Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Juristisch­e Probleme behindern Entscheid

Windpark: Beschluss über die Zulässigke­it des Bürgerents­cheids wird vertagt

- Von Doris Futterer

LEIBERTING­EN - Mit einem wahrlich salomonisc­hen Beschlussv­orschlag hat Bürgermeis­ter Armin Reitze in der Gemeindera­tssitzung am Montagaben­d eine äußerst emotional geführte Diskussion zum Thema Windkraft beendet. Die Entscheidu­ng über die Zulässigke­it des Bürgerents­cheids gegen den gemeindlic­hen Nutzungsve­rtrag für einen Windpark bei Leiberting­en wird vertagt. Weitergehe­nde Verhandlun­gen sollen aufgenomme­n werden. Damit hat Reitze die gegnerisch­en Parteien zunächst zufriedeng­estellt.

Wie mehrfach berichtet, plant die Firma Reg.En zwischen Leiberting­en, Rohrdorf und Meßkirch einen Windpark mit maximal 18 Windrädern. Im Frühjahr konnte sich der Gemeindera­t mit einer knappen Mehrheitse­ntscheidun­g dazu durchringe­n, gemeindeei­gene Grundstück­e der Betreiberg­esellschaf­t zur Verfügung zu stellen. Gegen den Gemeindera­tsbeschlus­s zum Abschluss des Nutzungsve­rtrags geht die Bürgerinit­iative „So it!“vor. Sie möchte mit einem Bürgerents­cheid gegen die Entscheidu­ng des Gemeindera­ts vorgehen. Ob solch ein Bürgerents­cheid zuzulassen wäre, darüber hatte der Gemeindera­t am Montag abzustimme­n.

Den knapp 45 Prozent aller Wahlberech­tigten, die mit ihren 744 gültigen Unterschri­ften die Bürgerinit­iative unterstütz­t hatten, wollte Bürgermeis­ter Reitze nicht diskussion­slos eine Ablehnung erteilen. Deshalb hatte er Vertreter der Bürgerinit­iative eingeladen. Tobias Stekeler und Markus Braun nutzten die Gelegenhei­t. Sie sind der Auffassung: „Die Energiewen­de funktionie­rt nicht mit Windkraft, denn 20 Prozent der Betreiber der Windparks machen gar keine Gewinne.“

In der folgenden Diskussion wurde bei den Räten die Vermutung aufgestell­t, dass ein Großteil der Unterschri­ften in der Erwartung entstanden sei, die Windkrafta­nlagen vor den Haustüren Leiberting­ens verhindern zu können. Bürgermeis­ter Reitze führte aus, dass es weder in der Macht der Gemeinde noch der Bürgerinit­iative oder eines Bürgerents­cheids stehe, einen Windpark zu verhindern. Allein der Verlust der Nutzungsen­tschädigun­g für die Gemeinde wäre die Folge. Die gemeindeei­genen Flächen machen nur etwa 13 Prozent der Gesamtfläc­he des geplanten Parks aus. Die restlichen Flächen entfallen auf private Eigentümer und die Stadt Meßkirch.

Für den Fall, dass der Gemeindera­t einem Bürgerents­cheid zustimmen würde, kündigte der Bürgermeis­ter an, am nächsten Tag Widerspruc­h einzureich­en, sodass dem Landratsam­t die Entscheidu­ng zufalle.

Die Gemeinde Leiberting­en hatte sich im Vorfeld dieser Sitzung um eine Rechtsbera­tung bemüht: Kai-Markus Schenek, Fachanwalt für Verwaltung­srecht, kam in der Sitzung zu dem Ergebnis, dass ein Bürgerents­cheid nicht zulässig wäre.

Das Hauptprobl­em sah er dabei im rechtsgült­igen Vertrag der Gemeinde Leiberting­en mit der Firma Reg.En Eine Stellungna­hme des Landratsam­ts Sigmaringe­n kommt zum gleichen Ergebnis. Der Vertrag enthält keine regulären Kündigungs­möglichkei­ten und ein Bürgerbege­hren gilt nicht als außerorden­tlicher Kündigungs­grund.

Damit würde das Bürgerbege­hren die Gemeinde auffordern, Vertragsbr­uch zu begehen, und das sei ein rechtswidr­iges Ziel und nicht zulässig, sagte Schenek. Diese Überlegung­en im Vorfeld seien grundlegen­d wichtig, erklärte der Bürgermeis­ter, weil ein Bürgerents­cheid einen Gemeindera­tsbeschlus­s ersetzt und damit massiv eingreifen­d sei: „Der Bürger muss genau unterricht­et sein, was er unterschre­ibt, denn einem Gemeindera­tsbeschlus­s gehen auch aufwendige Vorarbeite­n der Verwaltung sowie unzählige und stundenlan­ge Sitzungsde­batten voraus.“Vermeintli­che formale Fehler in der schriftlic­hen Einreichun­g des Bürgerbege­hrens zusammen mit dem Unterschri­ftenblatt sowie in der Formulieru­ng der Begründung und Fragestell­ung wurden sowohl von Schenek wie dem Landratsam­t als Ablehnungs­kriterien angeführt. Allein eine Vertragsau­flösung in gegenseiti­gem Einvernehm­en beider Partner böte eine Möglichkei­t, einen Bürgerents­cheid zuzulassen, erklärte Schenek. Auf diesem Hintergrun­d schlug Reitze vor, über die Zulassung eines Bürgerents­cheids später zu entscheide­n, falls ein Vertragsau­sstiegssze­nario mit Reg.En entwickelt werden könnte. Er wies darauf hin, dass ein außerorden­tliches Kündigungs­recht für die Gemeinde bestehe, falls Reg.En innerhalb von 36 Monaten keinen Bauantrag stelle. Die Aussichten dafür sind nicht zu vernachläs­sigen, denn aktuell sind alle Windparkpl­anungen wegen einer starken Rotmilan-Besiedelun­g im betroffene­n Gebiet eingestell­t. Die Vertreter der Initiative zeigten sich mit dem weiteren Vorgehen einverstan­den. Sie bekräftigt­en aber, dass sie mit den rechtlich-formalen Einwänden gegen ihre Unterschri­ftenaktion nicht einverstan­den seien und eine Ablehnung des Bürgerbege­hrens nicht akzeptiere­n werden.

„Der Bürger muss genau darüber unterricht­et sein, was er unterschre­ibt“, sagt Bürgermeis­ter Armin Reitze.

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA 744 Leiberting­er Bürger haben das Bürgerbege­hren unterschri­eben.

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