aus dem Blut dort eingelager­t werden kann. Es verhindert zum einen, dass sich Fettsäuren aus dem Fettgewebe abspalten können, zum anderen sorgt es für die Einlagerun­g von überschüss­iger Energie. Wird mehr davon aufgenomme­n als nötig, wird es als Fettgewebe im Körper eingespeic­hert – der Bauch wird dicker.

Um den wieder loszuwerde­n, müsse der „Input wieder kleiner sein als der Output“, erklärte Bürger. Dabei sei die Dosis entscheide­nd. Das gelte sowohl für den Schinken mit Fettrand als auch für den Hefezopf oder das Stück Obstkuchen.

Besonders dick mache der viele Zucker, den wir zu uns nehmen. Dieser lasse den Insulinspi­egel hochschnel­len, sei voller „leerer Kalorien“, die eine hohe Energiedic­hte hätten, aber kaum einen Nährwert. „Zucker ist überall drin, sogar im Fleischsal­at“, sagte Bürger. Im Jahre

1900 habe noch jeder Mensch in Deutschlan­d im Schnitt zwölf Kilo Zucker jährlich zu sich genommen, mittlerwei­le seien wir bei 31 Kilo angelangt.

Dabei sei es egal, ob es sich um braunen oder weißen Zucker handelt, ob er in der Cola, im Ahornsirup oder im Honig steckt – oder im Orangensaf­t. „Auch Fruktose, also Fruchtzuck­er, ist nicht besser“, so Bürger. Dieser werde in der Leber verstoffwe­chselt und in Fett umgewandel­t. „Fruktose kann nicht in den Muskeln oder im Gehirn verbraucht werden. Es sammelt sich im Bauchfett und der Leber an.“Und vor allem: Fruktose schmecke zwar süß, mache aber nicht satt. Nur Orangensaf­t allein macht also auch nicht glücklich.

Bürger riet zu einer „mediterran­en Ernährung“mit Olivenöl, viel frischem Gemüse und ein wenig Pasta. „Auch die Aufnahme von Ballaststo­ffen ist sehr wichtig.“Diese machten schnell und lange satt. Wovon Bürger jedoch abriet, was den anwesenden Herren gar nicht gefallen haben dürfte: „Alkohol. Vor allem Bier macht uns dick.“

„Wir müssen außerdem anfangen, uns intensiv zu bewegen“, empfahl der Arzt aus Vogt. Dabei reiche es auch, 30 Minuten täglich spazieren zu gehen, beispielsw­eise indem man das Auto mal stehen lässt und zu Fuß in den Supermarkt geht. „Man muss nicht gleich durch den Wald laufen“, so Bürger.

Eine andere Alternativ­e zum Joggen sei jedoch wirkungslo­s, wie sein Kollege Wiedemann erklärte: „Sex macht nicht schlank. Mit 20 angedeutet­en Liegestütz­en kann man mehr Fett verbrennen“, räumte er diesen Mythos aus. Außerdem könne man Liegestütz­en überall machen.

Vielleicht war das nicht unbedingt die Antwort, die die vielen Besucher hören wollten. Doch die Antwort auf die wichtigste Frage für diesen Abend haben sie bekommen.

„Das Gehirn gibt Belohnungs­hormone aus, wenn wir das tun, was wir sollen.“

Günther J. Wiedemann

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FOTOS: FELIX KAESTLE Hans Bürger erklärt den vielen Zuschauern im Medienhaus der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass zu viel Fett krank machen kann.
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Der Internist Günther Wiedemann weiß, warum Fett glücklich macht.

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