Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Flüchtlinge erlernen Gesetze und Werte
300 Juristen bieten sich als Dozenten an – Auftakt im Mai mit Justizminister Wolf
STUTTGART - Im Mai startet der Rechtsstaatsunterricht für Flüchtlinge in Baden-Württemberg. Dafür hat Justizminister Guido Wolf (CDU) am Mittwoch eine Kooperation mit dem Volkshochschulverband geschlossen, denn die Volkshochschulen sollen die Kurse für Flüchtlinge in den Kreisen, Städten und Gemeinden koordinieren. Zum Start wird der Justizminister in der Erstaufnahmeeinrichtung in Sigmaringen selbst zum Dozenten.
Bereits Anfang 2016 hat der Verein der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg in einem Brief an den damaligen Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) Rechtskundekurse für Flüchtlinge angeregt. Daher äußert sich der Vereinsvorsitzende Matthias Grewe, Direktor des Amtsgerichts Ravensburg, auch zufrieden, dass der Unterricht bald beginnt. „Die Menschen kommen aus den unterschiedlichsten Ländern hierher“, so Grewe. Darum sei es wichtig, ihnen die grundlegenden Rechte, Pflichten und Werte unserer Gesellschaft beizubringen.
Vier Einheiten à 45 Minuten
Mehr als 300 Richter und Staatsanwälte haben sich freiwillig als Dozenten gemeldet, erklärt Robin Schray, Sprecher des Justizministeriums, auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Mitarbeiter des Prüfungsamts des Justizministeriums haben bereits die Unterrichtsmaterialien erarbeitet. Dafür haben sie laut Schray die Inhalte gesichtet, die bereits in vergleichbaren Kursen in Bayern und Hessen gelehrt werden, und eigene Akzente gesetzt. Die Kurse sind für einen halben Tag konzipiert. Sie bestehen aus vier Einheiten mit je 45 Minuten Länge. Die Dozenten erhalten pro Einheit eine Vergütung in Höhe von knapp 30 Euro.
„Wir verlangen, dass unsere Rechtsordnung eingehalten und unsere Werte respektiert werden“, sagt Justizminister Wolf. „Daher müssen wir diese auch vermitteln.“Möglichst alle Asylsuchende, unabhängig von ihrer Bleibeperspektive, sollen am Rechtsstaatsunterricht teilnehmen. Für Menschen in den Erstaufnahmestellen des Landes koordinieren die Regierungspräsidien die Kurse, kümmern sich um Räumlichkeiten und Materialien und stellen die Teilnehmergruppen zusammen.
Mit der Unterzeichnung der Kooperation am Mittwoch ist nun besiegelt, dass die Volkshochschulen die Kurse für jene Menschen organisieren, die bereits in einer vorläufigen Unterbringung eines Landkreises, oder einer Anschlussunterbringung in einer Stadt oder Gemeinde untergebracht sind. „Die Volkshochschulen im Land sind der wichtigste Träger für Integrationskurse“, begründet Wolf die Kooperation. „Sie verfügen über große Erfahrung beim Unterricht für Flüchtlinge. Diese Erfahrung hilft uns enorm.“
Vertrauen aufbauen
Volkshochschulverbandsdirektor Hermann Huba lobt, dass es Richter und Staatsanwälte sind, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Mann und Frau lehren. „Es ist besonders gut, wenn die Vermittlung dieser Werte direkt durch die Personen erfolgt, die unsere Ordnung auch alltäglich repräsentieren.“
Auch Richter Grewe, der sich auch selbst als Dozent gemeldet hat, nennt dies wichtig. Zum einen nähmen Staatsanwälte und Richter dadurch ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahr. Und es gibt einen weiteren Grund: „Viele Flüchtlinge treten Richtern mit Argwohn und Skepsis gegenüber“, spricht er aus Erfahrung. „Durch die Kurse können wir Vertrauen in unsere Institutionen aufbauen.“Dazu gehöre unter anderem, dass Staatsbedienstete nicht bestechlich seien. „Es gibt immer wieder Richter, die berichten, dass sie von einem Flüchtling gefragt wurden, wann sie ihnen nun Geld geben können“, so Grewe. Dass sie kein Geld annehmen, müsse den Menschen erklärt werden. So zeigt zum Beispiel eine Folie für den Rechtsstaatsunterricht ein Piktogramm, das vermitteln soll, dass Bürger der Polizei kein Geld zu geben haben.
Für den Unterricht hat die CDULandtagsfraktion 100 000 Euro an Fraktionsmitteln zur Verfügung gestellt, erklärt Ministeriumssprecher Schray. „Die werden für 2017 ausreichen.“Wann der genaue Startschuss ist, sei derzeit in Klärung, so Schray. Fest steht jedoch bereits, dass Minister Wolf im Mai gemeinsam mit Luitgard Wiggenhauser, der Präsidentin des Landgerichts Hechingen, gemeinsam den ersten Kurs in der Sigmaringer Erstaufnahmestelle abhalten wird.
Diese Doppelbesetzung ist kein Zufall. Sie soll möglichst Standard in allen Kursen sein, erklärt Ministeriumssprecher Schray – als „Signal für Gleichberechtigung. Das streben wir an.“