Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kritiker: „Es geht eigentlich um das Biogas“
Rund 200 Demonstranten gehen gegen einen Riesenkuhstall bei Ostrach auf die Straße
SIGMARINGEN - Über 200 Menschen sind am Samstag dem Aufruf zu einer Kundgebung gegen Massentierhaltung gefolgt und haben auf dem Leopoldplatz gegen den geplanten 1000-Kühestall bei Ostrach demonstriert. Mehrere Redner beleuchteten unterschiedliche Problemstellungen, die ein solches Projekt für Tier, Umwelt und letztlich auch den Menschen mit sich bringt.
Dabei wurde auch geharnischte Kritik an den Beschlüssen des Ostracher Gemeinderats geäußert, die bis auf die Gegenstimme von Wolfgang Frey fraktionsübergreifend für den von vier Landwirten geplanten Agrarindustriebetrieb gestimmt haben. „Dabei geht es nicht um die Tiere, die Milch oder das Fleisch“, sagte Demonstrantin Viola Haug, „es geht um das Biogas, mit dem Kohle gemacht werden soll“. Ihre Mitstreiterin Carola Hauser, im aussagekräftigem T-Shirt samt gleich gekleidetem Hund Beefy, brachte es auf den Punkt: „Es gibt halt Leute, die machen aus Sch... Geld“.
Beide erzählen, dass das Aktionsbündnis, bestehend aus dem Vegetarierbund „Vebu“, „Lebenshilfe Kuh & Co“, „Peta Zwei Street Team“, dem BUND Pfullendorf, dem NABU, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Bürgerinitiative gegen den gewerblichen 1000-Kühestall im Dorf Hahnennest bei Ostrach sowie das „Greenteam Schwabenpower“und andere über Facebook bis Samstag über 25 000 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt haben.
Annamaria Waibel vom BUND Pfullendorf gab einen Überblick über die Fakten. Für den Megastall in Hahnennest, das näher an Pfullendorf als an Ostrach liegt, habe der Flächennutzungsplan geändert und ein Bebauungsplan aufgestellt werden müssen. „Hier geht es nicht um bäuerliche Landwirtschaft, sondern um Agrarindustrie“, hielt sie fest. Die vier Landwirte bewirtschaften bereits über 1000 Hektar und hätten schon tausende Schweine, 200 Kühe und Kälber sowie die größte Biogasanlage in Baden-Württemberg. „Nach eigenen Aussagen verstehen sie sich als Unternehmer“.
Kleibäuerliche Existenzen werden gefährdet
Doch „wachsen oder weichen“sei eine aus den vorigen Jahrhundert stammende Ideologie, die weltweit Schaden angerichtet habe. Neun Millionen Liter Milch pro Jahr vor dem Hintergrund eines übersättigtem Milchmarkts sei eines der Argumente, die gegen den Megastall sprechen. Dazu käme, dass die hier gewonnene Milch billiger produziert werden kann, was den kleinbäuerlichen Betrieben der Region die Existenz kosten könne. Waibel ging davon aus, dass bei dem entstehenden Verdrängungswettbewerb 25 bis 30 Kleinbetriebe auf der Strecke bleiben werden. Dazu käme die Überdüngung der Böden mit Folgen für die Artenvielfalt und Nitrat im Grundwasser. Schon jetzt seien in manchen Gegenden, beispielsweise im Andelsbachtal, die Grenzwerte von 50 Milligramm Nitrat pro Liter nahezu erreicht. Sie monierte, dass es bisher keine Umweltverträglichkeitsprüfung für den Großkuhstall gibt, der zwischen den FFH-Schutzgebieten Taubenried und Pfrungener-Burgweiler Ried geplant ist. Sie befürchtet, dass bei Realisierung dieses Großprojekts ein Präzedenzfall geschaffen wird.
Karl-Magnus Friedrich aus Ostrach sparte in seinem öffentlichen Statement nicht mit knackigen Formulierungen. Die größte Bedrohung der Menschheit sah er nicht in Naturkatastrophen, raffgierigen Managern oder skrupellosen Politikern: „Sie geht von einer einzigartigen, weltumspannenden, alle Dimensionen sprengenden Gruppendummheit der Menschen aus“. Sie sei die einzige Weltmacht, die seit Jahrtausenden Bestand habe. „Die herrschende Dummheit ist auch die Dummheit der Herrschenden“, sagte er unter dem Beifall der Zuhörer. Deshalb sei es lohnend, der „Basisblödheit“des Landwirtequartetts auf den Grund zu gehen, befand Friedrich. Denn um den Betrieb der Gasanlage sicherzustellen, seien sie auf die Idee gekommen, „Sch... zu produzieren“, wozu unabhängig von deren Wohl 1000 Kühe und ebenso viele Kälber nötig seien.
Weitere Bilder zur Demonstration gibt es unter www.schwaebische.de/ rinderdemo