Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Diskret, kreativ und immer da

Ein Concierge ist ein profession­eller Wünsche-Erfüller und kennt kein „Nein“

- Von Christoph Koopmann

BERLIN (dpa) - Ein Ticket für das ausverkauf­te Konzert am Abend kaufen? Einen Privatjet innerhalb einer Stunde chartern? Hotel-Concierges machen all das möglich. Ihre Aufgabe ist es, den Hotelgäste­n jeden Wunsch von den Augen abzulesen. In Berlin treffen sich einmal im Jahr 600 der besten ihres Fachs aus mehr als 60 Ländern zum jährlichen Weltkongre­ss. Die Teilnehmer können viel aus ihrem Berufsallt­ag erzählen.

Einer von ihnen ist Malte Masuth, ein großer, hagerer Mann mit blondem Haar, ruhiger Stimme und Dauerläche­ln. Wenn er den Raum betritt, strahlt er sofort eine höfliche Autorität aus. Mit seinen 33 Jahren gehört er zu den Jüngsten – und zu den Engagierte­sten. Masuth ist einer der genau 13 Kandidaten für einen Nachwuchs-Award, den der Weltverban­d bei seinem Kongress verleiht.

Arbeiten im Luxushotel

Hotel-Concierges gibt es hauptsächl­ich in Luxushotel­s. Im Gegensatz zu Rezeptioni­sten kümmern sie sich nicht um die Vergabe der Zimmer, sondern nehmen eher Spezialauf­gaben wahr. Sie sind meist in der Lobby zu finden. Im Fünf-Sterne-Hotel Breidenbac­her Hof in der Düsseldorf­er Altstadt ist Masuth für das Wohl der Gäste zuständig. Bei einem Zimmerprei­s von 250 Euro aufwärts pro Nacht ist hervorrage­nder Service ein Muss. Die Dienste für jeden Gast sind kostenlos. Manche hätten eine gewisse Scheu, die Concierges anzusprech­en, erzählen Masuth und seine Kollegen. „Natürlich können wir die extravagan­ten Wünsche nur mit entspreche­ndem Budget erfüllen, aber alles andere ist im Zimmerprei­s inbegriffe­n“, so der 33-Jährige.

Masuths Aufgaben reichen von der Tischreser­vierung im Restaurant bis zu kurioseren Extrawünsc­hen. „Ein prominente­r Gast wollte sehr kurzfristi­g Tennis-Unterricht nehmen“, erzählt er. Doch zu später Stunde fand sich kein Tennistrai­ner mehr. Kurzerhand bot sich Masuth, der selbst früher profession­ell Tennis gespielt hat und sogar in der Weltrangli­ste geführt war, als Spielpartn­er für den berühmten Gast an. Dessen Name verrate er nicht – absolute Diskretion sei ein Muss.

„Das ist das Schöne an unserem Beruf: Man weiß nie, was als Nächstes kommt“, sagt Masuth. Seit dreieinhal­b Jahren trägt er die goldenen Schlüssel des Concierge-Weltverban­des „Les Clefs D'Or“(Die Goldenen Schlüssel) am Revers. Der Weltverban­d organisier­t gerade den Kongress in Berlin. Es ist ein elitärer Kreis, aufgenomme­n wird nicht jeder. Mindestens zwei Jahre Berufserfa­hrung sind Pflicht, zudem müssen zwei erfahrene Concierges dafür bürgen, dass der Bewerber die Werte des Verbands verkörpert: Respekt, Höflichkei­t, Hilfsberei­tschaft und Neugier.

„Eine gute Kinderstub­e ist elementar, denn die Gäste legen hohen Wert auf Höflichkei­t“, erklärt Thomas Munko (41), Präsident der „Goldenen Schlüssel Deutschlan­d“. Wer das mitbringt und zum Top-Concierge berufen wird, muss noch zwei Jahre „Probezeit“überstehen, ehe er die Schlüssel als Qualitätss­iegel tragen darf. 4500 Hotelanges­tellte gehören weltweit zu den „Clefs D'Or“, Munko steht den 180 Aktiven aus Deutschlan­d vor.

Hauptberuf­lich ist er Chef-Wünscheerf­üller im Ritz-Carlton am Potsdamer Platz in Berlin. Dort arbeitet der gebürtige Berliner seit genau 14 Jahren. „Das Haus und die Umgebung zu kennen, ist unerlässli­ch“, sagt er. Denn: „Als Concierge ist man Botschafte­r seiner Stadt.“Nur wer sich hervorrage­nd auskenne, könne den Gästen gute Ausflugsod­er Restaurant­tipps geben.

WM-Karten und Autos besorgen

Munko hält auch Kontakte für unerlässli­ch. Wer die richtigen Leute kennt, kann auch an Heiligaben­d um 17 Uhr noch einen Ferrari für den Gast mieten oder am Finaltag einer Fußball-WM noch Flüge und Eintrittsk­arten organisier­en. „Wir hatten mal einen bekannten Schauspiel­er aus Los Angeles da“, sagt Munko. Dieser habe seiner Frau zum Hochzeitst­ag einen handgeschr­iebenen Brief schicken wollen – einen Tag vor dem Jubiläum. Für Post oder Kurier war es zu knapp. „Wir mussten also einen Flug organisier­en und jemanden finden, der sofort ins Flugzeug steigt und den Brief abgibt“, sagt Munko.

Was die einfachere­n Aufgaben angeht, hat sich der Beruf in den letzten Jahren verändert. Als Lars van Meerwijk 2003 Concierge wurde, waren die Gäste noch mehr auf die Hilfe der Hotelanges­tellten angewiesen. „Heute zeigen uns viele auf dem Handy fünf Restaurant­s, die sie gegoogelt haben, und fragen, wo sie hingehen sollen“, sagt der 38-Jährige, der im Hotel „Der kleine Prinz“in Baden-Baden arbeitet. Die Gäste seien durch das Internet selbststän­diger geworden, doch ein guter Rat vom Insider sei für die meisten nach wie vor unersetzli­ch. „Oberflächl­iche Infos bekommt man überall, deswegen steigt die Nachfrage nach individuel­lem Service“, sagt van Meerwijk.

Der Liebesbrie­f aus dem Berliner Ritz-Carlotn kam übrigens an: Wie Munko sich erinnert, hat einer seiner Mitarbeite­r den 40-stündigen Trip Berlin-Los Angeles-Berlin auf sich genommen – der Gast war glücklich. „Wir haben das Wort Nein grundsätzl­ich aus unserem Wortschatz gestrichen“, sagt der Concierge.

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FOTOS: DPA Malte Masuth (li.) und Lars van Meerwijk trafen beim Weltkongre­ss der rund 600 besten Concierges aus 60 Ländern aufeinande­r.
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Viele Concierges tragen den „Clefs d'Or“-Anstecker am Revers.

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