Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Zur Blutspende gibt es keine Alternative“
In Ferienzeiten gibt es weniger Spender – Das kann problematische Folgen haben
STUTTGART - Vor allem in Ferienzeiten bangen die Blutspendedienste um genügend Spender – so war es während dieser Pfingstferien, so wird es auch in den Sommerferien wieder sein. Professor Hubert Schrezenmeier leitet das Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm – ein gemeinnütziges Gemeinschaftsunternehmen des Blutspendedienstes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Baden-Württemberg-Hessen und des Universitätsklinikums Ulm. Im Gespräch mit Kara Ballarin erklärt er, warum der Bedarf an Blut in den vergangenen fünf Jahren gesunken ist, künftig aber wieder steigen wird.
Herr Schrezenmeier, im September vergangenen Jahres hat der DRK-Blutspendedienst einen akuten Versorgungsengpass verkündet. Wie kommt so etwas?
Wir führen täglich eine Bestandsaufnahme durch und kennen die geplanten Spendenaktionen. Wenn wir sehen, dass wir uns einem Mangel nähern, starten wir Spendenaufrufe, schreiben Mehrfachspender direkt an und wenden uns an die Medien. Vergangenen Spätsommer war das kritisch, weil das Spendenaufkommen wegen Ferienzeit und anhaltender Hitze stark gesunken war.
Kommt so etwas häufiger vor?
Es kommt immer mal wieder vor. Ganz akut war das im Sommer 2006, als Fußball-WM in Deutschland, ein heißer Sommer und Ferienzeit war. Da haben wir den Kliniken und Praxen, die wir mit Blutpräparaten beliefern, die Knappheit kommuniziert. Geplante Operationen mussten verschoben werden. Kritisch war das damals auch deshalb, weil Blut überall in Deutschland knapp wurde. Die Zusammenarbeit der Institute über Bundesländergrenzen hinweg hilft normalerweise wegen der zum Teil unterschiedlichen Ferienzeiten.
Wie war die Lage in den Pfingstferien, wo es ja auch sehr heiß war?
Die Spendenwerte lagen zehn Prozent unter unseren Planungen. Kritisch war die Situation zwar nicht, aber wir haben in der zweiten Ferienwoche verstärkt auf die Notwendigkeit von Blutspenden hingewiesen.
Warum bunkern Sie nicht vor den Ferien einfach mehr Blut?
Wir können keine größeren Vorräte anlegen. Wir trennen das Blut in seine einzelnen Komponenten auf. Blutkörperchen-Präparate sind fünf Wochen lagerbar, Blutplättchen aber nur vier Tage. Dadurch bleibt für uns der Druck das ganze Jahr über bestehen.
Der Verbrauch an BlutkörperchenPräparaten ist in den vergangenen fünf Jahren von 4,34 auf 3,46 Millionen Einheiten gesunken. Warum?
Vor allem in der Chirurgie hat sich inzwischen viel bewegt. Bei Operationen wird weniger Blut benötigt, weil der Blutverlust minimiert wurde – etwa dadurch, dass ein großer Schnitt vermehrt durch Endoskopie, also durch die sogenannte Schlüssellochchirurgie, ersetzt werden konnte. Was etwa bei Blinddarmoperationen schon länger üblich war, wird nun vermehrt auch in der Herzchirurgie angewendet. Hinzu kommen weitere Entwicklungen – dass etwa das Blut eines Patienten bei der Operation aufgefangen, aufbereitet und ihm dann wieder verabreicht wird.
Müssen deshalb weniger Menschen zur Blutspende gehen?
Nein, das ist ein Trugschluss. Zum einen werden Blutplättchen-Präparate weiterhin stabil nachgefragt, und gerade die lassen sich nur sehr kurz lagern. Zum anderen brauchen wir noch immer jedes Jahr 3,5 Millionen Einheiten der roten BlutkörperchenPräparate. Außerdem rechnen wir damit, dass der Bedarf wieder steigen wird. Für Menschen ab Mitte steigt der Transfusionsbedarf deutlich an. Demografisch gesehen werden wir immer älter, haben mehr Krankheiten. Außerdem wandern die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten „Babyboomer“, so langsam in diese Altersgruppe hinein.
Kann man Blut nicht synthetisch herstellen?
Nein, zur Blutspende gibt es keine Alternative. Es wird zwar intensiv daran geforscht. Die Wissenschaft ist aber noch sehr weit davon entfernt, Blutkomponenten in ausreichender Menge und zu einem bezahlbaren Preis herstellen zu können – wenn es ihr überhaupt irgendwann gelingen wird.