Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Macron siegt souverän in der ersten Runde
Frankreichs Staatschef kann auf absolute Mehrheit im Parlament hoffen – Sozialisten im Tief
PARIS (AFP) - Der neue französische Präsident Emmanuel Macron hat die erste Runde der Parlamentswahl gewonnen. Nach Hochrechnungen vom Sonntag kommt sein sozialliberales Lager auf rund 33 Prozent und wurde mit Abstand stärkste Kraft. Ein Debakel erlebten die ehemals regierenden Sozialisten, auch das bürgerliche Lager wurde abgestraft. Die Beteiligung sank auf einen neuen Tiefstand.
Prognosen zufolge kann Macrons Bewegung La République en Marche (Die Republik in Bewegung) nach der Stichwahl am kommenden Sonntag mit einer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung rechnen. Demnach käme La République en Marche zusammen mit der verbündeten Zentrumspartei MoDem auf 390 bis 445 Sitze, insgesamt werden 577 Abgeordnete gewählt. Das würde dem seit rund einem Monat amtierenden Staatschef helfen, umstrittene Reformvorhaben wie die Arbeitsrechtsnovelle durchzusetzen.
Mit der Wahl steht das französische Parteiensystem vor dem Umbruch: Die ehemals regierenden Sozialisten erleiden erdrutschartige Verluste und kommen in der ersten Runde nur noch auf rund neun Prozent der Stimmen. Auch das bürgerliche Lager wird mit rund 21 Prozent abgestraft. Die Konservativen müssen ihre Hoffnung begraben, gegen das Macron-Lager den neuen Premierminister zu stellen.
Der Front National unter Marine Le Pen kommt auf rund 13 Prozent, die Bewegung Das unbeugsame Frankreich des Linkspolitikers Jean-Luc Mélenchon auf elf Prozent. Le Pen und Mélenchon waren gegen Macron in der Präsidentschaftswahl unterlegen. Der Front National äußerte sich „enttäuscht“über das Ergebnis.
Als negativ werten Beobachter, dass die Parlamentswahl nur sehr wenige Bürger mobilisiert hat. Laut Meinungsforschern ging nur rund jeder zweite Wähler zu den Urnen. Das wäre der niedrigste Stand seit Gründung der Fünften Republik vor knapp 60 Jahren. Aufgerufen zu der Wahl waren 47 Millionen Franzosen. Die Abstimmung fand unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt, rund 50 000 Polizisten waren im Einsatz. Bei islamistischen Anschlägen wurden seit 2015 insgesamt 239 Menschen getötet. In dem Land herrscht weiter der Ausnahmezustand.
PARIS - Emmanuel Macron wurde aus dem Nichts französischer Staatspräsident. Nun steht seine junge Partei vor einem triumphalen Sieg im Parlament.
Der Präsident nimmt sich Zeit. Vor dem Rathaus des schicken Badeorts Le Touquet am Ärmelkanal schüttelt Emmanuel Macron bei strahlender Sonne die Hände vieler Schaulustiger und posiert für Selfie-Bilder. Einen Mann küsst er sogar auf die Stirn. Dann gibt der 39-Jährige, begleitet von Frau Brigitte, seine Stimme ab.
Die Parlamentswahl – für Macron eine weitere Etappe auf dem Weg zur Macht. Einen Monat nach seinem Erfolg bei den Präsidentschaftswahlen fährt er einen überwältigenden Sieg ein. Seine Partei La République en Marche (LREM) kommt laut ersten Hochrechnungen zusammen mit dem Koalitionspartner MoDem auf 33 Prozent der Stimmen. „Das Ergebnis soll uns zur Demut einladen, aber auch zur Entschlossenheit, die Herausforderungen der nächsten Jahre anzugehen“, kommentierte die Interimsparteichefin von LREM, Catherine Barbaroux, das Ergebnis.
Schattenseite des Erfolgs: Jeder zweite Wahlberechtigte blieb zu Hause. Die Menschen seien nach einem monatelangen Marathon mit Vorwahlen und Präsidentenkür ermüdet, meinen Beobachter. Viele hätten im Mai Macron gewählt, um die Front-National-Chefin Marine Le Pen zu verhindern. Nun sei der Schwung raus. Im Eck-Café ist immer wieder zu hören, dass sich die Sympathie für Macron bei vielen in Grenzen hält.
In der Stichwahl am nächsten Sonntag kann LREM mit mehr als 400 Sitzen und damit einer absoluten Mehrheit rechnen. „Trotz der Wahlenthaltung ist die Botschaft klar: Millionen haben ihre Unterstützung für das Projekt des Präsidenten bestätigt“, sagte Premierminister Edouard Philippe in seiner Ansprache nach Bekanntgabe der Ergebnisse. „Am nächsten Sonntag wird die Nationalversammlung das neue Gesicht unserer Republik verkörpern.“
Deutlich abgeschlagen auf dem zweiten Platz landeten die konservativen Republikaner, die nur rund 21 Prozent bekamen. Die Partei von Nicolas Sarkozy, der Macron drei Politiker für sein Kabinett abwarb, steht vor ihrem historisch schlechtesten Resultat, sie kann nur noch mit 80 bis 100 Abgeordneten rechnen. „Das ist ein enttäuschendes Ergebnis für unsere politische Familie“, räumte Generalsekretär Bernard Accoyer ein.
Einen Einbruch erlitt der Front National (FN), der bei den Regionalwahlen 2015 in der ersten Runde mit 28 Prozent noch stärkste Kraft war. Diesmal halbierte die Partei von Marine Le Pen ihr Ergebnis und verzeichnete nur rund 14 Prozent. In ihrem Wahlkreis ging Le Pen mit mehr als 46 Prozent deutlich in Führung.
Die Sozialisten, die bisher mit 284 Abgeordneten die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung hatten, kamen gemeinsam mit verbündeten Parteien auf rund 10 Prozent und können nur noch auf 20 bis 30 Abgeordnete hoffen. Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon erreichte mit seiner Partei La France Insoumise elf Prozent.
Gut schnitten Macrons Minister ab, die sich um einen Parlamentssitz bewarben. Finanzminister Bruno Le Maire, der als Konservativer nach seinem Wechsel in die Regierung von seiner Partei ausgeschlossen wurde, kam auf 45 Prozent, auch Wohnungsbauminister Richard Ferrand, der in eine Affäre um Begünstigung verwickelt ist, lag mit 34 Prozent deutlich vorne. Für die Reform des Arbeitsrechts, die Macron bereits in Angriff nahm, kann er auf eine klare Mehrheit in der Nationalversammlung bauen.