Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Den Spiegel der „Zeit“brauchen wir nicht
Es ist spannend zu lesen wie einen die anderen sehen, denn wenn andere einem den Spiegel vorhalten, erfährt man über sich selbst Dinge, die man vorher nicht wusste oder nicht wahrhaben wollte.
Dieser Tage erschien in der „Zeit“eine Reportage über unsere Stadt. Die Wochenzeitung veröffentlicht ihre Beobachtungen in der Serie „Da wollten Sie nie hin?“. In ihrem Artikel bewegte sich die Autorin zwei Stunden lang in Sigmaringen.
Am Anfang zuckt der Leser zusammen. „Der dunkelste Wald – in Sigmaringen ist er allgegenwärtig“– doch gleich wenige Sätze später wird der Ton freundlicher. Bei der Fahrt durch die grollenden Schluchten des Donautals soll der Bahnfahrer Ehrfurcht empfinden. Ja, das ist doch das Mindeste bei dieser beeindruckenden Landschaft.
Auf die Eröffnung einer H&M-Filiale wartet die Sigmaringer Jugend seit Menschengedenken, schreibt die Autorin weiter, und fordert die Besucher auf, im „märchenhaften Fachwerkhaus“der Bäckerei Mahl eine Seele zu kaufen.
Das Bootshaus kommt für die Autorin „futuristisch“daher, das Theatercafé „verwirrend“, weil sich in dem Gebäude statt eines Theaters ein Kino befindet. Leider nicht mehr, aber das weiß die „Zeit“ebenso wenig wie, dass nicht nur die Fasnetsvereine einmal im Jahr die „Kehrwochenaufgeräumtheit“des Städtchens durcheinander bringen. Sigmaringen hat weit mehr zu bieten als „einen dunklen Wald“und ein „bisschen Ruhe“. Im Spiegel der „Zeit“sehen wir keine neuen Seiten.