Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Audi setzt verstärkt auf neue Erdgas-Modelle
A4 Avant und A5 Sportback verbrennen nach der Umrüstung nur noch im Ausnahmefall Benzin
er VW-Konzern macht aus der Not eine Tugend: Weil das Image des Diesels ramponiert und der flächendeckende Einsatz des Elektroautos noch weit ist, setzen die Wolfsburger jetzt den Erdgasantrieb – mal wieder – als Brückentechnologie auf die Tagesordnung. Schließlich ist der CO2-Ausstoß damit schon bei fossilem Gas um ein Viertel niedriger, und wenn man Erdgas aus regenerativen Quellen nutzt, kann man den CO2-Ausstoß um rund 80 Prozent verringern. Außerdem emittieren Erdgasmotoren keinen Feinstaub, und billiger ist der Sprit dank Steuerbonus obendrein. Deshalb wollen die Niedersachsen den Absatz über alle Konzernmarken bis zum Jahr 2025 verzehnfachen und dafür ihr Angebot drastisch erweitern. Den Anfang macht nun Audi. Denn nachdem die Bayern bereits 10 000 Exemplare vom A3 g-tron verkauft haben, rollen sie in diesem Monat auch den A4 Avant und den A5 Sportback mit Erdgas-Umrüstung an den Start.
Kombi und Coupé-Limousine fahren beide mit einem 2,0 Liter großen Vierzylinder, der nach dem Umbau von 29 Teilen sowohl mit Benzin als auch mit Erdgas (CNG) betrieben werden kann. Er leistet 170 PS, bringt bis zu 270 Newtonmeter an die Vorderachse und schafft es – je nach Karosserieund Getriebevariante – in 8,4 Sekunden auf Tempo 100 und danach auf bis zu 226 km/h. Beim Anlassen schüttelt er sich ein wenig stärker, und der Fahrer hört das lautere Knurren der härteren Verbrennung. Doch schon knapp jenseits der Schrittgeschwindigkeit geht das im Rauschen des Windes und im Rollen der Reifen unter. Dann muss der Lenker schon genau ins Cockpit schauen und nach der CNG-Leuchte suchen, wenn er wissen will, welchen Sprit der Motor gerade verbrennt.
Gas für bis zu 500 Kilometer
Anders als bei früheren CNG-Modellen haben Kunden dabei in A4 und A5 nicht mehr die Wahl. Zuerst verheizt der Vierzylinder die 19 Kilo Gas, die in den vier Kohlefasertanks unter dem hinteren Wagenboden stecken. Nur wenn das Gas nach bis zu 500 Kilometern verbrannt und keine der etwa 900 Erdgastankstellen im Land in der Nähe ist, saugt er aus dem auf 25 Liter geschrumpften Benzintank, der für weitere 450 Kilometer Reichweite an Bord ist.
Also alles im grünen Bereich? Nicht ganz. Denn ein paar kleine Kröten müssen g-tron-Fahrer schlucken: Der Kofferraumboden ist wegen der Gasflaschen um knappe vier Zentimeter angehoben, und das Ladefach im Souterrain entfällt. Der Avant fasst deshalb jetzt nur noch 415 und der A5 390 Liter. Die Technik bringt rund zwei Zentner mehr Gewicht, die man vor allem in schnellen Kurven spürt. Und natürlich gibt es den Umbau ab Werk nicht zum Nulltarif. Zwar liegen die beiden Saubermänner bei einem Preis von 40 300 Euro für den Avant und 40 800 Euro für den Sportback auf dem Niveau eines entsprechenden Diesels und sind damit rund 3000 Euro teurer als die vergleichbaren Benziner. Doch wenn die Besitzer für 100 Kilometer nur auf eine Treibstoffrechnung von aktuell vier Euro kommen, rechnet sich der Aufpreis nach 20 000 bis 30 000 Kilometern, verspricht zumindest Produktmanager Tobias Block.
Gleichzeitig wollen die Bayern zusammen mit den anderen Konzernmarken den Ausbau des Tankstellennetzes forcieren und die Zahl der Zapfpunkte bis zum Jahr 2025 auf 2000 mehr als verdoppeln. Und sie produzieren auch noch den passenden Kraftstoff dazu. Denn um den CO2-Vorteil von Erdgas voll auszuschöpfen, ersetzen sie fossiles durch regeneratives Gas. Das wird in einer eigenen Anlage im Emsland produziert. Dort wird mit überschüssiger Windenergie Wasserstoff erzeugt, der mit dem CO2 aus Bioabfällen zu Methan umgewandelt und dann ins Erdgasnetz eingespeist wird. Dabei will Audi exakt so viel e-Gas produzieren, wie die g-tron-Fahrer verbrauchen, und übernimmt zumindest für die ersten drei Jahre auch die Mehrkosten für den sauberen Sprit.
Auch Block weiß, dass die Erdgastechnologie nun wirklich nichts Neues ist und dass der Vorstoß von VW schon viele Vorläufer hatte. Doch der Produktmanager ist guter Dinge, dass es diesmal klappen könnte. Nicht nur die drohenden Feinstaub-Fahrverbote, die für Erdgasmotoren nicht gelten werden, befeuern seinen Optimismus, sondern ein Stück weit auch die Fehler der eigenen Firma. Denn nicht zuletzt der Dieselskandal hat einen Stimmungswandel bewirkt, der alternative Antriebe plötzlich wieder attraktiv erscheinen lässt: „Das Umweltbewusstsein“, so hat es Block jedenfalls beobachtet, „hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen.“