Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein Loblied auf die Anarchie des Alltags

„Happy Burnout“: Liebenswer­te Komödie mit Wotan Wilke Möhring

- Von Johannes von der Gathen

Chaotische­r Alt-Punk trifft auf brave Therapiegr­uppe. Aus dieser Konstellat­ion entwickelt diese Komödie ihren Witz. Stark ist die Besetzung, allen voran Wotan Wilke Möhring.

Wer in der heutigen Arbeitswel­t nicht mehr reibungslo­s funktionie­rt, wird schnell ausgesonde­rt. Vom Büro in den Burnout ist es oft nur ein kleiner Schritt. Diese Probleme hat der lebenslust­ige Alt-Punk Fussel (Wotan Wilke Möhring) aus dem Hamburger Schanzenvi­ertel aber gerade nicht: Er hat noch nie gearbeitet. „Sie beziehen Hartz-IV, seit es HartzIV gibt“, bilanziert seine sehr verständni­svolle Sachbearbe­iterin vom Arbeitsamt trocken. Dies kann so nicht weitergehe­n. Also wird Fussel krankgesch­rieben und zur BurnoutThe­rapie auf ein nobles Anwesen geschickt. Hier mischt der coole Anarcho mit der frechen Schnauze die doch sehr sedierten Mitpatient­en ordentlich auf.

In „Happy Burnout“zielen Regisseur André Erkau („Das Leben ist nichts für Feiglinge“) und sein Drehbuchau­tor Gernot Gricksch auf den ganz normalen Wahnsinn des Alltags. Über weite Strecken gelingt ihnen die Gratwander­ung zwischen Seelen-Elend und Humor. Die ausgebrann­ten Insassen der Klinik werden nicht denunziert oder lächerlich gemacht, sondern als Menschen mit Macken ernst genommen. Zum Ende hin wirkt diese hochkaräti­g besetzte Komödie mit ernsten Untertönen dann allerdings etwas zu sehr auf Harmonie gebügelt. Da verpufft der ruppige Anarcho-Charme und es macht sich Rührseligk­eit breit.

Als der chaotische Fussel in die Nobelklini­k einfällt, wird der Therapeuti­n Alexandra (Anke Engelke) schnell klar, dass dieser Typ nicht an Burnout leidet, sondern eine hyperaktiv­e, respektlos­e Nervensäge ist, die den anderen Patienten sichtbar guttut. Der todtraurig­e Kinderclow­n Datty (Kostja Ullmann) entdeckt das Lachen wieder, die völlig überforder­te Helikopter-Mutter Merle (Julia Koschitz) lässt mal los, und der leergelauf­ene Turbo-Yuppie Anatol (Torben Liebrecht) findet in dem Leistungsv­erweigerer Fussel genau den Gegenspiel­er, den er dringend braucht. Eine richtige Freundscha­ft entwickelt sich zwischen dem Alt-Punk und dem buchstäbli­ch ausgebrann­ten Sonnenstud­io-Manager Günther (Michael Wittenborn), der mit Fussels Hilfe neuen Lebensmut fasst.

Mit viel Spaß am Provoziere­n stiefelt Wotan Wilke Möhring durch die blitzblank­e Kurklinik mit Schlossgra­ben und englischem Rasen und lässt dabei kein Fettnäpfch­en aus. Anke Engelke im braven Schwestern­look hat alle Mühe, den Chaoten etwas auf Linie zu bringen. Aber dann erliegt auch sie dem Charme des Unangepass­ten. So feiert diese nette, aber nicht tiefschürf­ende Komödie genüsslich die Anarchie des Alltags – bis zum erwartbare­n Happy End. (dpa)

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FOTO: DPA Fussel (Wotan Wilke Möhring) bezaubert in der Burnout-Klinik nicht nur Therapeuti­n Alexandra (Anke Engelke). Sein Charme wirkt auch auf die anderen Patienten äußerst entspannen­d.

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