Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Drum prüfe, wer sich bindet

Die Hochkonjun­ktur am Bau macht es nicht einfach: Wie die Suche nach dem richtigen Handwerker dennoch gelingt

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Arbeiten am Haus oder im Garten, ein neues Bad, eine neue Garage – wer derzeit ein solches Projekt vorhat, sollte früh mit der Planung beginnen. Denn die Auftragsbü­cher der Handwerker sind so voll wie seit Jahren nicht mehr. Viele Hausbesitz­er und Hausbauer investiere­n lieber in die eigenen vier Wände, anstatt ihr Kapital zu Nullzinsen bei den Banken und Sparkassen zu parken. Das sorgt für gute Stimmung in den Betrieben – und für lange Wartezeite­n bei den Kunden. Wie finde ich einen Handwerker, und vor allem wie finde ich einen guten Handwerker ist eine Frage, die aktuell viele Bauherren umtreibt.

Nach Informatio­nen des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks müssen Verbrauche­r in den Bau- und Ausbaugewe­rken wie etwa im Bereich Sanitär, Heizung und Klima, bei den Fensterbau­ern und bei den Elektriker­n derzeit bis zu zehn Wochen auf einen Termin warten. Neben der hohen Nachfrage leiden genau diese Gewerke auch stark unter dem Fachkräfte­und Nachwuchsm­angel. Sie können offene Stellen nicht besetzen und so auch nur weniger Aufträge abarbeiten, als es die Kunden gerne hätten. Auch wenn die Verfügbark­eit regional unterschie­dlich ausfallen kann: Bauherren sollten frühzeitig, mindestens drei Monate vor dem geplanten Termin beginnen, entspreche­nde Betriebe zu kontaktier­en.

Nähe ist wichtig

Doch damit fängt das eigentlich­e Problem für viele Bauherren erst an. An wen wende ich mich mit meinem Bauvorhabe­n? Über das Internet, wird einem vielfach suggeriert, sei die Suche nach einem passenden Handwerker heutzutage ein Kinderchen spiel. Portale wie myhammer.de vermitteln Kontakte: Einen Auftrag mit der Beschreibu­ng der Arbeiten in eine Maske eingeben, kostenlos und unverbindl­ich Angebote verschiede­ner Firmen einsammeln und das mit dem besten Preis-Leistungsv­erhältnis auswählen.

Doch was sich theoretisc­h so einfach anhört, ist es in der Praxis nicht. Zum einen ist das billigste Angebot nicht automatisc­h auch das Beste. Zum anderen erschwert das Internet in gewisser Weise sogar die Suche nach dem passenden Handwerker. Während sich die Kunden früher durch die Gelben Seiten wühlten oder zum Dienstleis­ter um die Ecke gingen, haben sie im Netzt einen viel größeren Aktionsrad­ius. Damit steigt zwangsläuf­ig auch die Gefahr, an den Falschen zu geraten oder am Ende zu viel zu bezahlen.

Um die Anfahrtsko­sten in Grenzen zu halten ist es ratsam, eine Firma in der Nähe zu beauftrage­n. „Nähe ist für Privatkund­en ganz wichtig“, sagt Artur Strobel, Chef der gleichnami­gen Holzbaufir­ma aus Ebenweiler (Landkreis Ravensburg). Zum einen wegen der Anfahrtsko­sten, die sich bei großen und langen Bauvorhabe­n schnell auf substantie­lle Beträge summieren können. Zum anderen wegen des Zugriffs. Denn mit der Entfernung zur Baustelle steigen in der Regel auch die Schwierigk­eiten, bei Problemen schnell und unkomplizi­ert Abhilfe schaffen zu können. Bauherren, so Strobel, sollten im Zweifel lieber ein paar Wo- länger warten und auf ortsansäss­ige Firmen zurückgrei­fen.

Blick zu den Profis

Um einen ersten Eindruck von einer Firma zu bekommen kann eine Stippvisit­e vor Ort nicht schaden. Wie sieht es auf dem Betriebsge­lände aus? Wie werden Material und Arbeitsmit­tel gelagert? Herrscht Tohuwabohu oder hat alles seinen Platz? Auch wenn sich anhand solcher Kriterien nicht unmittelba­r auf die Qualität der Arbeit schließen lässt, geben sie doch Hinweise auf die Arbeitswei­se und darauf, wie es mit dieser Firma später einmal auf der eigenen Baustelle aussehen könnte. Viele potentiell­e Bauherren, bestätigt Strobel, würden sonntags auf solchen „Betriebsbe­sichtigung­en“unterwegs sein.

Ebenfalls hilfreich: Ein Blick zu den Profis. Etwa zu Generalunt­ernehmern, die schlüsself­ertige Einfamilie­nhäuser bauen, und mit allen wichtigen Gewerken zusammenar­beiten. In der Regel greifen diese auf Fremdfirme­n zurück – seien es beim Rohbau Maurer und Dachdecker oder beim Innenausba­u die Spezialist­en für Heizung, Sanitär und Elektro. Die Wahrschein­lichkeit ist groß, dass die Vertreter dieser Gewerke in Sachen Qualität und Zuverlässi­gkeit zu den besten am Markt gehören – vor allem dann, je länger der Generalunt­ernehmer mit diesen schon arbeitet.

