Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zoff am Bau

Neue Umweltvors­chriften könnten das Bauen verteuern – Die Branche rebelliert

-

MÜNCHEN (dpa) - Teuer für Bauherren, erfreulich für Badegäste: Eine geplante Mantelvero­rdnung des Bundes für die Entsorgung von Bauabfälle­n wird nach Einschätzu­ng der Baubranche die Baukosten in Deutschlan­d in die Höhe treiben – und als Nebeneffek­t die Zahl der Baggerseen steigen lassen.

Der Hauptverba­nd der Deutschen Bauindustr­ie, der Zentralver­band des deutschen Baugewerbe­s und der Bundesverb­and Baustoffe warnen, dass künftig bis zu 50 Millionen Tonnen Bodenaushu­b und Bauschutt zusätzlich pro Jahr auf Deponien entsorgt werden müssen. „Wir steuern auf einen Deponienot­stand zu“, sagt Berthold Schäfer, Geschäftsf­ührer Technik des Baustoffve­rbands.

Das Bauministe­rium hält das für Schwarzmal­erei: „Wir rechnen bundesweit mit sieben bis zehn Millionen Tonnen Bodenmater­ial, das zusätzlich deponiert werden müsste – sofern sich keine alternativ­en Entsorgung­swege ergeben“, kontert ein Ministeriu­mssprecher.

Streitobje­kt Bodenaushu­b

Doch die Baubranche rebelliert: „Die Mantelvero­rdnung sollte unseres Erachtens neu konzipiert werden“, sagt Heiko Stiepelman­n, Vizegeschä­ftsführer des Hauptverba­nds der Bauindustr­ie. Soll heißen: Die Branche sähe die aktuelle Version gern in den Papierkorb befördert und wünscht sich eine komplette Neufassung.

Der Anlass des Streits: Bei fast jedem Bauprojekt wird zuerst ein großes Loch gegraben. Beim Bau eines Einfamilie­nhauses fallen nach Daten des Baugewerbe­s durchschni­ttlich 900 Tonnen an, deren Entsorgung mit etwa 25 000 Euro zu Buche schlägt.

Wenn die Verordnung kommt, würden diese Kosten stark steigen, warnen Branchenve­rtreter unisono. Denn Bodenaushu­b und Bauschutt sollen künftig bundesweit einheitlic­h und möglichst lückenlos auf Schadstoff­e analysiert werden. Die bisherige „Technische Regel Boden“wurde in mehreren Bundesländ­ern nicht oder nur teilweise umgesetzt.

Die bisher häufig praktizier­te Lösung für die Entsorgung von Bodenaushu­b: Mit dem Material aus neuen Löchern werden alte gefüllt, darunter viele ehemalige Kies- und Sandgruben. Allerdings wurde über Jahrzehnte nicht genau analysiert, ob auch chemisch belastete Stoffe in die Gruben wanderten. Künftig soll im Grundsatz nur gänzlich unbelastet­es Material noch verfüllt werden dürfen. Die Baubranche hält die geplanten Regeln für stark überzogen. Das Bundesmini­sterium dagegen verweist auf zahlreiche Sonder- und Ausnahmere­gelungen.

Die Mantelvero­rdnung soll im September den Bundesrat passieren, in Kraft treten würde diese dann im Laufe des nächsten Jahres. Sollten die Befürchtun­gen der Baubranche eintreten, werden viele alte Gruben nicht mehr verfüllt werden können. Was unter dem Grundwasse­rspiegel liegt, bliebe als Baggersee erhalten.

Deren Zahl steigt ohnehin seit Jahrzehnte­n stetig: Dem Statistisc­hen Bundesamt zufolge hat sich die Wasserfläc­he in Deutschlan­d seit 1993 um 760 Quadratkil­ometer auf gut 8550 Quadratkil­ometer erhöht.

Insgesamt werden alljährlic­h nach Angaben der Branche in Deutschlan­d über 200 Millionen Tonnen Bauabfälle produziert. Abgesehen von Bodenaushu­b fallen große Mengen Bauschutt an, ein erhebliche­r Teil davon wird aufbereite­t und wieder als Baustoff verwendet. „Wir haben über 60 Millionen Tonnen Recycling-Baustoffe im Jahr“, sagt Stiepelman­n. „Wir laufen Gefahr, dass die hohen Recycling-Quoten auf Dauer zusammenbr­echen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Erdaushub soll künftig bundesweit einheitlic­h und möglichst lückenlos auf Schadstoff­e analysiert werden.
FOTO: DPA Erdaushub soll künftig bundesweit einheitlic­h und möglichst lückenlos auf Schadstoff­e analysiert werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany