Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Ruheforste tilgen die Erinnerung an Menschen und ihre Geschichte“
Zum Bericht über die Einweihung des Ruheforst-Geländes bei Schloß Lindich erreicht die SZ folgender Leserbrief:
Albert Schweitzer (1875 - 1965) hat sich gleich am Rande seines Spitals in Lambarene begraben lassen, in freier Erde wie unter einem schlichten Holzkreuz, darauf vermerkt allein sein Name. Dieses steht heute noch dort und erinnert nicht nur an diesen Arzt, Theologen, Philosophen, Musiker und Nobelpreisträger, sondern an einen Menschen, dessen zentrale Botschaft die Ehrfucht vor dem Leben war. Das hieß „Leben fördern, Leben entwickeln, Leben auf seinen höchsten Stand bringen“. Denn: „Leben ist, was Leben will, inmitten von Leben, das leben will“.
Nun wird bundesweit in den Ruheforsten eines mit seiner Familie über viele Jahrhunderte an Bestattungskultur sehr hochstehenden adligen Milliardärs diese Wucht an Gaben, Befähigungen, Talenten und Erfahrungen unter Bäumen verscharrt.
Man darf froh sein, wenn man auf diese Weise die letzte Ruhestätte seiner Verwandten oder Bekannten in einigen Jahren noch per Smartphone oder App finden kann, da ihr Schöpfer sie zu sich, der Wald freilich sie gänzlich in Vergessenheit bringt.
Man stelle sich die Grabsteine oder Gräber von verstorbenen Mitbürgern unserer Städte und Dörfer vor, ob Ehrenbürger oder nicht, welchen die Natur dem Gedächtnis an sie den Garaus gemacht hat.
Mit Ruheforsten stirbt die Idenität einer Gemeinde, welche wie jeder Mensch Geschichte hat und braucht, weil er beziehungsweise sie ohne diese vor allem seine Gegenwart, doch auch seine Zukunft nicht richtig verstehen kann.Natürlich sind diese Waldbestattungen die Folge harter ökonomischer Zwänge. Wenn wie allerorts die Gebühren für Liegeplätze auf Friedhöfen sukzessive angehoben werden und allein schon in die Vieltausende von Euro gehen, kommen die Hinterbliebenen nur zu oft auf nämliche Angebote.
Dabei wäre es die Aufgabe von Kommunen, jedem ihrer Bürger für sich eine leicht zugängliche Grabund für andere Erinnerungsstätte zu ermöglichen wie auch bezahlbar zu machen. Nicht zuletzt damit diese erkennen, dass ihre Talente und Fähigkeiten zum Allgemeinwohl gebraucht und geschätzt werden, auch über ihren Tod hinaus und nicht hinter oder rund um Bäume entsorgt.
„Gerechtigkeit erhöht ein Volk", doch nicht nur, sondern auch eine Ortsverwaltung. Die Absonderung (wörtlich Sünde) jedoch ist ihr Verderben.“Sprüche Salomos 14,34.
Michael Hakenmüller, Hechingen