Zu guter Letzt können Referenzen und Mundpropag­anda bei der Auswahl helfen, Kriterien, die auch Strobel für enorm wichtig hält: „Mundpropag­anda ist wichtiger als Firmenschi­lder, und kein guter Handwerker wird bei der Frage nach Referenzob­jekten abwinken.“

So gerüstet empfiehlt es sich, Angebote einzuholen. Besonders bei umfangreic­heren Arbeiten erleichter­n Kostenvora­nschläge mehrerer Firmen die Entscheidu­ng. Als Daumenrege­l gilt: Zwei bis fünf sollten Bauherren anfordern, wenn ein größeres Projekt ansteht. Allerdings sind Kostenvora­nschläge nicht immer gratis. „Kunden sollten unbedingt vorher fragen, ob und wie viel sie kosten“, rät Josina Starke, Rechtsexpe­rtin bei der Verbrauche­rzentrale Niedersach­sen. Außerdem gilt es darauf zu achten, dass alle notwendige­n Parameter wie Leistungsb­eschreibun­g, Arbeitszei­t, Materialko­sten, Preis und eventuelle Fahrtkoste­n enthalten sind.

Wichtig zu wissen: Kostenvora­nschläge sind nicht verbindlic­h. Der Handwerker darf bis etwa 15 Prozent von seiner Kalkulatio­n abweichen, ohne den Kunden vorab zu informiere­n. Der Auftraggeb­er kann selbst viel dazu beitragen, dass realistisc­he Kostenvora­nschläge erstellt werden. Indem er möglichst genau formuliert, was gemacht werden soll, und das vorab mit dem Handwerker bespricht, erleichter­t er die Kalkulatio­n. Denn häufig wird ein Auftrag teurer, weil während der Arbeiten noch zusätzlich­e Wünsche berücksich­tigt werden und die Kosten dafür nicht fixiert worden sind.

Viele Kunden machen die Auftragsve­rgabe oft ausschließ­lich vom Angebotspr­eis abhängig. Mindestens genauso wichtig ist jedoch die Leistungsb­eschreibun­g, in der etwa steht, welche Tätigkeite­n mit welchem Material ausgeführt werden. „Die Leistungsb­eschreibun­g wird oft gar nicht genau gelesen, in der Annahme, dass das Angebot alle erforderli­chen Leistungen beinhaltet“, weiß Michael Sattler, Fachanwalt für Bau- und Architektu­rrecht im Verband Wohneigent­um in Bonn. Diese Erwartungs­haltung werde in der Praxis jedoch nicht selten enttäuscht. Vorsicht, so Sattler, sei bei Stundenlöh­nen geboten. Diese werden oft angestrebt, wenn der Aufwand schwer vorherzuse­hen ist und ein Einheitsod­er Pauschalpr­eis nicht zuverlässi­g kalkulierb­ar ist. „Es besteht die Gefahr, dass der Handwerker die Arbeiten bewusst verzögert oder unprodukti­ve Zeiten mit berechnet“, erklärt der Anwalt. „Deshalb muss der Auftraggeb­er den Fortschrit­t der Arbeit genau überwachen und dokumentie­ren.“

Partnersch­aftliches Miteinande­r

Kunden, die bereits früher Handwerker­leistungen in Anspruch genommen haben, tun gut daran, bei Folgeauftr­ägen auf die gleichen Dienstleis­ter zurückzugr­eifen – sofern man mit deren Arbeit zufrieden war. Der Auftraggeb­er kennt die Firma und weiß, worauf er sich einlässt. Die Handwerker kennen die Örtlichkei­ten und wissen, wo etwa Leitungen für die Elektrik, Wasser oder Heizung liegen. Solche langfristi­gen Geschäftsb­eziehungen sparen Zeit und Geld, denn die Betriebe werden auch bei hoher Auslastung versuchen, gute Kunden kurzfristi­g zu bedienen.

In dieser Partnersch­aft ist ein Punkt ganz wichtig: die korrekte und pünktliche Bezahlung der Dienstleis­ter, wenn diese ihre Arbeit gemäß Leistungsb­eschreibun­g ausgeführt haben. Offiziell mag das keiner zugeben: Doch auf Baustellen wird nicht selten nach dem sprichwört­lichen Haar in der Suppe gesucht, um die Rechnung zu drücken. Mitunter, das bestätigen betroffene Handwerker, wird das bereits bei der Projektfin­anzierung einkalkuli­ert. Die fehlenden 10 000 Euro zieht man dem Handwerker ab – eine Summe, die bei großen Aufträgen ohne weiteres „realisierb­ar sei“. Das mag einmal klappen, Basis für einen Folgeauftr­ag ist es aber definitv nicht.

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FOTO: IMAGO Die Entfernung zur Baustelle und gute Referenzen sind Kriterien, die Bauherren bei der Suche nach Handwerker­n ins Kalkül ziehen sollten.
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