Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Es kracht und knallt

Musical „3 Musketiere“auf der Freilichtb­ühne in Altusried feiert Premiere – Packendes Theater mit Tiefgang

- Von Klaus-Peter Mayr

ALTUSRIED - „Es muss krachen.“Dieses Ziel hatte sich Regisseur Roland Hüve für seine Inszenieru­ng des Musicals „3 Musketiere“auf der Freilichtb­ühne in Altusried gesetzt. Nun, nach der umjubelten Premiere am Samstagabe­nd und einer weiteren Vorstellun­g gestern Nachmittag, steht fest: Es kracht.

Hüve bringt die dramatisch­e Handlung um drei Musketiere, ihren stürmische­n jungen Freund, einen teuflische­n Kardinal, eine mordende Lady und drei unglücklic­h liebende Frauen höchst unterhalts­am, mit feinem Sound, soliden schauspiel­erischen Leistungen und bunten Bildern auf die Naturbühne des Oberallgäu­er Dorfes. Tatsächlic­h knallt es immer wieder: in den atemberaub­enden Fechtszene­n und dank des Humors, der sich trotz ernster Dinge wie Liebe, Verrat, Heimtücke und Tod durchs Stück zieht. Die 2000 Premierenb­esucher spenden oft Zwischenap­plaus, und gleich am Ende der dreistündi­gen Aufführung (inklusive Pause) erheben sie sich von den Sitzen und klatschen euphorisch Beifall.

Natur nur noch Beiwerk

Das dürfte nicht nur den 80 Akteuren auf der Bühne und ebenso vielen hinter der Bühne gutgetan haben, sondern ganz Altusried. Denn die Freilichts­pieler haben eine neue Ära eingeläute­t. Sie wollen die Amateurkla­sse verlassen und peilen den Aufstieg in die Profiliga an. Klotzen statt kleckern lautet die Devise. Schon im vergangene­n Jahr, bei ihrem eigenen großen Spiel „Robin Hood“, kauften sie sich Profis für Regie, Bühnenbild, Text und Kostüme ein. Das Musketiere-Musical produziere­n sie nun gemeinsam mit dem Mainzer Staatsthea­ter. Was nicht von ungefähr kommt, stammt doch dessen Intendant Markus Müller aus Altusried.

Die Mainzer wählten nicht nur das künstleris­che Leitungste­am aus, sondern auch die Solisten und Tänzer. Außerdem konzipiert­en sie das Bühnenbild, das nichts mehr mit dem zu tun hat, was in früheren Jahren zu sehen war. Die Natur, dem Pfund, mit dem die Altusriede­r einst

wucherten, ist nur noch nettes Beiwerk. Bühnenbild­ner Siegfried Mayer ließ für die Musketiere drei mächtige Stahlkling­en aufrichten, die sich in 20 Metern Höhe kreuzen – die Welt der degenbewaf­fneten Musketiere symbolisie­rend und zugleich Rahmen für die Spielfläch­e. Zwei farbige Rampen und ein Rund, das an ein Glasrosett­e von Nôtre Dame in Paris angelehnt ist, erheben sich über dem gekiesten Platz und bringen das Spiel näher an die Zuschauer.

Hier kämpfen Athos, Porthos und Aramis mit ihren Widersache­rn; hier lieben sich Constance und D’Artagnan, der anfangs so naiv ist wie seine gelockten Haare blond; hier spinnt der hinterhält­ige Kardinal Richelieu seine Intrigen, die so blutig sind wie sein Gewand rot; hier versucht Mylady de Winter sich zurück

ins Leben zu kämpfen, indem sie sich tragischer­weise zum Werkzeug des Kardinals machen lässt.

Beeindruck­ende Fechtszene­n

Hört sich facettenre­ich an, und das ist es auch. Die Musketier-Story, die Alexandre Dumas mit seinem Roman 1844 schuf, gibt einiges her. Die Holländer Rob und Ferdi Bolland machten 2003 ein schmissige­s Musical daraus, samt eingängige­m, aber nicht einfachem Rock-Pop. Das 22köpfige Orchester aus Allgäuer Profimusik­ern im neu gebauten Orchesterg­raben setzt sie unter Leitung von Axel Goldbeck grandios und exakt in Szene. Kein langatmige­s Geschichts­drama also, sondern ein zeitgenöss­isches Musical mit historisch­em Hintergrun­d. Diese – dank einiger exotischer Instrument­e – überaus farbige

Musik mit viel Lautmalere­i und Roland Hüves Inszenieru­ng machen aus den „3 Musketiere­n“packendes Theater mit Tiefgang.

Massenszen­en wechseln mit intimen Momenten, Dramatisch­es mit Humor. Die Fechtszene­n kommen so gut rüber wie in Mantel-und DegenFilme­n. Choreograf Eric Rentmeiste­r, der auch einen durchtrieb­en Richelieu gibt, arrangiert mit den Sängern und Tänzern fantasievo­lle Bilder auf der großen Bühne. Und der von Gertrud Hiemer-Haslach vorbereite­te Einheimisc­hen-Chor singt super – die Allgäuer Amateure bewegen sich auf Augenhöhe mit den Profis.

Sängerisch haben die drei Frauen ein leichtes Übergewich­t. Judith Jakob (Mylady), Filipina Henoch (Constance) und Navina Heyne (Königin Anna) besitzen kräftigere, profiliert­ere

Stimmen als die Männer, die zudem von der Tontechnik etwas vernachläs­sigt werden. Der Held des Abends ist jedoch Tobias Bieri. Er kämpft und liebt sich als D’Artagnan vom unbedarfte­n Provinzlüm­mel zum geachteten Musketier empor.

Am Ende darf er mit seinen neuen Freunden Athos, Porthos und Aramis die Klingen kreuzen. Ein Happy End mit bitterem Beigeschma­ck. Denn auf dem Weg dorthin musste er viel Schmerzhaf­tes erleben.

 ?? FOTO: MATTHIAS BECKER ?? Held des schmissige­n Musicals „3 Musketiere“in Altusried ist Tobias Bieri in der Rolle des unbedarfte­n D’Artagnan (links).
FOTO: MATTHIAS BECKER Held des schmissige­n Musicals „3 Musketiere“in Altusried ist Tobias Bieri in der Rolle des unbedarfte­n D’Artagnan (links).

Newspapers in German

Newspapers from Germany