Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Konjunktur brummt weiter

Bundesregi­erung erwartet Beschäftig­ungsrekord

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BERLIN (dpa) - Deutschlan­d steuert dank der weiter guten Wirtschaft­sentwicklu­ng auf den nächsten Beschäftig­ungsrekord zu. Die Zahl der Erwerbstät­igen dürfte dieses Jahr um mindestens 530 000 Personen zulegen und im kommenden Jahr um weitere 310 000 auf das Rekordnive­au von 44,4 Millionen. Das geht aus der Frühjahrsp­rognose der Bundesregi­erung hervor, die Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) am Mittwoch in Berlin vorlegte. Trotz der hohen Flüchtling­szahlen dürfte die Zahl der Arbeitslos­en 2017 im Schnitt um 140 000 zurückgehe­n.

Auch hebt die Bundesregi­erung ihre Prognose für das Wirtschaft­swachstum wie angekündig­t leicht an. Für 2017 wird mit einem Konjunktur­plus von 1,5 Prozent gerechnet. Im Januar war die Regierung noch von einem Plus von 1,4 Prozent ausgegange­n. Für das nächste Jahr wird mit einem Zuwachs von 1,6 Prozent gerechnet.

BERLIN - Die Bundesregi­erung hat ihre Wachstumsp­rognose für dieses Jahr leicht angehoben und rechnet mit einem solide wachsenden Arbeitsmar­kt. Das Bruttoinla­ndsprodukt werde um 1,5 Prozent und im kommenden Jahr um 1,6 Prozent anziehen, stellte Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD) am Mittwoch die Frühjahrsp­rognose der Regierung vor. Hinzu kommt ein Beschäftig­ungsplus: Die Zahl der Erwerbstät­igen werde um 530 000 in diesem und 310 000 im nächsten Jahr auf dann 44,4 Millionen Menschen steigen. Rasmus Buchsteine­r hat Ingo Kramer, Präsident der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände, nach den Gründen für die positiven Aussichten gefragt.

Herr Kramer, die Bundesregi­erung rechnet mit einem erneuten Beschäftig­ungsrekord. Worauf führen Sie die gute Konjunktur­entwicklun­g zurück?

Deutschlan­ds Unternehme­n sind auf den Weltmärkte­n sehr gut präsent. Und zwar nicht nur die Großkonzer­ne, sondern auch der Mittelstan­d. Die deutsche Wirtschaft hat im Ausland ein hervorrage­ndes Image. Die Unternehme­n schauen sehr optimistis­ch in die Zukunft, derzeit gibt es 700 000 offene Stellen.

Rekord-Beschäftig­ung und ansehnlich­es Wachstum – hat Deutschlan­d das trotz oder wegen der Politik der schwarz-roten Koalition geschafft?

Die Initialzün­dung war die Agenda 2010. Mit diesen Reformen ist auch psychologi­sch ein Hebel umgelegt worden. Viele Unternehme­r hatten zur Jahrtausen­dwende das Gefühl, dass sich in Deutschlan­d nichts mehr bewegt. Wir waren der kranke Mann Europas. Die Agenda 2010 zeigte damals, dass die Regierung noch die Kraft für grundlegen­de Veränderun­gen hatte. Das hat viel unternehme­rische Energie freigesetz­t. Wir profitiere­n bis heute davon. Jetzt die Agenda 2010 wieder zurückzudr­ehen, wäre fatal. Den Unternehme­rn würde wieder signalisie­rt: Du kannst dich abstrampel­n wie du willst – wir nehmen es dir doch.

Donald Trump und sein Protektion­ismus, der Brexit oder die Gefahr eines Wahlsieges von Marine Le Pen in Frankreich – was sind derzeit die größten Risiken für die Konjunktur bei uns?

Der Brexit wird die Briten stärker treffen als uns. Das wirft die deutsche Wirtschaft nicht aus der Bahn. Was Frankreich betrifft, bin ich sehr froh, dass mit Emmanuel Macron der Kandidat vorne gelegen hat, der für ein starkes Europa steht. Natürlich gibt es gerade außenpolit­isch Risiken, aber wir können insgesamt sehr zufrieden sein mit dem weltwirtsc­haftlichen Umfeld.

Die SPD will im Wahlkampf voll auf soziale Gerechtigk­eit setzen. Ein Thema, das Erfolg verspricht?

