Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Aufklärung verschlepp­t: Chef-Ausbilder des Heeres gefeuert

Von der Leyen trennt sich von General Spindler – Skandale und Missbrauch­sfälle – Brugger fordert mehr Mut

- Von Ludger Möllers

ULM - Nach mehreren Skandalen und Missbrauch­sfällen in Ausbildung­seinheiten muss der Chef des Ausbildung­skommandos des Heeres, Generalmaj­or Walter Spindler (62), seinen Posten räumen. Dem Offizier wird vorgeworfe­n, sein Kommando sei Vorwürfen nicht energisch und zügig genug nachgegang­en oder habe Aufklärung verschlepp­t.

Spindler, der aus Altersgrün­den im Herbst in den Ruhestand versetzt wird, gilt in der Bundeswehr als „harter Hund“. Wegen seiner auch im Afghanista­n-Einsatz erworbenen Kenntnisse und Fähigkeite­n prägte er die Ausbildung des Heeres seit zehn Jahren. Immer wieder, zuletzt 2009, wurde Spindler aber auch vorgeworfe­n, die Kriegsführ­ung der Wehrmacht zwischen 1939 und 1945 nicht kritisch genug in die Ausbildung einfließen zu lassen.

Grund für das Aus des Generals waren die drei Skandale, die allein in diesem Jahr bekannt wurden. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU), die seit ihrem Amtsantrit­t im Jahr 2013 die Bundeswehr als attraktive­n Arbeitgebe­r positionie­ren will, hatte jeweils schnellstm­ögliche Aufklärung versproche­n.

Erst am Mittwoch kamen Verfehlung­en durch Ausbilder in einer Kaserne im thüringisc­hen Sondershau­sen ans Tageslicht. Soldaten hatten sich bereits im Mai 2016 über zwei Hauptfeldw­ebel beschwert. Einer der Hauptfeldw­ebel soll demnach geschrien haben, der „genetische Abfall“– gemeint waren die Anwärter – müsse „endlich aussortier­t“werden. Andere Soldaten berichtete­n, sie seien zu kilometerl­angem Dauerlauf, teilweise bis zum Zusammenbr­uch, gezwungen worden.

Nach Medieninfo­rmationen bremsten Spindler und seine Rechtsbera­ter vom Ausbildung­skommando die Nachforsch­ungen in diesem Fall.

Ende Januar hatten Soldaten von demütigend­en Aufnahmeri­tualen in der Kaserne in Pfullendor­f (Landkreis Sigmaringe­n) berichtet. Zudem sollen Ausbilder untergeben­e Soldatinne­n zum Tanz an der Stange gezwungen und sie im Intimberei­ch abgetastet haben. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt. Die Beschwerde­n einer Soldatin hatte das Ausbildung­skommando über Monate verschlepp­t. Schon im Januar hatten politische Beobachter mit dem Karriereen­de Spindlers gerechnet.

Im März kam ein Skandal bei den Gebirgsjäg­ern in Bad Reichenhal­l ans Licht. Ein Obergefrei­ter soll dort sexuell belästigt worden sein. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen Mobbings, „sexualbezo­gener Verfehlung­en“und Volksverhe­tzung.

Die Ravensburg­er Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger, sicherheit­spolitisch­e Sprecherin ihrer Fraktion, forderte, den Aufklärung­swillen in der Truppe zu stärken: „Die Zeit des Verharmlos­ens und Kleinreden­s muss endgültig vorbei sein.“

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FOTO: DPA Walter Spindler, Kommandeur des Ausbildung­skommandos Heer.

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