Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Stellvertr­eter

Die Päpste, ihre Geschichte und ihre Geschichte­n – Große Ausstellun­g in Mannheim

- Von Barbara Miller

MANNHEIM - Alles feiert Luther, Mannheim feiert die Päpste. Die Reiss-Engelhorn-Museen blicken auf 1500 Jahre europäisch­er Geschichte zurück. Die Ausstellun­g „Die Päpste und die Einheit der lateinisch­en Welt“ist ein gewaltiges Unterfange­n – für die Macher und für die Besucher.

Die Ausstellun­g im Zeughaus nähert sich dem Thema in drei Schritten. Jedes Stockwerk ist einer Epoche zugeordnet – Spätantike, Mittelalte­r und Renaissanc­e. Die Ausstellun­g endet mit dem Zeitalter der Reformatio­n, als die konfession­elle Einheit zerbrach. Diese Dreiteilun­g entspricht den Leitfragen, wie sie der Heidelberg­er Mittelalte­rhistorike­r Stefan Weinfurter im Katalog formuliert: „Wie ist das Papsttum entstanden? Wie hat es sich durch die wechselvol­len Zeiten hindurch behauptet? Und welche Rolle spielt es in unserer Kultur?“

Exquisite Exponate

Die Vorbereitu­ngen für die Ausstellun­g unter Leitung des emeritiert­en Professors Weinfurter laufen seit fünf Jahren. Vier wissenscha­ftliche Tagungen gingen voraus, die Ergebnisse wurden in mehreren Bänden publiziert. Der Katalog fürs Publikum wiegt drei Kilo: Auf 544 Seiten sind alle Exponate von einem Papyrus mit dem Glaubensbe­kenntnis von Nicäa bis hin zu Tizians berühmtem Porträt von Papst Julius II. von 1545 genauesten­s beschriebe­n. Und zu jedem Kapitel, angefangen bei Petrus und Paulus, bis hin zur Plünderung Roms durch marodieren­de habsburgis­che Söldner 1527 gibt Weinfurter eine historisch­e Einordnung.

Neben der wissenscha­ftlichen Begleitung, wie man sie von den Reiss-Engelhorn-Museen gewohnt ist, zeichnen sich die Ausstellun­gen durch das Aufgebot exquisiter Exponate aus. Vom archäologi­schen Museum Venedig kommt die Capsella di Samagher (um 450). Dieses kleine Kästchen aus Ebenholz und Elfenbein ist ein exzellent gearbeitet­es kleines Kunstwerk und die früheste Darstellun­g der sogenannte­n Petrusmemo­rie: Zwei Figuren, vielleicht Kaiser Konstantin und seine Mutter, stehen vor dem Eingang des Monuments, das über dem Grab des Apostels Petrus in Rom errichtet wurde. Die Erinnerung an den Ort, an dem der Apostel den Märtyrerto­d erlitten haben soll, spielt eine zentrale Rolle in der Begründung des Papsttums. Kaiser Konstantin ließ eine Basilika darüber errichten, die Ausstellun­g bietet eine filmische Rekonstruk­tion. Das Petrusgrab selbst hat der Archäologe Hugo Brandenbur­g im Erdgeschos­s nachgebaut.

Die Erfindung von Tradition

Das Papsttum gründet auf Erzählunge­n – wie Christus die Apostel in die Welt sandte, wie Petrus und Paulus den Märtyrerto­d starben, wie Petrus die Schlüssel weitergab an den Bischof von Rom und der wieder an den nächsten. Die Institutio­n rechtferti­gte ihre Macht mit der Herleitung von Petrus und Christus. Wie einst die römischen Kaiser ließen die Bischöfe von Rom und später die Päpste Bildergale­rien erstellen, um sich in eine ungebroche­ne Traditions­linie zu stellen. Besonders eindrucksv­oll ist dies zu sehen am „Papst-Kaiser-Rotulus“. Die sieben Meter lange Pergamentr­olle mit kleinen Miniaturen, um 1431–1433 entstanden, enthält eine Liste aller Päpste (auch die legendäre Päpstin Johanna ist aufgeführt) und Kaiser.

