Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Katastrophales Busunglück in Oberfranken
Viele Tote nach Unfall auf der A 9 – Debatte um zu späte Bildung der Rettungsgasse
MÜNCHBERG/RAVENSBURG - Trauer, Ratlosigkeit und Entsetzen über das Verhalten mancher Autofahrer herrschen nach dem schweren Busunglück am Montag auf der Autobahn 9 in Oberfranken. Im Norden Bayerns verbrannten nach dem Unfall 18 Menschen in einem Reisebus, 30 weitere wurden verletzt – einige schwer. „Was wir gesehen haben, ist erschreckend, wie man es sich kaum vorstellen kann“, sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vor Ort. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprachen den Angehörigen ihr Mitgefühl aus.
Kurz nach 7.00 Uhr war das Fahrzeug nahe Münchberg im Landkreis Hof bei stauendem Verkehr auf einen Sattelzug geprallt. Der Bus fing Feuer und stand laut Feuerwehr rasch „lichterloh in Flammen“. Vom Fahrzeug blieb nur ein verkohltes Wrack. Zuvor saßen darin 46 Fahrgäste zwischen 41 bis 81 Jahren, darunter viele Senioren aus Sachsen. Ein 55 Jahre alter Busfahrer kam ums Leben, sein Kollege wurde verletzt.
Wie aus einem leichten Auffahrunfall eine Brandtragödie werden konnte, bleibt rätselhaft. Berthold Färber, Experte für Verkehrssicherheit der Bundeswehruniversität München, sagte zur „Schwäbischen Zeitung“: „Dass Busse so schnell in Brand geraten und komplett ausbrennen, stellt eine extreme Ausnahme dar. Warum das im vorliegenden Unfall der Fall war, ist für mich noch völlig unklar.“Busse hätten den Motor im Heck und auch die Tanks so verbaut, dass sie bei einem Aufprall in der Regel geschützt seien: „Hier müssen Umstände zusammengekommen sein, die noch geklärt werden müssen.“Andere Experten spekulierten am Montag über eine abgerissene Kraftstoffleitung, einen Kurzschluss im Armaturenbrett oder einen Brand, der sich vor dem Unfall unentdeckt entwickelt hat.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) beklagte ein „völlig unverantwortliches Verhalten“mancher Autofahrer im Stau. Sie hätten es den Rettern erschwert, zum Unfallort zu kommen. Nach einem Unfall sei „sofort eine Rettungsgasse zu bilden – und zwar so, dass ein Lkw durchkommen kann“.
MÜNCHBERG/NÜRNBERG (dpa) Der Bus war kein überaltertes Fahrzeug, der Mann am Lenkrad ein Profi mit Auszeichnung für sicheres Fahren: Das Busunglück auf der Autobahn 9 in Nordbayern ist einer der schwersten Unfälle der vergangenen Jahre auf deutschen Straßen. In das Entsetzen über das grauenvolle Unglück mischt sich Ärger über Gaffer und Autofahrer, die die Rettungsarbeiten behinderten.
Die Seniorenreisegruppe war am Montagmorgen mit dem Bus von Sachsen aus auf dem Weg in Richtung Gardasee. Aus noch ungeklärter Ursache fuhr der Reisebus auf einen Lastwagen auf und fing Feuer. Das Fehrzeug brannte komplett aus, nur ein Stahlgerippe blieb übrig. In dem Bus saßen 46 Reisende sowie zwei Fahrer. 18 Menschen starben in den Flammen, 30 weitere Reisende wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Unter den Todesopfern ist auch einer der beiden Busfahrer.
Der Anhänger des Sattelzugs brannte ebenfalls aus. Der an dem Unfall beteiligte Lasterfahrer erlitt einen Schock. Warum sich so schnell ein so heftiges Feuer entwickelt habe, muss nun geklärt werden. Bei der Reisegruppe handelte es sich um Männer und Frauen im Alter von 41 bis 81 Jahren, die überwiegend aus Sachsen kamen. Aber auch Reisende aus anderen Bundesländern waren laut dem sächsischen Innenstaatssekretär Michael Wilhelm (CDU) dabei. Dem brandenburgischen Innenministerium zufolge gehörten mindestens vier Brandenburger dazu, die das Unglück überlebten.
Der bayerische Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) beklagte ein „völlig unverantwortliches und beschämendes Verhalten“mancher Autofahrer. Weil die Rettungsgasse nicht breit genug war, hätten vor allem die großen Einsatzfahrzeuge wertvolle Zeit verloren. Auf der Gegenfahrbahn hätten zudem einige Gaffer beinahe weitere Unfälle verursacht. Herrmann betonte trotzdem: „Es ist so schnell wie irgend möglich Hilfe geleistet worden.“Etwa 100 Polizisten und mehr als 150 Rettungskräfte waren im Einsatz.
Die Bundesländer wollen indes deutlich höhere Bußgelder für Autofahrer verhängen, die eine Rettungsgasse blockieren, als bislang von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geplant. Das berichtete die „Saarbrücker Zeitung“am Montag. Nach dem Willen der Länder solle die Strafzahlung von derzeit 20 Euro auf 105 Euro erhöht werden, wenn Verkehrsteilnehmer in einem Notfall keine Rettungsgasse bilden, berichtet das Blatt. Je nach Schwere der Verfehlung solle das Bußgeld dann gestaffelt bis auf 165 Euro steigen. Die Länder kritisieren den Vorstoß von Dobrindt als zu niedrig. Seine Pläne sehen lediglich 55 bis maximal 115 Euro vor.
Schnelle Aufklärung versprochen
Der Bus gehörte nach dpa-Informationen einem Unternehmen aus dem sächsischen Löbau nahe Görlitz. Der Inhaber bestätigte der „Sächsischen Zeitung“, dass der Bus dort in der Nacht mit dem Ziel Gardasee losgefahren war. Er habe in Weißwasser in der Oberlausitz, in Senftenberg (Brandenburg) und Dresden Fahrgäste aufgenommen.
Laut dem Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer war der Bus drei Jahre alt und zuletzt im April vom Tüv ohne Beanstandung überprüft worden. Der Fahrer, der den Reisebus zum Unfallzeitpunkt lenkte und starb, war demnach seit mehr als zehn Jahren bei seiner aktuellen Firma beschäftigt und wurde vor vier Jahren für langjähriges unfallfreies und sicheres Fahren ausgezeichnet.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) versprach eine schnelle Aufklärung der Unfallursache. Wie sein sächsischer Amtskollege Stanislaw Tillich (CDU) sprach der CSU-Chef den Angehörigen sein Beileid aus. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprachen ihr Mitgefühl aus.