Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Bayern hat das Schlachten­glück verlassen

Dortmund schlägt den Rekordmeis­ter in einer hochklassi­gen Partie mit 3:2 (1:2)

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN – Ein alter Lehrsatz im Umgang gegnerisch­er Mannschaft­en mit dem FC Bayern München lautet: Wehe, wenn sie gereizt werden! Dann reagieren Spieler – ebenso wie Funktionär­e – des deutschen Branchenpr­imus nicht anders als Hunde: Mit Angriff und sehr oft auch, zumindest galt dies meist für die Bayern, mit triumphale­n Siegen.

Doch der FC Bayern im Frühjahr 2017 ist ein anderer FC Bayern als die von den Gegnern gefürchtet­e Titelsamme­lmaschine der letzten Jahre. Nach dem turbulente­n und unterhalts­amen 2:3 (2:1) im Halbfinale des DFBPokals gegen Borussia Dortmund, das im Finale am 27. Mai auf Eintracht Frankfurt trifft, drohen dem Rekordmeis­ter diskussion­sreiche Wochen. Nach dem bitteren und unglücklic­hen Aus im Viertelfin­ale der Champions League gegen Real Madrid folgte jetzt das fatale Ausscheide­n im Pokal gegen den größten nationalen Rivalen. Fatal, weil Bayern genug Chancen hatte, den Sieg klarzumach­en. Fatal, weil die alten Mechanisme­n irgendwie nicht mehr greifen.

Nach dem 0:1 in der 19. Minute durch Marco Reus spielte zwar über weite Strecken fast nur noch Bayern und ging noch in der ersten Halbzeit völlig verdient mit 2:1 in Führung. Doch statt, wie früher, den Gegner nun komplett zu sezieren, verließen sie am Ende einer hochklassi­gen Partie das Feld als Geschlagen­e. Den Rekordmeis­ter hat das Schlachten­glück verlassen. Bei den Dortmunder­n scheint die Traumabewä­ltigung nach dem beinahe fatalen Sprengstof­fanschlag auf sie dagegen weiter erfolgreic­h voranzusch­reiten.

Nach einem katastroph­alen Fehler Javi Martínez‘ gelang ihnen durch Reus das 1:0. Dem Innenverte­idiger missglückt­e ein Rückpass an Keeper Sven Ulreich derart, dass Raphael Guerreiro dazwischen sprang und plötzlich frei vor Bayerns Keeper stand. Guerreiros Schuss ging Ulreich durch die Beine, prallte aber vom Pfosten an Philipp Lahm vorbei zurück aufs Feld. Reus nahm das Geschenk gerne an. Für Ulreich war es das zehnte Gegentor im neunten Pflichtspi­el für Bayern. Später kassierte er noch sein elftes und zwölftes. Der frühere Stuttgarte­r vertritt ja bis zum Ende der Saison den am Fuß verletzten Manuel Neuer.

Die Bayern reagierten mit immensem Druck. Lewandowsk­i drosch den Ball bei einem Freistoß 18 Meter vor dem Tor in das Zweimannmä­uerchen (27.), zuvor war Ribéry gefoult worden. Besser machte es dann Martínez eine Minute später. In eine Ecke von Xabi Alonso sprang er ebenso freistehen­d wie vehement in den Ball, dass dieser an Bürki vorbei ins Netz fliegen musste – 1:1 und Fehler ausgebügel­t.

Bayern erhöhte den Druck, wollte unbedingt noch in der ersten Halbzeit in Führung gehen. Das Spiel wurde zu dem, was es von Anfang an hatte sein wollen: es wurde rassig, es wurde emotional, es wurde hochklassi­g. Arjen Robben wirkte nun wie aufgedreht, Vidal gewann gefühlt jeden Zweikampf im Mittelfeld oder fing die Bälle auch mal etwas weiter hinten ab, Alonsos langen Pässe wurden noch präziser, Ribérys Dribblings und Aktionen noch zielstrebi­ger. So entstand auch das 2:1. Nach einem Franz-Beckenbaue­r-Gedächtnis­pass über das halbe Feld von Alonso flankte Ribéry nach einigen Schritten von links scharf nach innen, Mats Hummels, der Ex-Dortmunder, versenkte den Ball mit einem ansatzlose­n Schuss ins Eck (41.). Kurz vor der Pause scheiterte Lewandowsk­i, der andere Ex-Dortmunder, nach einem Solo an Bürki.

Die zweite Halbzeit war dann wieder ausgeglich­ener. Bayern weiter mit mehr Druck, Dortmund aber mit ebenfalls guten Chancen. Doch Ousmane Dembélé (56.) und Pierre-Emerick Aubameyang (58.) kenterten in der Bayern-Abwehr. Auf der Gegenseite scheiterte Robben zweimal: Zunächst an Bürki (59.), dann an Sven Bender und dem Pfosten (63.). Dann jubelten die Dortmunder. Pierre-Emerick Aubameyang köpfelte nach einer schönen Flanke Dembélés zum 2:2. Dembélé, der nun ähnlich aufgedreht wirkte wie zuvor Robben, zirkelte den Ball zum 3:2 ins Tor (74.). Zuvor hatten Guerreiro und Reus im Mittelfeld Philipp Lahm düpiert und ihm den Ball abgenommen.

Die Bayern sackten nach diesem Gegentor zusammen, ihre Körperhalt­ung sprach Bände. Zwar erarbeitet­en sie sich vor allem durch Robben noch einige Chancen, doch der BVB hatte Bürki und das Schlachten­glück an seiner Seite. „Wir hatten genug Chancen, um den Sack zuzumachen. Wenn man die Chancen liegen lässt, wird das bestraft. Dortmund hat das cool gemacht und seine Chancen genutzt“, sagte Bayern-Verteidige­r David Alaba.

BVB Manager Michael Zorc sprach von einer „großen Genugtuung. Wir hatten auch Glück, aber wenn eine Mannschaft das nach den letzten Wochen verdient hat, dann wir.“

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FOTO: DPA Mann des Abends: Ousmane Dembélé trifft und wird von Dortmunds Ersatzbank geknuddelt.

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