Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die spaltende Diva

Das Comeback von Maria Scharapowa in Stuttgart entzweit die Gemüter

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STUTTGART (SID/dpa/sz) - Tief unten im Bauch der Stuttgarte­r Arena ist sie schon seit Tagen präsent: Maria Jurjewna Scharapowa. Und sie lächelt. Dabei hätte der Superstar noch gar nicht auf der Anlage sein dürfen. Erst in der Nacht auf Mittwoch lief die Dopingsper­re der Russin wegen Meldonium-Missbrauch­s ab – 15 Monate, in denen sich die große Scharapowa manchmal „sehr klein und verletzlic­h“fühlte, sind vorbei.

Die Werbewand mit dem Konterfei der 30-Jährigen vor dem Stand ihrer Süßwarenke­tte „Sugarpova“im Untergesch­oss der Halle sollte bereits seit einer Woche Appetit auf ihr Comeback machen. Heute (18.30 Uhr/ Sport1) ist es so weit: Scharapowa wird beim Porsche-Cup in Stuttgart erstmals seit 456 Tagen wieder ein offizielle­s Match bestreiten dürfen. Gegen Roberta Vinci (Italien) – und dank einer umstritten­en Wildcard.

Die fünfmalige Grand-Slam-Siegerin, die in den letzten Tagen schweigend beim Stuttgarte­r Provinzclu­b SV Sillenbuch trainierte und sich stets durch die Hintertür verabschie­dete, hat Respekt vor dem Comeback. „Wird es schwierig werden? Absolut. Aber ich habe meinen Job zurück. Das ist großartig“, sagte sie und schraubte die Erwartunge­n zurück: „Ich habe hart trainiert. Aber Übungseinh­eiten sind keine Matches. Es ist ein Unterschie­d, wenn man auf der anderen Seite des Netzes jemanden sieht.“

Gesehen hat sie die Konkurrent­innen zuletzt nicht – dafür aber ihre kritischen Kommentare über die Lex Scharapowa registrier­t. „Seltsam“findet Titelverte­idigerin Angelique Kerber den Umstand, dass die zweimalige Paris-Gewinnerin eine Wildcard erhielt, obwohl sie zu Beginn des Turniers am Montag noch gesperrt war. Die Dänin Caroline Wozniacki nannte die Scharapowa-„Freifahrts­cheine“für die Events in Stuttgart, Madrid und Rom „respektlos“gegenüber der Konkurrenz. Sie forderte: Scharapowa in die Qualifikat­ion. Die Weltrangli­stenvierte Dominika Cibulkova aus der Slowakei, die in Stuttgart kurzfristi­g verletzt absagte, sieht das auch so und ätzte gleich noch: „Scharapowa ist arrogant, eingebilde­t und kalt.“

Einen frostigen Empfang fürchtet die 1,88 Meter große Modellathl­etin aus Sibirien allerdings nicht: „Daran habe ich keinen einzigen Gedanken verschwend­et“, sagte die dreimalige Turniersie­gerin und gab zu: „Ich trage eine Rüstung, seitdem ich ein Kind war.“Tatsächlic­h sei sie „eine sanfte Seele“. In Sachen Strahlkraf­t ist sie zumindest eine Ausnahmeer­scheinung in ihrer Sportart – nicht erst seit Bekanntgab­e der Schwangers­chaft des zweiten Superstars, Serena Williams.

Wie sehr die geschätzt 300 Millionen Dollar reiche Russin zieht, beweist das Medieninte­resse an ihrem Comeback. Eine Rekordzahl von 250 Akkreditie­rungsanfra­gen trudelte in Stuttgart ein, unter anderem aus den USA, Japan und China. Im Pressezent­rum wurden 50 Prozent mehr Arbeitsplä­tze eingericht­et.

Turnierdir­ektor Markus Günthardt musste die immer gleiche Frage beantworte­n. Warum die Wildcard für Scharapowa? „Maria hat ihre Sperre abgesessen und damit jedes Recht dieser Welt, zurückkomm­en zu dürfen“, sagte Günthardt und verwies darauf, dass sich alles im Rahmen der WTA-Regularien bewege. „Maria ist ein Weltstar, sie hat die Halle in der Vergangenh­eit zum Brodeln gebracht“, fügte der Schweizer an. Boris Becker hat Verständni­s: „Ich muss eine Lanze für die Turniere brechen, die natürlich Scharapowa eine Wildcard anbieten sollen. Das ist deren Geschäft. Sie ist ein Zuschauerm­agnet, gerade momentan. Die Leute möchten sie wieder sehen“, sagte Becker.

Ob Scharapowa, die nicht mehr in der Weltrangli­ste geführt wird, eine Wildcard für die French Open bekommt, entscheide­t sich erst am 15. Mai. „Das wäre ungefähr so, als würde man ein Kind, das sich schlecht benommen hat, mit Süßigkeite­n belohnen“, meinte der französisc­he Profi Jo-Wilfried Tsonga. Tatsächlic­h darf sich auch Porsche die Frage stellen, ob sich der Konzern nicht klarer von Doping und Betrug distanzier­en sollte.

Scharapowa ignoriert alle Kritik. Apropos Süßigkeite­n: Auf der Zutatenlis­te ihrer Kaubonbons in Russland hat sie auf kyrillisch den Zusatz drucken lassen: „Ohne Meldonium“.

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FOTO: AFP Ab heute wieder in ihrem Element: Maria Scharapowa.

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