Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gabriels diplomatische Zitterpartie endet mit einer Enttäuschung
Ministerpräsident Netanjahu brüskiert deutschen Gast, der sich in Israel mit kritischen Bürgerrechtlern treffen will
JERUSALEM - Es war eine diplomatische Zitterpartie bis zur letzten Minute, genauer gesagt bis 17.01 Uhr Jerusalemer Ortszeit. Noch am Dienstagnachmittag hatte der Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) seine Hoffnung ausgedrückt, dass sein geplantes Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu doch zustande käme. „Bis eine Minute nach Fünf“, so Gabriel vor Journalisten, halte er sich bereit.
Aber schon in den Stunden davor verdichteten sich die Anzeichen, dass Netanjahu ihm nicht entgegenkommen werde. Ultimativ hatte der Regierungschef am Vorabend gefordert, dass Gabriel von seiner Verabredung mit linken Nichtregierungsorganisationen Abstand nehmen müsse. Sonst lasse er, Netanjahu, die Verabredung platzen. Eine Position, die keine Abstriche duldete.
Von diesem hohen Baum wäre der Regierungschef ohne Gesichtsverlust in den eigenen Reihen auch schlecht runtergekommen. Dass Gabriel aus Rücksicht auf Netanjahu den beanstandeten Programmpunkt „Begegnung mit Vertretern der israelischen Zivilgesellschaft“in den Abend verlegen ließ, also hinter die Verabredung mit Netanjahu, reichte diesem nicht. Israels Botschafter in Berlin habe „uns informiert“, teilte Gabriel „zu meinem Bedauern“mit, dass Netanjahu das Treffen absagen wolle. Und dabei blieb es auch.
Der israelische Ministerpräsident hatte Anstoß daran genommen, dass zu dem Gespräch mit Gabriel eingeladenen Bürgerrechtsorganisationen auch Vertreter von „Breaking The Silence“und „B’tselem“gehörten. Beides linke Gruppen, die unter Beschuss des rechten Regierungslagers stehen. Für Gabriel wiederum kam eine Ausladung nicht infrage. Die Begründung: Von keinem Land der Welt könne man einen umfassenden Eindruck gewinnen, wenn man nur mit Regierungsrepräsentanten rede. So wie er am Montag, seinem ersten Besuchstag, auch drei israelische Autoren getroffen habe, halte er einen Austausch mit diversen Kräften der Gesellschaft für „ganz normal“. Diese gegensätzlichen Haltungen ließen sich nicht mehr überbrücken.
„Keine Katastrophe“
Gabriel betonte, er gehe davon aus, dass das deutsch-israelische Verhältnis keinen Schaden nehme: „Meine persönliche Einstellung zu Israel wird sich nicht ändern“. Netanjahus Absage sei keine „Katastrophe“. Wenn es diesmal mit einem Treffen nicht geklappt habe, dann beim nächsten Mal. Der deutsche Außenamtschef hätte auf die Kontroverse aber gerne verzichtet. Bei einem früheren Besuch als SPD-Chef hatte er sich mit einem Twitter-Kommentar in der palästinensischen WestbankStadt Hebron, in deren Zentrum sich jüdische Siedlerenklaven befinden, viel Ärger eingehandelt, als er die Verhältnisse dort mit einem „Apartheid-System“verglich. Daraus hat er gelernt. Diesmal trat Gabriel ganz als Chefdiplomat aus, der sich jede unbedachte Bemerkung verkniff.
Von Oppositionsführer Izchak Herzog erhielt er Rückendeckung. Netanjahus Ultimatum an den deutschen Gast richte sich gegen „einen wahren Freund Israels“. Viel Zeit nahm sich Gabriel ebenso, mit Blick auf die deutsche NS-Vergangenheit, „unsere tiefrührende Verantwortung“für eine sichere Zukunft des jüdischen Staates herauszustellen.
Staatspräsident Reuven Rivlin hatte kein Problem, Gabriel zu empfangen. Einen Seitenhieb auf „Breaking The Silence“, in Israel als „Vaterlandsverräter“verschrien, verkniff sich Rivlin aber nicht: „Wir wissen, wie wir unsere Armee als die moralischste der Welt erhalten.“Die Organisation sieht das ganz anders.