Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Respekt vor dem Tier steht an erster Stelle
Ines Rundel aus Göggingen ist passionierte Jägerin – und spielt das Fürst-Pless-Horn
GÖGGINGEN - Ines Rundel ist Jägerin aus Leidenschaft – und sie beherrscht etwas, was heute immer weniger Jäger beherrschen: das Jagdhornblasen. „Ohne diese alte jagdliche Tradition kann ich dem erlegten Wild nicht das Tot-Signal blasen und ihm damit auch nicht die letzte Ehre zuteil werden lassen“, sagt sie. Es sei traurig, dass die Tradition der Respekterweisung vor dem Tier immer seltener ausgeübt werde.
Rundel ist 36 Jahre alt, lebt in Göggingen, hat drei Kinder und ist verheiratet mit ihrem Mann Jürgen. Das Jagen gehört schon seit sie denken kann zu ihrem Leben. „Mein Stiefvater hat mich mit seiner Leidenschaft für das Jagen angesteckt“, sagt sie. Im Jahr 2008 machte sie ihren Jagdschein, im Jahr darauf begann sie mit dem Jagdhornspielen. Das Erlernen des Instruments nehme Zeit in Anspruch, es sei aber kein Hexenwerk. „Ich bin mir sicher, dass das jeder lernen kann“, sagt sie. Aus dem Horn kämen gerade einmal fünf Töne heraus, und es sei nicht erforderlich, Noten lesen zu können: „Vieles kommt auf das Gefühl an.“
Im Hegering KrauchenwiesOstrach, dem sie und ihr Mann angehören, gibt es rund 70 Jäger. 18 von ihnen spielen in der Jagdhornbläsergruppe, die sich jeden Montag im Lausheimer Weiher bei Levertsweiler trifft. Geprobt wird grundsätzlich in der freien Natur. Über das Jahr verteilt macht die Gruppe kleinere Auftritte, häufig privat. Sie hat aber auch bereits Auftritte beim Weihnachtsmarkt in Habsthal oder bei verschiedenen Hubertusmessen hinter sich gebracht. „Wir wollen den Spaß an der Tradition bewahren“, sagt Rundel. Sie habe gelernt, dass man mit dem Spielen des Jagdhorns ganze Jagden leiten könne. „Heute kennt kaum noch jemand die unterschiedlichen Signale für die jeweiligen Tiere“, sagt sie, was sehr bedauerlich sei. Der Respekt vor dem Tier komme abhanden. Bei der traditionellen Jagd wird für jedes erlegte Tier eine andere Melodie gespielt.
Immer mehr weibliche Jägerinnen
Ines Rundel ist im Kreise ihrer Kollegen einzigartig: Sie ist nämlich die einzige Frau unter den Jagdhornbläsern. Probleme bereite ihr das aber nicht: „Es sind alle ganz nett, ich fühle mich sehr wohl“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Allein unter Männern – dies trifft generell bezogen auf das Jagen nicht mehr zu. Immer mehr Frauen würden einen Jagdschein machen, sagt Rundel. Der Grund liege „vermutlich in der Emanzipation, die Gesellschaft ist einfach freier und offener geworden“.
Eine wesentliche Triebfeder, vor bald zehn Jahren mit dem Jagen begonnen zu haben, war für Rundel der Wunsch, einmal einen Jagdhund zu besitzen. „Und ohne Jagdschein ist eine jagdliche Hundeausbildung nicht möglich“, erklärt sie. Ihr Jagdhund Amy, ein Magyar Vizsla, ist heute sechs Jahre alt. Amy ist immer mit dabei, wenn die Rundels in ihr eigenes, rund 300 Hektar großes Revier bei Ablach gehen. Jede Jagd beginnt bei ihnen mit dem Spielen des Stückes „Aufbruch zur Jagd“. Wenn ein Tier erlegt wurde, wird das entsprechende Tot-Signal gespielt. „Wir haben gelernt, die Natur zu erleben und sie zu genießen“, sagt Jürgen Rundel, der seit dem Jahr 2000 mit seiner Ines verheiratet ist. Das Schöne an der Jagd sei überdies der Adrenalinschub vor dem Schuss – gepaart mit dem Respekt vor dem erlegten Tier.
Der Landesjagdverband würdigt diejenigen Jäger, die auch das Jagdhorn spielen, nach zehn Jahren mit einer Anstecknadel. Allzulange muss Ines Rundel auf diese Ehrung also nicht mehr warten.