Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Geschwächt in die Brexit-Verhandlungen
uf britischer Seite gibt es im Vorfeld der ersten Verhandlungsrunde über Großbritanniens EU-Austritt wenig Gewissheiten. Diese eine gehört dazu: Als Leiter der Delegation wird heute BrexitMinister David Davis am Verhandlungstisch Platz nehmen. Mochte Premierministerin Theresa May auch mit dem theatralischen Coup geliebäugelt haben, selbst den Vorsitz zu übernehmen, die Brandkatastrophe von London dürfte ihr die Lust am Verlassen der Insel genommen haben. Es sähe zu sehr nach Flucht aus. Ein Bericht über ein angeblich geplantes Misstrauensvotum aus den eigenen Reihen sorgt zudem für Verunsicherung.
Nun also soll Davis die harte Linie fahren, die seine Premierministerin im jüngsten Wahlkampf vorgegeben hat. „Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal“hat May im Wahlkampf stereotyp wiederholt und damit auf dem Kontinent Erstaunen hervorgerufen. Zwar gilt auch dort ein chaotisches Ausscheiden der Insel aus der EU ohne verbindliche Absprache als schwer zu verkraften. Katastrophale Folgen hätte es aber vor allem für die Briten selbst.
Die freundlichere Interpretation der feindseligen Rhetorik lautet deshalb: Die Briten wollten durch lautes Bellen ihre Schwäche überdecken: Neben akut anstehenden Problemen sollte bislang auch von Anfang an ein zukünftiger Freihandelsvertrag besprochen werden. Der ist nun bis spätestens diesen Herbst auf die lange Bank geschoben. Vom Tisch ist auch Londons Wunsch nach größtmöglicher Geheimhaltung. Nun soll in Vier-Wochen-Zyklen verhandelt werden, an deren Ende jeweils die gemeinsame Präsentation der erzielten Ergebnisse steht.
Bisherige Pläne in der Downing Street sahen vor, dass Davis bereits heute eine „großzügige Regelung“für die Rechte der mindestens drei Millionen EU-Bürger im Land anbieten würde. Nun bleibt diese Geste wohl der Premierministerin selbst vorbehalten, die am Donnerstag zum Brexit-Gipfel reisen will. In Brüssel wird man dabei aber sehr genau aufs Kleingedruckte achten. Unter anderem geht es um die zentrale Frage: Markiert der 29. März 2017 oder 2019 das Ende der 5-Jahres-Frist, die EUBürger auf der Insel verbracht haben müssen, um Anspruch auf dauerhaften Aufenthalt zu haben?
Wie die durchlässige Landgrenze in Irland – zukünftig eine EU-Außengrenze – nach dem Brexit gehandhabt wird, bleibt eines der großen Rätsel. Zwar reden alle Seiten von einer „reibungslosen“Lösung. Der diesbezügliche Druck auf May ist aber stärker geworden, seit sie nach der verpfuschten Wahl auf die Parlamentarier der nordirischen Unionistenpartei DUP angewiesen ist. Wie sich dies mit dem harten Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion vertragen soll, bleibt Mays Geheimnis.
Nun wenden sich angeblich auch die eigenen Leute von May ab. Wie die „Sunday Times“berichtet, geben Tory-Abgeordnete ihr nur noch zehn Tage Zeit, ihr Amt zu retten. Sollte sie ihr Programm nicht durch das Parlament bekommen, drohen die Konservativen mit einem Misstrauensvotum. Er wisse nichts von einem solchen Komplott, sagte zwar ein Handelsstaatssekretär dem Sender Sky News. Die Partei stehe „geeint“hinter ihrer Chefin. Zumindest in dieser Klarheit darf dies aber bezweifelt werden.