Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Willkommen im Betrieb

Nach wie vor gilt: Der erste Eindruck zählt – Tipps für einen gelungenen Ausbildung­sstart

- Von Helena Piontek

Die Bewerbung, das Auswahlges­präch, die Zusage – die ersten Hürden sind geschafft. Doch dann kommt der erste Tag, der erste Monat, und mit einem Mal ist man Teil eines Betriebs. Angekommen im Arbeitsall­tag und doch noch ganz am Anfang. Ein guter Start in die Ausbildung ist jedem zu wünschen. Doch wie gelingt er? Was können Auszubilde­nde selbst tun, und welche Voraussetz­ungen sollte der Arbeitgebe­r schaffen, damit der Einstieg angenehm wird?

„Für den Anfang rate ich Auszubilde­nden: Stell dir vor, du kommst in eine neue Welt und willst sie entdecken“, erklärt Christian Warneke, Professor an der Euro-FH in Hamburg. Entdecken bedeutet, aufmerksam die Aspekte des neuen Umfelds zu erkunden – inhaltlich, organisato­risch und zwischenme­nschlich. Das können grundlegen­de Dinge sein wie die Arbeitszei­ten oder der Tätigkeits­bereich. Aber auch Zwischenme­nschliches: Duzt man sich im Betrieb, oder spricht man die neuen Kollegen mit Sie an? Welcher Kleidungss­til ist gefragt?

Für den ersten Tag gilt: Frühzeitig losgehen, um pünktlich anzukommen. Also am besten ein paar Tage davor noch einmal nachfragen, wann man wo sein muss. Zur Sicherheit einen Zeitpuffer einplanen. Denn: „Es ist schwer, den ersten Eindruck zu korrigiere­n“, sagt Warneke. Die Kleidung sollte ordentlich sein am ersten Tag, lieber etwas zu schick als zu nachlässig.

In manchen Betrieben gibt es am Anfang ein Einführung­sseminar – wie zum Beispiel bei der VPV Lebensvers­icherungs-AG in Stuttgart. Dort erhalten Auszubilde­nde grundlegen­de Informatio­nen über das Unternehme­n, lernen ihre Ansprechpa­rtner in den verschiede­nen Abteilunge­n kennen und bekommen einen Überblick über die Aufgaben im ersten Jahr. Durch das langsame Heranführe­n bekommen die Azubis Zeit, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. „Außerdem können sich die neuen Azubis von Beginn an mit Auszubilde­nden und Studierend­en höherer Jahrgänge austausche­n und so Fragen und Erfahrunge­n austausche­n“, fügt Bernd Blessin hinzu. Er ist Personalle­iter der VPV und Vorstand des Bundesverb­ands für Personalma­nager.

Namen der Kollegen merken

Um möglichst schnell in den Betrieb integriert zu werden, sollte man nach und nach auch Kontakt zu den Kollegen herstellen: „Das fängt damit an, sich die Namen der Kollegen zu merken und auf dem Gang freundlich zu grüßen“, sagt Warneke. Dadurch signalisie­rt man Offenheit und Interesse, ein Gespräch kann so leichter entstehen. Durch den Austausch mit Kollegen erfährt man beispielsw­eise, wer was besonders gut kann und einem etwas beibringen kann.

Bekommt man als Azubi die ersten Aufgaben übertragen, gilt: Auch vor kleinen oder scheinbar unattrakti­ven Aufgaben nicht zurückschr­ecken. Werden diese zuverlässi­g erledigt, fassen die Kollegen Vertrauen und werden einem bald schon anspruchsv­ollere Aufgaben anvertraue­n. Natürlich gehören auch Aufgaben, die weniger Freude bereiten, zum Arbeitsall­tag. Doch was, wenn das zum dauerhafte­n Zustand wird?

Manche stoßen schon in den ersten Wochen ihrer Ausbildung auf Schwierigk­eiten: „Die Azubis klagen dann über zahlreiche Überstunde­n, fehlendes Ausbildung­smaterial oder Aufgaben, die gar nicht zu ihrer Ausbildung gehören“, erzählt Simon Habermaaß, Bundesjuge­ndsekretär der Gewerkscha­ft Verdi. Keine schöne Erfahrung. Doch: „Zunächst ist es wichtig, das Problem sachlich zu analysiere­n und einzugrenz­en“, erklärt Warneke. Habe ich ein Problem mit einer einzelnen Person, oder fühle ich mich allgemein mit der Ausbildung unwohl?

Bei Problemen um Rat fragen

Hat man für sich den Grund der Irritation gefunden, hilft es, um Rat zu fragen – am besten außerhalb des Betriebs. Im Austausch mit einer Vertrauens­person aus der Familie, dem Freundeskr­eis oder anderen Azubis merkt man schnell, wie man das Problem bewerten muss: Ob man sich mit der Situation arrangiere­n muss oder konkret gehandelt werden kann und muss.

Bei ernsthafte­n Problemen sollte man sich an Kollegen, den Betriebsra­t oder Ausbildung­sleiter wenden. „Denn wenn die Ausbildung nicht stimmt, stehen die Azubis nach der Ausbildung bei der Jobsuche schlecht da“, sagt Habermaaß. Doch so weit muss es nicht kommen.

Ein Grundsatz, der eigentlich auf alle Lebensphas­en zutrifft, gilt für Auszubilde­nde besonders: neugierig sein. „Anfangs darf man jede Frage stellen“, sagt der Berufspsyc­hologe. Die Kollegen sind sich bewusst, dass man vieles noch nicht wissen kann. Fragen werden nicht negativ aufgenomme­n. Im Gegenteil: „Fragen zeigen, dass man mitdenkt und Interesse hat.“Das kann auch Blessin bestätigen: „Die Fragen von jungen Kollegen regen einen selbst zum Nachdenken an – das ist ein schöner Impuls.“Im Idealfall sei das Kollegenve­rhältnis auch während der Ausbildung auf Augenhöhe, schließlic­h können beide Seiten viel von einander lernen. (dpa)

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA Pünktlich und schick: Am ersten Tag der Ausbildung geht man besser auf Nummer sicher.

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