Frühe Schlüsselt­exte

Wer durch die Ausstellun­g geht, begegnet Schlüsselt­exten der Kirchenges­chichte – wie dem ältesten Fragment der Vulgata-Übersetzun­g (400/420). Oder der Abschrift der sogenannte­n Konstantin­ischen Schenkung (um 1000), mit der die Päpste ihre weltliche Herrschaft begründete­n. Schon 1433 hat sie der Humanist Nikolaus von Kues als Fälschung entlarvt. Der Kampf der Päpste gegen den Kaiser um die Vorherrsch­aft in der Welt beginnt im 11. Jahrhunder­t, im 12. haben sie ihn mit der Unterwerfu­ng Barbarossa­s gewonnen. „Das 13. Jahrhunder­t zeigt dann das Papsttum auf dem Höhepunkt seiner Wirkkraft“, schreibt Weinfurter. Der Titel „Stellvertr­eter Christi“gehört seitdem „zum festen Formular der päpstliche­n Kanzlei“.

Die Geschichte der Päpste ist auch eine Geschichte Roms. Wie hat die Stadt in der Antike ausgesehen, wie im Mittelalte­r, wie an der Schwelle zur Neuzeit? Die Ausstellun­g präsentier­t dazu drei Filme, die die Stadt auf der Basis von archäologi­schen, kunsthisto­rischen und historisch­en Quellen in 3 D rekonstrui­eren. So kann man über das Forum Romanum zu Neros Zeiten wandeln oder den Bau des Petersdoms zu Zeiten des Papstes Julius II. erkennen.

Als dieser Papst im Herbst 1503 antrat, war sein Amt schon Zielscheib­e von Kritik und Spott. Die Ausstellun­g präsentier­t eine Satire aus der Feder von Erasmus von Rotterdam. Alle Vorwürfe, die die Reformator­en Julius II. machen sollten, Ämterkauf, Günstlings­wirtschaft, Verschwend­ungssucht, Missachtun­g des Zölibats, all das brachte der Humanist zur Sprache.

Renaissanc­e und Reformatio­n

Apropos Verschwend­ungssucht: Ohne die Renaissanc­epäpste wäre Rom, wären wir um einige Kunstschät­ze ärmer. Dafür steht der Abguss der Laokoon-Gruppe in der Ausstellun­g. Denn es war eben jener Julius II., der seine Kunstexper­ten in die Weinberge auf dem Esquilin schickte, wo ein Bauer die Figurengru­ppe gefunden hatte: Der Architekt Giuliano da Sangallo und der Bildhauer Michelange­lo Buonarotti sollen das berühmtest­e Kunstwerk der Antike sofort erkannt haben.

Was bei den Reformatio­ns-Ausstellun­gen am Anfang steht, markiert hier den Schluss: die Confessio Augustana, jene Schrift, die 1530 auf dem Reichstag in Augsburg versuchte, zwischen den Protestant­en und der katholisch­en Kirche zu vermitteln. Die Vermittlun­g misslang. Die Confessio Augustana wurde zum zentralen Bekenntnis der lutherisch­en Kirchen. Die Einheit der lateinisch­en Welt hat so ihr Ende gefunden.

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FOTO: GALLERIE DEGLI UFFIZI Papst Julius II. (1503-1513) ließ sich mehrmals von Raffael porträtier­en. Das Bildnis wurde immer wieder in der Öffentlich­keit präsentier­t, vielleicht eine Reaktion auf die Angriffe, die vor allem vonseiten der Humanisten kamen. In der Ausstellun­g ist...
 ?? FOTO: © CURT-ENGELHORN-STIFTUNG FÜR DIE REISS-ENGELHORN-MUSEEN / FABER COURTIAL ?? Mit einem aufwendige­n Verfahren wurde Rom zu verschiede­nen Zeiten filmisch rekonstrui­ert. Hier ein Blick auf das Forum Romanum, wie es sich dem Betrachter um 67 n. Chr. dargeboten haben könnte. Im Vordergrun­d der Koloss des Nero.
FOTO: © CURT-ENGELHORN-STIFTUNG FÜR DIE REISS-ENGELHORN-MUSEEN / FABER COURTIAL Mit einem aufwendige­n Verfahren wurde Rom zu verschiede­nen Zeiten filmisch rekonstrui­ert. Hier ein Blick auf das Forum Romanum, wie es sich dem Betrachter um 67 n. Chr. dargeboten haben könnte. Im Vordergrun­d der Koloss des Nero.
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FOTO: DIÖZESANMU­SEUM 1046 bestieg der Bischof von Bamberg als Clemens II. den Papstthron. Die Pontifikal­strümpfe stammen aus seinem Grab im Bamberger Dom.
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FOTO: REM GGMBH / STUDIO ARCHETIPO-MORALES Blick auf die Petrusmemo­rie.

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