Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Krater am Meeresgrun­d

Eisschmelz­e ließ massenhaft Methan entweichen

- Von Sigrid Harms

OSLO (dpa) - Nach der letzten Eiszeit sind riesige Mengen Methan explosions­artig aus dem arktischen Meeresbode­n entwichen. Forscher fanden am Grund der Barentssee zwischen Spitzberge­n und Norwegen Hunderte Krater, die klar auf dieses Phänomen schließen lassen. Mehr als 100 davon haben einen Durchmesse­r von 300 bis 1000 Metern und sind bis zu 30 Meter tief. Die Forscher folgern, dass sich große, unter massivem Druck stehende Methanspei­cher vor rund 12 000 Jahren entluden, nachdem sich der darüber liegende Eispanzer zurückgezo­gen hatte. Solche Szenarien könnten sich bei einem Rückzug heutiger Eisschilde möglicherw­eise wiederhole­n.

Methan (CH4) trägt zur Erwärmung der Erde bei, der Treibhause­ffekt ist etwa 25 Mal stärker als der von Kohlendiox­id (CO2). Der arktische Ozeanboden beherbergt riesige Mengen Methan in Form von Methanhydr­at, einer eisartigen Mischung aus Gas und Wasser, die bei hohem Druck und kalten Temperatur­en stabil ist. Methanhydr­at kommt den Forschern zufolge vielerorts unter dem Meeresgrun­d vor, aber auch an Land unter Permafrost­böden.

Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor etwa 20 000 Jahren war Methanhydr­at im Boden der Barentssee unter einer kilometerd­icken Eisschicht gefangen. „Der Kraterbere­ich war während der letzten Eiszeit von einer dicken Eisdecke bedeckt, genau wie heute die West-Antarktis“, erklärt Karin Andreassen von der norwegisch­en Universitä­t Tromsø.

Sie vergleicht das Szenario mit einem Schnellkoc­htopf. Das Gas sei über Jahrtausen­de aus tieferen Schichten kontinuier­lich nach oben gestiegen und habe unter der Eisdecke enormen Druck aufgebaut. „Diese Haufen standen Jahrtausen­de unter Druck, und dann verschwand der Deckel. Sie kollabiert­en einfach und entließen das Methan in die Wassersäul­e.“Zurück blieben die verräteris­chen Krater.

In dem Meeresgebi­et entweicht an mehr als 600 Stellen noch immer Methan ins Wasser, aber in vergleichs­weise geringer Menge. Dabei wird das Gas im Wasser gelöst und gelangt somit nicht in die Atmosphäre.

Die Forscher wollen nun klären, ob sich solche Szenarien wie vor 12 000 Jahren wiederhole­n können, etwa wenn sich heutige Eisschilde zurückzieh­en oder Permafrost­böden auftauen. Dann steige die Gefahr, dass auch dort Methan in großen Mengen entweicht, sagt Andreassen.

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FOTO: ANDREIA ALETIA PLAZA FAVEROLA/CAGE/DPA Die Computergr­afik zeigt massive Krater, die sich vor rund 12 000 Jahren gebildet haben.

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