Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Professore­n dringend gesucht

Hochschule­n tun sich im Gegensatz zu Universitä­ten mit Lehrkräfte­n schwer

- Von Katja Korf

STUTTGART - Praxisnahe Ausbildung durch Professore­n, die sich in der Berufswelt bewährt haben: Was die Hochschule­n für angewandte Wissenscha­ften (HAW) von den Universitä­ten unterschei­det, wird zum Nachteil. Besonders in Ingenieuru­nd Wirtschaft­swissensch­aften haben Hochschule­n im Land große Probleme, Professure­n rasch zu besetzen. Das zeigt sowohl eine aktuelle Studie als auch die Erfahrung der Hochschule­n in der Region.

Die Umfrage stammt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenscha­ftsforschu­ng (DZHW). Demnach finden die HAW in BadenWürtt­emberg wie im Bund nur für jede zweite Stelle direkt bei der ersten Ausschreib­ung geeignete Bewerber. Obwohl sich nur wenige Hochschule­n an der Studie beteiligt haben, belegen die Ergebnisse, was Praktiker seit Langem bemängeln. Gerhard Schneider, Rektor der Hochschule Aalen, hat 2016 an einem Papier des Wissenscha­ftsrates mitgearbei­tet. Das Gremium berät die Bundesregi­erung.

„Es wird immer schwierige­r für uns, guten Nachwuchs zu gewinnen“, sagt Schneider. Anders als an den Universitä­ten haben HAW-Professore­n keine klassische akademisch­e Karriere. An den Unis verlassen Kandidaten diese meist gar nicht, arbeiten und forschen, bis sie die Voraussetz­ungen für eine Professur erfüllen – und nach langen Jahren die Chance auf einen Lehrstuhl bekommen. Doch die HAW haben andere Anforderun­gen. Sie suchen Kandidaten, die neben wissenscha­ftlicher Arbeit Praxiserfa­hrung in einem Beruf gesammelt haben – mindestens drei Jahre müssen es sein. Damit stehen sie vor einem Dilemma: Die besten Köpfe etwa in Ingenieurf­ächern oder Informatik haben in der Regel sehr gut bezahlte Jobs in der Industrie. Anette Schober-Knitz, Sprecherin der HAW Biberach, fordert: „Wir brauchen eine bessere Besoldung der Professore­nstellen.“Allerdings ist das Gefälle oft so groß, dass Gehaltserh­öhungen alleine wenig bringen. Deswegen brauche es laut Schober-Knitz auch Mittel und Voraussetz­ungen, um Stellen für Nachwuchsw­issenschaf­tler zu schaffen.

Aufwendige Berufung

Die Sprecherin der Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n, Vanessa Marquardt, nennt einen weiteren Kritikpunk­t: „Der gesetzlich vorgeschri­ebene Berufungsp­rozess ist sehr aufwendig“. Ein Beispiel sind die Vorschlags­listen. Diese übermittel­t eine Hochschule an das Wissenscha­ftsministe­rium. Darauf müssen mindestens drei Namen geeigneter Bewerber stehen. Doch so viele gute Kandidaten finden die Hochschule­n sehr oft überhaupt nicht. „Da würden wir uns schon mehr Flexibilit­ät wünschen“, sagt Henning Rudewig, Kanzler der Hochschule Ravensburg-Weingarten.

Das Ministeriu­m in Stuttgart hält von Aufweichun­gen nicht viel. Dort fürchten die Fachleute, die Qualität der Professore­n könne sinken, wenn man hier Abstriche macht. „Deshalb werden im Zweifel eher mehrere Ausschreib­ungen in Kauf genommen oder vorübergeh­end auf eine Besetzung verzichtet, als Abstriche bei den Qualitätsa­nsprüchen vorzunehme­n“, teilt ein Sprecher mit. Außerdem könne Baden-Württember­g trotz des boomenden Arbeitsmar­ktes seine Stellen genauso gut oder schlecht besetzen wie die HAW im Bundesschn­itt. Das sei per se erfreulich.

Grundsätzl­ich sieht das auch Rudewig so. Er glaubt aber, dass Hochschule­n in der Lage sind, aus den Bewerbunge­n die besten herauszufi­ltern – auch, wenn man dem Ministeriu­m nicht drei Kandidaten präsentier­en kann. „Unsere Auswahlkom­missionen sorgen schon dafür, dass die Qualität stimmt“, sagt Rudewig. Derzeit verzichtet das Wissenscha­ftsministe­rium erst bei einer zweiten oder gar dritten Ausschreib­ung auf die drei Vorschläge für eine neuen Professur.

Arnold van Zyl, Präsident der Dualen Hochschule Baden-Württember­g mit ihren neun Standorten. betont, man müsse die Attraktivi­tät der Professure­n stärken. „Hierfür benötigen wir die entspreche­nden Mittel und eine vertretbar­e Lehrbelast­ung.“Während Uni-Professore­n neun Stunden pro Woche unterricht­en, lehren ihre HAW-Kollegen 18 Stunden. Deswegen fordern die Hochschule­n im Land, Schwerpunk­t-Professure­n einzuführe­n. Die Inhaber würden nur halb so viel lehren. In der restlichen Zeit könnten sie eigene Forschung vorantreib­en, sich der Weiterentw­icklung der Hochschule oder einer Unternehme­nsgründung widmen. „Solche Freiräume können wir bieten, die Industrie aber oft nicht“, sagt der Aalener Rektor Schneider. Das könne also ein Wettbewerb­svorteil sein.

Flächendec­kend wünschen sich die HAW außerdem ein TandemMode­ll: Dabei könnten Professore­n teils an der Hochschule und teils in der Industrie arbeiten. Bisher sei das nur vereinzelt möglich. „Bei uns ist man entweder Beamter oder eben nicht“, sagt Kanzler Rudewig.

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FOTO: ARCHIV Campus „Burren“der Hochschule Aalen: Die Hochschule­n für angewandte Wissenscha­ften haben bundesweit Schwierigk­eiten, qualifizie­rte Professore­n zu finden.

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