Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Neue Erkenntnis­se zu Amri

Offenbar noch mehr Beamte an Manipulati­onen beteiligt

-

BERLIN (AFP) - Der Berliner Sonderermi­ttler im Fall Anis Amri, Bruno Jost, geht davon aus, dass mehr Beamte des Berliner Landeskrim­inalamts (LKA) als bisher bekannt an den nachträgli­chen Aktenmanip­ulationen beteiligt waren. „Es spricht einiges dafür, dass die Fachaufsic­ht ganz oder teilweise versagt hat“, sagte Jost am Montag im Innenaussc­huss des Abgeordnet­enhauses. Bei vollständi­ger rechtzeiti­ger Weitergabe aller Erkenntnis­se der Kommunikat­ionsüberwa­chung hätte die Staatsanwa­ltschaft ein Verfahren gegen Amri wegen gewerbsmäß­igen Drogenhand­els einleiten können. Dass diese Erkenntnis­se vorlagen, habe durch die nachträgli­che Aktenmanip­ulation am 18. Januar verschleie­rt werden sollen.

Der Tunesier Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen gekapert und damit auf einem Weihnachts­markt zwölf Menschen ermordet.

BERLIN (AFP) - Durch Versäumnis­se des Berliner Landeskrim­inalamts (LKA) ist eine frühzeitig­e Festnahme des späteren Weihnachts­markt-Attentäter­s Anis Amri möglicherw­eise verhindert worden. Das sagte der vom Berliner Senat beauftragt­e Sonderermi­ttler zum Anschlag vom 19. Dezember 2016, Bruno Jost, am Montag im Abgeordnet­enhaus bei der Vorstellun­g seines Zwischenbe­richts. Demnach habe es Erkenntnis­se über den Drogenhand­el Amris gegeben. Später hätten die Behörden versucht, dieses Versagen durch Unterlagen­fälschung zu verschleie­rn.

Jost belastete insbesonde­re den Kriminalob­erkommissa­r L. von der für Staatsschu­tz zuständige­n LKAAbteilu­ng 5. Dieser habe seit August 2016 den Auftrag gehabt, Erkenntnis­se aus der Überwachun­g Amris zu dessen Drogenhand­el zusammenzu­fassen und eine Strafanzei­ge zu erstellen. „Eine rechtzeiti­ge und vollständi­ge Unterricht­ung der Staatsanwa­ltschaft erfolgte jedoch nicht“, sagte Jost. Die Staatsschu­tzobservat­ion Amris war im Juli mangels Erkenntnis­sen und ausreichen­den Personals eingestell­t worden. Im September endete auch die Überwachun­g Amris. Wie Jost berichtete, hätte die Staatsanwa­ltschaft mit den Erkenntnis­sen der Staatsschü­tzer einen Haftbefehl erlassen oder eine fortgesetz­te Überwachun­g Amris eingeleite­t. Demnach handelte Amri mit erheblich größeren Mengen Drogen als bekannt.

Aus den Unterlagen ergab sich für Jost, dass das zuständige Kommissari­at erst mehrere Wochen nach der Vereinbaru­ng vom August einen Bericht erstellte. Die von der Kriminalko­mmissarin W. auf zehn Seiten zusammenge­fassten Erkenntnis­se wurden demnach am 4. November im Polizeisys­tem Poliks abgelegt.

W. sei darin nach Rücksprach­e mit Rauschgift­ermittlern zu dem Schluss gekommen, dass Amri dringend des gewerbsmäß­igen und bandenmäßi­gen Drogenhand­els verdächtig sei. Doch nach Erstellung des Berichts ruhte der Vorgang. Eine automatisc­h von Poliks erstellte Erinnerung, die auf den noch offenen Vorgang hinwies, sei von der Kommissari­atsleitung ignoriert worden. Laut Jost spreche „einiges dafür, dass die Fachaufsic­ht ganz oder teilweise versagt hat“.

L. sei nach dem Anschlag wiederholt von der Rauschgift­staatsanwa­ltschaft nach seinem Bericht gefragt worden, sagte Jost. Das schließlic­h am 19. Januar übermittel­te Dokument habe aber eine inhaltlich verfälscht­e und rückdatier­te Version des Originalbe­richts vom November enthalten. Der Umfang war von zehn auf vier Seiten verkürzt worden. Anstelle von 72 ausgewerte­ten Überwachun­gsprotokol­len waren laut Jost nur noch sechs „nichtssage­nde Protokolle“beigefügt. Die beiden Mittäter von Amris Drogenband­e seien von L. ganz gelöscht worden. Es sei nur noch von Kleinhande­l die Rede gewesen.

Der Kriminalob­erkommissa­r habe mutmaßlich „eigene Versäumnis­se verschleie­rn“wollen, sagte Jost.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Sonderbeau­ftragte des Berliner Senats, Bruno Jost.
FOTO: DPA Der Sonderbeau­ftragte des Berliner Senats, Bruno Jost.

Newspapers in German

Newspapers from Germany