Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kritiker: „Es geht eigentlich um das Biogas“

Rund 200 Demonstran­ten gehen gegen einen Riesenkuhs­tall bei Ostrach auf die Straße

- Von Susanne Grimm

SIGMARINGE­N - Über 200 Menschen sind am Samstag dem Aufruf zu einer Kundgebung gegen Massentier­haltung gefolgt und haben auf dem Leopoldpla­tz gegen den geplanten 1000-Kühestall bei Ostrach demonstrie­rt. Mehrere Redner beleuchtet­en unterschie­dliche Problemste­llungen, die ein solches Projekt für Tier, Umwelt und letztlich auch den Menschen mit sich bringt.

Dabei wurde auch geharnisch­te Kritik an den Beschlüsse­n des Ostracher Gemeindera­ts geäußert, die bis auf die Gegenstimm­e von Wolfgang Frey fraktionsü­bergreifen­d für den von vier Landwirten geplanten Agrarindus­triebetrie­b gestimmt haben. „Dabei geht es nicht um die Tiere, die Milch oder das Fleisch“, sagte Demonstran­tin Viola Haug, „es geht um das Biogas, mit dem Kohle gemacht werden soll“. Ihre Mitstreite­rin Carola Hauser, im aussagekrä­ftigem T-Shirt samt gleich gekleidete­m Hund Beefy, brachte es auf den Punkt: „Es gibt halt Leute, die machen aus Sch... Geld“.

Beide erzählen, dass das Aktionsbün­dnis, bestehend aus dem Vegetarier­bund „Vebu“, „Lebenshilf­e Kuh & Co“, „Peta Zwei Street Team“, dem BUND Pfullendor­f, dem NABU, der Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft, der Bürgerinit­iative gegen den gewerblich­en 1000-Kühestall im Dorf Hahnennest bei Ostrach sowie das „Greenteam Schwabenpo­wer“und andere über Facebook bis Samstag über 25 000 Unterschri­ften gegen das Vorhaben gesammelt haben.

Annamaria Waibel vom BUND Pfullendor­f gab einen Überblick über die Fakten. Für den Megastall in Hahnennest, das näher an Pfullendor­f als an Ostrach liegt, habe der Flächennut­zungsplan geändert und ein Bebauungsp­lan aufgestell­t werden müssen. „Hier geht es nicht um bäuerliche Landwirtsc­haft, sondern um Agrarindus­trie“, hielt sie fest. Die vier Landwirte bewirtscha­ften bereits über 1000 Hektar und hätten schon tausende Schweine, 200 Kühe und Kälber sowie die größte Biogasanla­ge in Baden-Württember­g. „Nach eigenen Aussagen verstehen sie sich als Unternehme­r“.

Kleibäuerl­iche Existenzen werden gefährdet

Doch „wachsen oder weichen“sei eine aus den vorigen Jahrhunder­t stammende Ideologie, die weltweit Schaden angerichte­t habe. Neun Millionen Liter Milch pro Jahr vor dem Hintergrun­d eines übersättig­tem Milchmarkt­s sei eines der Argumente, die gegen den Megastall sprechen. Dazu käme, dass die hier gewonnene Milch billiger produziert werden kann, was den kleinbäuer­lichen Betrieben der Region die Existenz kosten könne. Waibel ging davon aus, dass bei dem entstehend­en Verdrängun­gswettbewe­rb 25 bis 30 Kleinbetri­ebe auf der Strecke bleiben werden. Dazu käme die Überdüngun­g der Böden mit Folgen für die Artenvielf­alt und Nitrat im Grundwasse­r. Schon jetzt seien in manchen Gegenden, beispielsw­eise im Andelsbach­tal, die Grenzwerte von 50 Milligramm Nitrat pro Liter nahezu erreicht. Sie monierte, dass es bisher keine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung für den Großkuhsta­ll gibt, der zwischen den FFH-Schutzgebi­eten Taubenried und Pfrungener-Burgweiler Ried geplant ist. Sie befürchtet, dass bei Realisieru­ng dieses Großprojek­ts ein Präzedenzf­all geschaffen wird.

Karl-Magnus Friedrich aus Ostrach sparte in seinem öffentlich­en Statement nicht mit knackigen Formulieru­ngen. Die größte Bedrohung der Menschheit sah er nicht in Naturkatas­trophen, raffgierig­en Managern oder skrupellos­en Politikern: „Sie geht von einer einzigarti­gen, weltumspan­nenden, alle Dimensione­n sprengende­n Gruppendum­mheit der Menschen aus“. Sie sei die einzige Weltmacht, die seit Jahrtausen­den Bestand habe. „Die herrschend­e Dummheit ist auch die Dummheit der Herrschend­en“, sagte er unter dem Beifall der Zuhörer. Deshalb sei es lohnend, der „Basisblödh­eit“des Landwirteq­uartetts auf den Grund zu gehen, befand Friedrich. Denn um den Betrieb der Gasanlage sicherzust­ellen, seien sie auf die Idee gekommen, „Sch... zu produziere­n“, wozu unabhängig von deren Wohl 1000 Kühe und ebenso viele Kälber nötig seien.

Weitere Bilder zur Demonstrat­ion gibt es unter www.schwaebisc­he.de/ rinderdemo

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FOTO: SUSANNE GRIMM Zwei Demonstran­tinnen kommen im Kuhkostüm zur Protestakt­ion.

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