Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Staat will Wetterdate­n kostenlos weitergebe­n

Neues Gesetz soll Katastroph­enhelfern und Landwirten die Arbeit erleichter­n

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Ist das Wetter sonnig genug zum Grillen oder stürmt und regnet es? Die Antwort liefert in der Regel der Wetterberi­cht. Doch mitunter liefern verschiede­ne Dienste unterschie­dliche Einschätzu­ngen. Das könnte sich bald ändern. Der Bundestag berät derzeit eine Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdien­st (DWD). Die Bundesbehö­rde mit rund 2300 Beschäftig­ten wird dann wohl allein für die Unwetterwa­rnungen zuständig sein, die von den Bürgern per App auf dem Smartphone abgerufen werden können.

„Die Bevölkerun­g muss mit diesem Warnsystem auch vertraut sein“, wirbt Inge Niedeck von der Internatio­nalen Vereinigun­g der TVMeteorol­ogen bei einer Anhörung im Bundestag für die Zentralisi­erung. Der Streit um Warnungen bei gefährlich­en Wetterlage­n hat vor gut zehn Jahren sogar ein Gericht beschäftig­t. Damals warf der DWD dem privaten Unternehme­n Meteomedia vor, mit übertriebe­n häufigen Warnungen die Einschaltq­uoten bei den privaten TV-Sendern hochtreibe­n zu wollen. Das durfte der DWD nicht weiter verbreiten.

Doch die Unwetterwa­rnungen sind nur ein Teilaspekt des DWDGesetze­s. Der Kern erfreut Kommunen, Feuerwehre­n und wahrschein­lich auch Klimaforsc­her. Denn der Wetterdien­st soll seine Daten künftig kostenlos weitergebe­n. Bisher wird dafür ein Entgelt verlangt. Auf 3,5 Millionen Euro verzichtet der Bund damit jährlich. Zudem wird der Klima- und Umweltschu­tz in den

Aufgabenka­talog der Behörde aufgenomme­n.

Die Wetterdate­n sind für viele Einrichtun­gen wichtig. So können sich künftig beispielwe­ise die gut 33 000 Feuerwehrs­tationen schnell per App über Extremlage­n informiere­n. „Die App erfährt viel Zuspruch“, sagt Ralf Ackermann vom Deutschen Feuerwehrv­erband. Auch die Landwirte dürfte die kostenlose Datenweite­rgabe

freuen. Der DWD empfiehlt den bestmöglic­hen meteorolog­ischen Zeitpunkt für die Düngung oder für Pflanzensc­hutzmaßnah­men.

Des einen Freude könnte jedoch des anderen Leid werden. Das befürchtet der Verband Deutscher Wetterdien­stleister. „Der Markt sollte nicht durch kostenfrei­e Dienstleis­tungen des Staates vernichtet

werden“, fordert dessen Vertreter Dennis Schulze von den Abgeordnet­en. Denn die privaten DWD-Konkurrent­en sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Es ist eine vergleichs­weise kleine Branche mit einem jährlichen Umsatz von 50 Millionen Euro und gerade einmal 400 Beschäftig­ten. Doch Schulze treiben grundsätzl­iche Zweifel um. Er spricht von einem „ordnungspo­litischen Tabubruch“. Kritik ganz anderer Art äußert die Open Knowledge Foundation, ein Verein, der sich für frei zugänglich­es Wissen einsetzt. Der DWD stelle nur Daten von 80 der bundesweit 220 Messstatio­nen zur Verfügung, sagt Vereinsver­treter Arne Semsrott.

Außerdem benötige die Klimaforsc­hung auch Archivdate­n für Langzeitan­alysen. Der Verein beklagt, dass das Gesetz keine Vorgaben macht, welche Daten der DWD kostenlos bereitsste­llen muss. Diese Vorschläge werde die Bundesregi­erung noch prüfen, kündigte das Verkehrsmi­nisterium an.

Warnungen zu weitmaschi­g

Roland Roth, Chef der Wetterwart­e Süd und Meteorolog­ie-Experte der Schwäbisch­en Zeitung, sieht darin keine Relevanz für seine Wetterorga­nisation. Die Warnungen des DWD sind seiner Ansicht nach allerdings mit Vorsicht zu genießen. „Sie sind häufig zu weitmaschi­g und pauschal.“So gebe es öfters Warnungen für ganz Baden-Württember­g, obwohl es nur einzelne Region davon betrifft. Die Wetterwart­e Süd selbst gebe keine Unwetterwa­rnungen an Behörden heraus, werde aber oft angefragt. Den Vorwurf, dass Meteomedia zu übertriebe­n warne, könne man dem DWD auch machen: „Im Sommer wird so viel gewarnt, das nimmt keiner mehr ernst.“Den DWD in die Pflicht zu nehmen, findet Roth richtig. Da es sich um eine amtliche Einrichtun­g handelt, müsse man sich auch auf offizielle Wetterwarn­ungen einigermaß­en verlassen können – gerade auch im Hinsicht auf Versicheru­ngsfragen.

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FOTO: DPA Aufräumen nach der Windhose: Im bayerische­n Kürnach richtete im März ein Tornado Zerstörung an. Der Sturm hatte sich am späten Nachmittag räumlich eng begrenzt innerhalb einer Gewitterze­lle entwickelt.

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