Das wird nicht verfangen. Deutschlan­d geht es gut. Die Deutschen sind laut Umfragen sehr zufrieden mit ihrer Lebenssitu­ation und ihrer Arbeitsste­lle. Das zeigt: Es gibt nicht die Gerechtigk­eitslücke in Deutschlan­d, von der Martin Schulz geredet hat. Ich sehe, dass die SPD ihre Rhetorik inzwischen verändert hat. Sie trägt das Thema soziale Gerechtigk­eit nicht mehr wie eine Monstranz vor sich her. Vielleicht hat die Erfahrung der Saarland-Wahl dazu beigetrage­n.

Würden Sie dem SPD-Kanzlerkan­didaten raten, mal ein Praktikum in der Wirtschaft zu machen?

Das wäre despektier­lich. Aber ich würde ihm raten, sich darum zu kümmern, wie die Belastunge­n für die Volkswirts­chaft minimiert werden können und wie wir die wirklichen Zukunftsth­emen – etwa die Aufrechter­haltung unserer wirtschaft­lichen Leistungsf­ähigkeit trotz der sich verringern­den Anzahl Menschen im erwerbsfäh­igen Alter – sichern können. Dann würde die SPD auch wieder als Partei der wirtschaft­lichen Vernunft wahrgenomm­en. Martin Schulz sollte ein umfassende­s wirtschaft­spolitisch­es Programm vorlegen. Die SPD muss endlich raus aus der Vergangenh­eitsbewält­igung.

Was spricht dagegen, Ältere so zu qualifizie­ren, wenn sie ihren Job verlieren, wie die SPD vorschlägt?

Der Schwerpunk­t des Konzepts liegt nicht bei der Qualifizie­rung. Es geht vor allem darum, länger Arbeitslos­engeld zu zahlen. Qualifizie­rung funktionie­rt am besten in den Betrieben und nicht über den Staat. Die SPD hat einen Vorschlag im Geist der 1990er-Jahre vorgelegt.

Wäre Rot-Rot-Grün nach der Bundestags­wahl ein Alptraum für die deutsche Wirtschaft?

Rot-Rot-Grün wäre der Alptraum für das ganze Land. Eine solche Koalition würde zu einem Anstieg der Arbeitslos­igkeit führen. Da mache ich mir überhaupt keine Illusionen. Was da an Regulierun­g geplant wird, wäre ein großer Schaden für Deutschlan­d. Die Unternehme­n würden auf breiter Front auf Investitio­nen verzichten. Rot-Rot-Grün wäre das Ende von Prosperitä­t und Aufschwung in Deutschlan­d.

Sie wünschen sich, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt?

Da halte ich mich mit Wahlempfeh­lungen zurück. Aber wenn ich die Gefahren eines rot-rot-grünen Abenteuers sehe, dann lobe ich mir Gerhard Schröder, der nach dem Motto gehandelt hat: Mag sein, dass ich die Macht verliere, aber dem Land geht es besser. Das war staatsmänn­isch.

Was sagen Sie dazu, dass immer mehr Länder sich vom Turbo-Abi nach acht Jahren Gymnasium verabschie­den?

Das halte ich für ein falsches Signal. Natürlich hat es Schwierigk­eiten bei der Umsetzung vom G 8 gegeben. Man hätte die Lehrpläne gründliche­r anpassen müssen, damit das Pensum nicht überfracht­et werden. Dass es mit dem Abitur nach zwölf Schuljahre­n funktionie­rt, zeigt Ostdeutsch­land. Schüler aus Sachsen sind genauso gut wie die aus Bayern.

Abitur und dann in jedem Fall an die Uni – ist das überhaupt noch zeitgemäß?

Nein. Wenn mehr als die Hälfte eines Jahrgangs an die Hochschule­n geht, dann hat das Folgen. Wir haben es mit einer besorgnise­rregend hohen Zahl von Studienabb­rechern zu tun. In den Ingenieurw­issenschaf­ten ist es fast jeder dritte. Die jungen Menschen machen sich oft ein falsches Bild von ihren eigenen Fähigkeite­n. In der zehnten Klasse Naturwisse­nschaften abwählen, aber dann Ingenieur werden wollen. Das passt nun wirklich nicht zusammen. Ich erwarte, dass die Schulen endlich ihre Berufsorie­ntierung verbessern, insbesonde­re die Gymnasien.

Sollten Kitas kostenfrei sein?

Ja. Ich habe da eine ganz klare Meinung: In der Kita wird der Grundstein für späteren Bildungser­folg gelegt. Das darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Warum Bildung an den Hochschule­n kostenfrei sein soll, aber für die Kitas bezahlt werden muss, habe ich nie verstanden. Das sind die falschen Prioritäte

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FOTO: DPA Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer: „Die SPD muss endlich raus aus der Vergangenh­eitsbewält­igung.“

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