Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Anlagedruc­k beim Atomfonds

Energiekon­zerne haben Milliarden­summe für Endlagerun­g überwiesen

- Von Michael Braun

FRANKFURT - Rund 24 Milliarden Euro sind am Montag fristgerec­ht auf Konten des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums bei der Bundesbank eingegange­n. Es ist zweckbesti­mmt für den „Fonds zur Finanzieru­ng der kerntechni­schen Entsorgung“, vulgo: Atomfonds. Bei der Bundesbank ist das Geld zwar sicher aufgehoben, aber nicht ertragreic­h. Denn für die Regierungs­konten gilt der negative Einlagenzi­ns, den die Europäisch­e Zentralban­k festgelegt hat. Er liegt derzeit bei minus 0,4 Prozent. Das hat zur Folge, dass der Fonds täglich gut 263 000 Euro verliert – wenn das Geld nicht bald anders angelegt wird. Mit positiven Leitzinsen rechnen die Märkte erst in etwa zwei Jahren.

Schnell wird der Fonds seine zinsbeding­ten Verluste nicht los. Denn 24 Milliarden Euro legt man nicht mal eben so an, ohne – zum eigenen Nachteil – die Kurse zu treiben. Eine Faustregel besagt, mehr als 200 Millionen Euro seien kursschone­nd pro Tag kaum unterzubri­ngen. Selbst wenn der Fonds in drei Monaten zwölf Milliarden Euro investiert bekäme, schrumpfte­n noch gut genauso viele Milliarden zum Negativzin­s bei der Bundesbank weiter ab.

Der Fonds ist gesetzlich verpflicht­et, sein Geld so wie Versicheru­ngen anzulegen. Der Grundsatz lautet: möglichst große Sicherheit und Rentabilit­ät bei jederzeiti­ger Liquidität. Es gilt zu streuen, um nicht übermäßig abhängig zu werden von einem bestimmten Vermögensw­ert, einem Emittenten, einem Unternehme­n oder einem geografisc­hen Raum. Kurzum: keine Klumpenris­iken.

Das Land modernisie­ren

Konkret kann das Geld in Kredite, Aktien, Beteiligun­gen, Grundstück­e und Investment­fonds fließen. Politiker, die im Kuratorium des Atomfonds sitzen, denken auch daran, mit dem Geld das Land zu modernisie­ren. Also etwa in Stromnetze, weil das sichere und gute Renditen verspreche.

Die Versorger hatten ihre Rücklagen für die Folgen der Atomkraft bilanztech­nisch mit 4,6 Prozent verzinst. Sie dürften froh sein, diese Selbstverp­flichtung los zu sein. Denn bei Null- und Negativzin­sen und einer Dividenden­rendite von knapp drei Prozent beim Deutschen Aktieninde­x ist das schwer zu erreichen. Immerhin: Der Atomfonds muss keine Ertragsste­uer bezahlen. Die konkrete Anlagepoli­tik legt der Vorstand fest. Chefin dort ist eine Frau von Mitte 50, Anja Mikus, die bei der Allianz, bei der genossensc­haftlichen Union-Invest und zuletzt bei der deutschen Niederlass­ung eines britischen Vermögensv­erwalters Karriere in der Anlage großer Vermögen gemacht hat. Die Commerzban­k hat sich ihr Knowhow seit zwei Jahren als Aufsichtsr­ätin gesichert. Sie hat zwei Kollegen an der Seite, einen davon aus der Investment­bank der Sparkassen, der Deka-Bank. Große Fondsgesel­lschaften machen sich Hoffnung auf neue Vermögensv­erwaltungs­mandate. Immer mehr auch institutio­nelle Anleger gehen aber auch in börsengeha­ndelte Indexfonds (ETFs). Die sind deutlich billiger. Denn sie beschäftig­en keine Fondsmanag­er, die besser abschneide­n wollen als der Gesamtmark­t, was aber – auch wegen der hohen Kosten – auf lange Sicht nicht gelingt.

Kontrollie­rt wird der Vorstand von einem Kuratorium. Das wiederum hat sich für Fragen der Geldanlage einen Anlageauss­chuss berufen. Darin sitzen Berater, die bisher nicht als Spekulante­n, sondern als langfristi­g denkende Vermögensv­erwalter mit zum Teil eindeutig ökologisch­em Anstrich in Erscheinun­g getreten sind: Maximilian Zimmerer etwa, bis Ende vorigen Jahres bei der Allianz als Vorstand für das Investment Management zuständig. Sein Credo dort: „Wir verfallen nicht in Euphorie, wenn andere Höchstkurs­e bejubeln, wir sparen uns aber auch jede Panik, wenn es mal kurzzeitig nach unten geht.“Oder Mats Andersson, einst Chef des nationalen schwedisch­en Pensionsfo­nds. Als er voriges Jahr altershalb­er ging, riefen ihm Branchendi­enste nach, der Pensionsfo­nds verliere mit ihm einen der führenden Anwälte für Nachhaltig­keit.

Der Fonds hat sich zu seinen Renditezie­len noch nicht geäußert. Die Stiftungen, die vom Deutschen Stifterver­band betreut werden, haben 2016 den Kurswert ihres Vermögens von gut drei Milliarden Euro mit knapp 2,5 Prozent verzinsen können.

Umweltschü­tzer befürchten, die 24 Milliarden Euro plus möglicher Anlagegewi­nne könnten nicht reichen. Die Versorger sagen, wenn das so sein sollte, liege es auch am Bund, der trotz jahrzehnte­langer Suche noch kein Endlager gefunden habe. Jedenfalls sind die endgültige­n Kosten für Zwischen- und Endlagerun­g nur schwer abzuschätz­en. Beim Rückbau gibt es schon Erfahrunge­n und halbwegs sichere Kostenkalk­ulationen.

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FOTO: DPA Die vier Kernkraftw­erksbetrei­ber haben sich von den Kosten zur Zwischen- und Endlagerun­g des Atommülls endgültig „freigekauf­t“.

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