Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
EU-China-Gipfel endet ohne Klimaerklärung
Handelsstreit verhindert Unterzeichnung des gemeinsamen Bekenntnisses als Signal an USA
BRÜSSEL - Ein neuerliches Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen wollten die EU und China am Freitag in Brüssel abgeben. Es hätte dem Totalverweigerer Donald Trump signalisieren sollen, dass man wunderbar ohne den US-Präsidenten zurecht kommt. Doch der Schuss ging nach hinten los. Ein handelspolitischer Streit verhinderte die Annahme der Abschlusserklärung und damit auch des vereinbarten Bekenntnisses zum Weltklimavertrag.
Die Welt könne auf die Europäische Union als „globale Führungsmacht“im Kampf gegen die Erderwärmung zählen, hatte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete noch am Freitagmorgen verkündet, sichtlich aufgebracht über den amerikanischen Rückzug. Europa sollte es besser machen, sich anstrengen zum Wohle des Planeten. Und zwar „durch die Entwicklung starker Partnerschaften, Partnerschaften mit unseren Freunden, Partnerschaften wie jene, die wir heute mit China etablieren“. Nur wurde nichts daraus.
Billigkonkurrenz als Problem
Dass es so kam, hatte mit Klimaschutz herzlich wenig zu tun. Als China 2001 der Welthandelsorganisation WTO beitrat, war dem Land in Aussicht gestellt worden, dass es von Dezember 2016 an wie eine Marktwirtschaft behandelt werden würde. Dieser Status schützt vor hohen Strafzöllen. Doch weil europäische Hersteller unter staatlich subventionierter chinesischer Billigkonkurrenz ächzen, arbeitet die EU nun an neuen Abwehrinstrumenten. Und das stößt China übel auf, wie Ministerpräsident Li Keqiang klarstellte. Daran scheiterte die Verabschiedung der Abschlusserklärung, wie EU-Diplomaten bestätigten.
Dennoch erklärten Li Keqiang und die EU-Gastgeber den Gipfel zum Erfolg. Ratspräsident Donald Tusk nannte ihn den „vielversprechendsten EU-China-Gipfel unserer Geschichte.“Die geplatzte Schlusserklärung erwähnte in der mit Verspätung angesetzten Pressekonferenz weder er noch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Stattdessen wurde Harmonie inszeniert. Das mit Sonnenblumen bestickte Rednerpult hätte auch eine grüne Wahlveranstaltung schmücken können. Immerhin sprach Juncker die fortbestehenden Differenzen zwischen den Partnern beim Thema Menschenrechte und in Handelsfragen offen an. Der Gast allerdings ließ die Kritik lächelnd an sich abperlen und antwortete wortreich rein gar nichts.
Vor allem die ungleiche Entwicklung der Direktinvestitionen bereitet den Europäern Sorgen. Jeder zweite in China engagierte Unternehmer gibt an, sich nicht mehr so willkommen zu fühlen wie zu Beginn der Geschäftsbeziehung. Im vergangenen Jahr stieg das Investitionsvolumen chinesischer Firmen in der EU um 77 Prozent, während es in umgekehrter Richtung um 25 Prozent schrumpfte. „Es entsprach also ungefähr drei Prozent von dem, was wir im gleichen Zeitraum in den USA investierten“, führte Juncker aus. Allein diese Zahl macht deutlich, dass die Europäer Donald Trumps isolationistisches Programm keineswegs so locker nehmen, wie sie es in Brüssel demonstrieren wollten. Weder als Handelspartner noch in der Außenpolitik kann China gegenüber Europa die USA einfach so ersetzen.
Junckers Kritik, europäische Investoren fänden in China viel schlechtere Bedingungen vor als umgekehrt, will Li so nicht stehenlassen. Er konterte mit dem Argument, dass Chinas Wirtschaft so stark wachse, dass daran gemessen das ausländische Investitionsvolumen abnehme. In absoluten Zahlen aber wachse es. „Frau Merkel sagte mir ebenfalls, dass deutsche Unternehmen einige Klagen anführen. Aber dem widerspricht, dass deutsche Investitionen in unserem Land vergangenes Jahr um 74 Prozent stiegen.“
Dass die Verabschiedung der Klimaerklärung dem Handelsstreit zum Opfer fiel, bedeutet keinesfalls das Aus der Zusammenarbeit Europas mit dem weltgrößten KohlendioxidErzeuger China. Denn beide Seiten sind sich ja inhaltlich einig, was die Förderung erneuerbarer Energien und die Gefahren des Klimawandels angeht. Ein halbes Jahr war über die Erklärung verhandelt worden. Dass sie in Brüssel schon Tage vor ihrer Verabschiedung verbreitet wurde, war als Signal an Trump zu verstehen, der seinem Ruf als „Bad Boy“mit der Abkehr vom Paris-Abkommen am Donnerstag gerecht wurde.